Ilkay Gündogan im DFB-Team:Er spielt Pässe mit Visionen

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Gegen England 85 Minuten auf dem Platz: Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan. (Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)
  • Nach langer Verletzungspause spielt Ilkay Gündogan beim 0:0 gegen England wieder für die DFB-Elf.
  • Seine mangelnde Spielpraxis ist ihm in manchen Szenen anzumerken - doch in seinen guten Phasen kann der gebürtige Gelsenkirchener das Spiel schon prägen.

Von Matthias Schmid, London

Man sah nur verstrubbelten Vollbart und Schildmütze, als Ilkay Gündogan in der Interviewzone des Wembley-Stadions Halt machte für eine kurze Audienz. Er hatte die Kappe so weit ins Gesicht gezogen, als wolle er die Umgebung nicht sehen und auch nicht von der Umgebung gesehen werden. Nur manchmal blickte er auf, und man konnte erkennen, dass es sich tatsächlich um Gündogan handelte. Verstecken musste sich der 27-Jährige aber wahrlich nicht nach seiner ersten Darbietung nach einjähriger DFB-Abstinenz am Freitagabend gegen England (0:0).

Das Freundschaftsspiel gegen Italien vor fast genau einem Jahr war sein bisher letzter Auftritt im Trikot der DFB-Elf gewesen, danach begann mit einem Kreuzbandriss eine lange Leidenszeit, schon wieder, Gündogans Krankenakte ist ungeheuer dick.

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Am Freitagabend wirkte Gündogan mit zunehmender Gesprächsdauer immer vergnügter. "Ich spüre die Anstrengung", sagte er und lächelte. Das Gefühl, sich verausgaben zu dürfen, hatte er ja am meisten vermisst, erst im September war er für seinen Klub Manchester City nach neunmonatiger Pause erstmals wieder in der Premier League aufgelaufen, ganz behutsam führt ihn sein Trainer Pep Guardiola an höhere Intensitäten heran. Der Spanier braucht seinen ballgewandten Mittelfeldspieler für seine komplexen Ballstafetten.

Länger als 24 Minuten hat Gündogan bisher in der Liga aber nie spielen dürfen. Gegen England stand er dann für 85 Minuten auf dem Rasen. "Es ist sehr schön, wieder dabei zu sein", fand Gündogan. Auch Bundestrainer Joachim Löw war hinterher angetan: "Ilkay hat seine Sachen gut gemacht, man merkt seine große Qualität, er braucht noch ein paar Spiele, um in den Rhythmus zu kommen."

"Ich weiß, dass ich besser spielen kann"

In seinen guten Phasen kann der gebürtige Gelsenkirchener das Spiel schon prägen, er hat eine Intuition, wie nur wenige, er spielt Pässe mit Visionen, so wie in der 39. Minute, als er Timo Werner so chirurgisch genau anspielte, dass dieser allein auf Englands Torhüter Jordan Pickford zulaufen konnte (auch wenn er ihn nicht überwand). "Wir hatten richtig gute Chancen heute und hätten gerne gewonnen", sagte Gündogan.

In den weniger guten Phasen war dem Mittelfeldspieler seine fehlende Matchpraxis anzumerken, er schätzte einige Bälle in der Defensive falsch ein und begünstigte so ein paar englische Kombinationen. "Ich weiß, dass ich besser spielen kann und dass da mehr Potenzial ist", gab er zu. Er ist ein Spieler mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion. "Vor allem in der zweiten Hälfte war ich nicht mehr so aktiv im Spielaufbau, wie ich selber sein wollte."

Das Freundschaftsspiel gegen England war Gündogans 21. Einsatz für die Nationalmannschaft, für einen Spieler seiner Qualität ist das nicht viel. Und es gab Zeiten, da hat er mit seinem Schicksal gehadert. Wegen einer komplizierten Bandscheibenverletzung blieb ihm 2014 nicht nur die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien verwehrt, auch die Europameisterschaft zwei Jahre später in Frankreich durfte er nur vor dem Fernseher erleben, weil ihm die Kniescheibe rausgesprungen war. Nach seinem Kreuzbandriss dann im vergangenen Jahr hatte er seinen ganzen Kummer in einer Nachricht an Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff offenbart. "Ich weiß nicht, womit ich das verdient habe", schrieb Gündogan damals.

Über die bleierne Zeit der Aufbauarbeit wollte er am Freitagabend nicht mehr sprechen. Aber schon bis zur WM in Russland hat er auch nicht vorausblicken wollen. Ilkay Gündogan hat gelernt, dass es besser ist, nicht mehr in so großen Zeitfenstern zu planen. "Ich fühle Bescheidenheit und Dankbarkeit, dass ich wieder auf dem Platz stehen kann, und genieße es einfach nur", hatte er vor kurzem in einem Interview mit dem Internetportal spox.com erzählt.

Ilkay Gündogan war der letzte Nationalspieler, der am Freitag noch auf Fragen antwortete, als der Motor des Busses schon zu hören war. Er musste dann auch schnell weg. Seine Mütze hatte er in der Zwischenzeit wie einen Vorhang nach oben gezogen, zum Vorschein kam ein breites Grinsen.

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