Ingolstadt ärgert Hamburg:Schweinespiel? Danke für das Kompliment!

Hamburg 27 Februar 2016 Fußball 1 Bundesliga 2015 16 Hamburger SV FC Ingolstadt 04 Auseina

Tag der Kampfhandlungen: Bei vielen ruppigen Duellen - hier Gotoku Sakai (HSV, Weiß) gegen Robert Bauer (FCI) mussten die Referees schlichten.

(Foto: Philipp Szyza/imago)

Der HSV beschwert sich nach dem 1:1 über die Spielweise der Ingolstädter - deren Sportdirektor Thomas Linke setzt sich zur Wehr.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Zwei Torschützen stehen in den Katakomben des Hamburger Volksparkstadions: Lukas Hinterseer, Nationalspieler Österreichs, Stürmer des FC Ingolstadt, verantwortlich für den 1:1-Endstand im Spiel gegen den HSV. Und Josip Drmic, Nationalspieler der Schweiz, Flügelspieler der Hamburger, Urheber des frühen 1:0. Hinterseer berichtet den mitgereisten Journalisten aus Bayern vom Hergang der Partie - Drmic liefert den gleichen Service für die versammelten Hamburger Medienschaffenden. Allerdings zeigt Hinterseer die gelassene Attitüde des Könners. Er hat eine Phase der Ladehemmung hinter sich, aber das habe er "ja eh schon immer gesagt", dass es schnell wieder aufwärts gehen könne. Außerdem wäre aus seiner Sicht ein Sieg drin gewesen, "wenn wir ein paar Aktionen konsequenter fertig spielen". Drmic dagegen wirkt irgendwie matt und peinlich berührt. Seine Spielanalyse ist eine Abrechnung: "Das war Horror für den Bundesliga-Fußball, ich denke, so ein Spiel tut den Augen weh", sagt er, und mit leiser Verachtung in der Stimme fügt er hinzu: "Es ist wirklich schwer, gegen Ingolstadt zu spielen."

Aufsteiger machen sich nicht beliebt, wenn sie mit solidem Handwerk das Establishment aufmischen. Die Traditionsvereine erheben einen natürlichen Anspruch auf ihren Platz in der höchsten Spielklasse. Den wollen sie sich nicht von einem dahergelaufenen Ex-Zweitligisten streitig machen lassen. Schon gar nicht von einem Emporkömmling ohne Bundesliga-Hintergrund wie dem FC Ingolstadt, der kaum Nachlässigkeiten in der Abwehrarbeit aufweist und mit einem fast pedantischen Kampfgeist jedem Ball nachsetzt. So gesehen hat man schon nachvollziehen können, dass die HSV-Profis etwas genervt waren nach der durchaus ruppigen Begegnung mit den unnachgiebigen Ingolstädtern. Lewis Holtby nannte sie sogar eine "ekelhafte Mannschaft", die vor allem dadurch auffalle, dass sie "auf Labern, Herumblöken und Sich-fallen-Lassen" aus sei. HSV-Trainer Bruno Labbadia sagte, es sei "das erwartete Schweinespiel" gewesen.

Ob da nicht auch ein bisschen die verletzte Eitelkeit spricht? Der HSV würde so gerne wieder groß sein und ein angemessener Vertreter der vornehmen Hansestadt Hamburg in der Bundesliga. Aber so ganz klappt das noch nicht, trotz eines Personaletats von 69 Millionen Euro. Aufsteiger Ingolstadt ist besser. Was bleibt den hochbezahlten HSV-Feinfüßlern da anderes übrig, als von den eigenen Schwächen abzulenken und im Spielstil des Gegners den Verrat am schönen Fußball zu sehen?

Die Aufsteiger dieser Saison sind gekommen, um zu bleiben

Die Ingolstädter haben sich davon jedenfalls nicht anfechten lassen. "Wir haben hart an der Grenze gespielt", findet Hinterseer, "aber das gehört zum Fußball dazu." Trainer Ralph Hasenhüttl nimmt die Kritik der Hamburger gar als Kompliment: "Das sind nicht die Ersten, die sich nicht darüber erfreut zeigen, dass wir einfach keine Ruhe lassen", sagt er. "Das ist Kampf, das ist das, was wir reinlegen können, um in der Liga zu bleiben. Und ich glaube, das tun wir auf eine sehr beeindruckende Weise." Tags darauf verschärfte dann Ingolstadts Manager den Ton. Thomas Linke sah sich zur Versendung einer offiziellen Stellungnahme veranlasst: "Ich kann mich nur wundern über die Zitate der HSV-Spieler. Offenbar habe ich ein anderes Spiel gesehen. In meinen Augen hat sich keiner was geschenkt. Der HSV hat dabei ganz ähnliche Mittel wie wir benutzt, stand uns in nichts nach." Eine Spitze gegen die Hamburger konnte sich Linke nicht verkneifen: "Traurig, wie eigentlich großartige Spieler immer wieder versuchen, Versäumnisse gegen Aufsteiger nach Abpfiff medial nachzuholen."

Die liebsten Aufsteiger sind den sogenannten Traditionsklubs ja jene, die sich in die zweite Liga zurückschicken lassen. Greuther Fürth, der SC Paderborn oder Eintracht Braunschweig sind in dieser Hinsicht Vorbilder gewesen. Die waren frech genug, um der Liga ein paar Farbtupfer zu verleihen, am Ende aber chancenlos. Gerade der HSV ist solchen Klubs zu Dank verpflichtet - 2014 und 2015 wäre er abgestiegen, wenn sich Braunschweig und Paderborn nicht freundlicherweise hinter ihm platziert hätten. Aber es gibt kein Recht auf demütige Aufsteiger, die sich mit hinreißender Naivität ans Tabellenende stürzen. Manche sind gekommen, um zu bleiben. Der FSV Mainz war so ein Neuling, der sich einfach nicht mehr verdrängen ließ. Der FC Augsburg hat sich gehalten. Und in dieser Saison geht der Trend wieder zum ambitionierten Aufsteiger. Darmstadt 98. Ingolstadt. Diese Teams rufen ihren Konkurrenten zu: Schlagt uns doch, wenn Ihr könnt! Aber viele können es nicht. "Diese Art Fußball, die wir spielen, ist einfach nicht angenehm", sagt Ralph Hasenhüttl. Er ist stolz drauf.

Es geht nicht um Freundschaften oder gute Fernsehunterhaltung

Ein guter Aufsteiger hält sich nicht mit Schnörkeln auf. Er überschätzt sich nicht und reduziert das Spiel auf seinen Kern: Es geht um den Erfolg, nicht um neue Freundschaften, Begeisterungsstürme oder gute Fernsehunterhaltung. Die Konkurrenten sind frei, der Strategie des soliden Handwerks ihre eigene Brillanz entgegenzusetzen. Aber da kommt von einem Klub wie dem HSV nicht viel. Die Hamburger wissen es selbst, und deshalb vergaßen sie nach dem Spiel auch die selbstkritischen Töne nicht. Lewis Holtby zum Beispiel bemühte nach seiner kleinen Tirade auf die Ingolstädter Spielweise ein Sprachbild, das zwar nicht ganz neu war, aber sein Wissen um die eigene Verantwortung zeigte. Er sagte: "Wir müssen uns an die eigene Nase fassen."

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