Ingolstadt in den Playoffs:Coup des Neunten

ERC Ingolstadt - Hamburg Freezers

Die Ingolstädter Tim Conboy, Travis Turnbull, Alexander Oblinger und Tyler Bouck (v.l.n.r.) freuen sich über den Final-Einzug.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Im 50. Jahr seines Bestehens schafft es der ERC Ingolstadt erstmals ins Finale um die deutsche Eishockey-Meisterschaft. Und zwar nicht irgendwie: Nach Rang neun in der Hauptrunde besiegt er in den Playoffs nacheinander den Meister, den Hauptrundenzweiten und den Ersten. Nun wartet ein Finalroutinier.

Von Michael Neudecker, Ingolstadt

Derek Hahn sei heute leider nicht dabei, sagte der Stadionsprecher, leider verletzt, da begannen die Fans im Ingolstädter Block zu pfeifen. Derek Hahn ist der Mittelstürmer der ersten Reihe, ein wichtiger Mann für den ERC Ingolstadt, aber er ist am Freitagabend vom Hamburger Verteidiger Druval Westcott so hart gecheckt worden, dass er jetzt erst einmal nicht mehr spielen kann.

Druval Westcott wurde dafür vom Schiedsgericht der Deutschen Eishockey-Liga am Samstag für drei Spiele gesperrt, auch wegen dieser Sache kann man sagen, dass die Ingolstädter Fans die Hamburger nicht so mögen. Kurz vor Beginn dieses sechsten Spiels der Halbfinalserie am Sonntag wies der Stadionsprecher für alle Fälle darauf hin, man möge es bitte unterlassen, Gegenstände aufs Eis zu werfen.

Ingolstadt gegen Hamburg war eine Serie, in der es emotional herging, so emotional, wie es Playoffs nur ermöglichen. Am Sonntag nun endete die Serie: Ingolstadt gewann Spiel sechs 5:3 und entschied das Halbfinale der DEL mit 4:2 Siegen für sich. Die Ingolstädter waren Neunter nach der Hauptrunde, dann haben sie in den Playoffs den Meister (Berlin), den Hauptrunden-Zweiten (Krefeld) und den Ersten (Hamburg) besiegt, und jetzt sind sie im Finale.

Wenn Serien zu Ende gehen, werden die Pressekonferenzen danach immer zu Bilanzveranstaltungen, die Trainer blicken zurück, ordnen ein, bewerten. Als Hamburgs Trainer Benoit Laporte am frühen Sonntagabend zusammenfassen sollte, warum die Hamburg Freezers nicht im Finale sind, sagte er als erstes: "Ingolstadt hat es besser geschafft, die Emotionen zu kontrollieren."

Ingolstadt gegen Hamburg war ja auch eine dreckige Serie, eine mit harten Zweikämpfen, unerbittlichen Duellen. Schon zu Beginn der Serie hatte Laporte das unzulässige Wort "Krieg" benutzt, das war natürlich überzogen. Aber es ist auch so: Ingolstadt hat sich in der Hauptrunde den Ruf des unfairsten Teams der Liga erworben (28 Spieldauerstrafen in 52 Spielen sind alles, was man dazu wissen muss), und Hamburg stand in diesem Halbfinale den Oberbayern in nichts nach.

Verlust von sieben Zähnen

In Spiel vier schlug der Hamburger David Wolf den Ingolstädter Benedikt Schopper derart brutal mit bloßer Faust nieder, dass der nun sieben Zähne weniger hat und Wolf für sieben Spiele gesperrt wurde, in Spiel fünf ereignete sich der Vorfall mit Westcott und Hahn. Westcott wuchtete Hahn mit einem Check "zielgerichtet gegen den Kopf" in die Bande, wie das DEL-Schiedsgericht formulierte, und weiter: "Die besondere Schwere des Fouls liegt darin begründet, dass der Spieler Westcott vor dem Check abspringt, beide Schlittschuhe haben im Moment der Kollision keinen Kontakt zum Eis."

Man hätte nicht überrascht reagiert, wenn auch Spiel sechs einen Fall fürs Schiedsgericht geliefert hätte, aber Playoff-Serien gewinnt man eben nicht am Schiedsgericht. Hamburger wie Ingolstädter waren von Anfang an bemüht, weitere Eskalationen zu vermeiden, "wir wollten keinen Fehler machen", sagte danach der Ingolstädter Stürmer Thomas Greilinger. Die Partie war gewiss nicht weniger intensiv wie die vorherigen fünf, aber sie blieb weitgehend im Rahmen des Regelwerks. Gerade mal acht Strafminuten sprachen die Schiedsrichter aus.

In gewisser Weise mag das auch am überwiegend souveränen Auftreten der Ingolstädter gelegen haben, es gab im Grunde nur eine wenige Minuten andauernde Phase gegen Ende des zweiten Drittels, in der Hamburg Ingolstadt in Bedrängnis brachte. "Ingolstadt war einfach besser als wir", stellte Laporte fest, so einfach ist das manchmal. Nicht, dass Hamburg schlecht gespielt hätte, Hamburg mühte sich, hatte mit dem 1:0 nach viereinhalb Minuten sogar den besseren Start, Ingolstadt aber glich keine drei Minuten später aus und ging bei der Gelegenheit gleich noch in Führung.

Christoph Gawlik und Michel Périard trafen innerhalb von 31 Sekunden zum 1:1 und 2:1, und das ist schon die Geschichte dieses Spiels: Immer, wenn Hamburg sich Hoffnung machte, traf Ingolstadt, zum 3:1 (35.), zum 4:2 (43.), schließlich zum 5:3 knapp eineinhalb Minuten vor Schluss, als Hamburgs Torhüter seinen Posten schon zugunsten eines weiteren Feldspielers verlassen hatte.

"Ich bin sehr stolz", sagte Ingolstadts Trainer Niklas Sundblad, ein ansonsten eher zurückhaltender Schwede, draußen jubelten die Fans. Der ERC Ingolstadt steht im 50. Jahr seines Bestehens erstmals im Finale um die deutsche Eishockey-Meisterschaft, der Gegner, die Kölner Haie, ist dagegen zwar Final-Routinier, die Haie sind schon acht Mal Meister geworden. Aber das ist nun eine andere Geschichte. Sie beginnt am Donnerstag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: