Rückkehr in die Heimat:Zlatan lädt ganz Malmö ein

Rückkehr in die Heimat: Zlatan Ibrahimovic ist bekannt für akrobatische Einlagen und Tor-Zaubereien, aktuell führt er sie für Paris St. Germain vor.

Zlatan Ibrahimovic ist bekannt für akrobatische Einlagen und Tor-Zaubereien, aktuell führt er sie für Paris St. Germain vor.

(Foto: David Vincent/AP)

Fußball-Narziss Ibrahimovic gastiert mit seinem Klub Paris in Malmö, wo seine Saga einst begann. Zur Feier des Tages lässt er eine Videoleinwand im Zentrum aufbauen.

Von Thomas Hahn, Malmö

Es hat Schnee gegeben in Malmö, und deshalb weiß Daniela Fernandez, die Kommunikationschefin der Stadt, gerade nicht so genau, wie viele Menschen zur Übertragung auf dem Rathausplatz Stortorget kommen werden. Mit Schnee haben sie es nicht so in Schonen, Südschweden, sagt sie, und der Wetterbericht für Mittwoch ist nicht verheißungsvoll. Schauer, fünf Grad. Aber ein paar Leute werden schon kommen, davon kann man ausgehen, denn das Stadion ist ausverkauft.

Außerdem hat ja nicht irgendwer die große Video-Wand im Zentrum aufbauen lassen und die Erlaubnis für die öffentliche Übertragung des Champions-League-Spiels von Malmö FF gegen Paris St. Germain eingeholt. Es ist Zlatans Einladung. Wer dem berühmtesten Fußballer der Stadt die Ehre erweisen will und kein Ticket für die Arena hat, wird am Mittwoch rauskommen zum Rathausplatz in den Regen.

Das Gastspiel des französischen Meisters am Öresund ist eher ein kleineres Ereignis des Weltfußballs. Die Verhältnisse in Gruppe A der Königsklasse sind geordnet. Wenn Real Madrid in Donezk nicht verliert, reicht PSG schon ein Unentschieden, um vor dem letzten Spieltag im Achtelfinale zu stehen. Malmö ist der Außenseiter. Aber bei diesem Spiel gegen Paris geht es nicht nur ums Sportliche. Es geht um ein Gefühl, das im globalisierten Fußball-Geschäft mit seinem regen Transfermarkt klein geworden ist.

Zlatan Ibrahimovic, Sportweltenbummler und Stürmer-Idol, kehrt in seine Stadt zurück, und obwohl er dies als Angestellter von Paris St. Germain tut, denkt er nicht daran, sein Heimatgefühl zu verleugnen. Malmö und er gehören zusammen. Die Stadt, genauer gesagt ihre Großwohnsiedlung Rosengard, ist nicht nur der Ausgangspunkt seiner Karriere. Sie ist Teil seiner Legende.

Im modernen Konzeptfußball ist es gar nicht mehr so einfach, sich als Individualist einen Namen zu machen. Aber Ibrahimovic, 34, hat das geschafft. Er ist seine eigene Marke, ein Narziss in Stollenschuhen: Albtraum für Freunde des Kollektivgeists, Held für Liebhaber des unerwarteten Kunststücks. Kann schon sein, dass Ibrahimovic seine Rolle als Rebell im Heer der Systemkicker übertreibt. Aber seine Tore sind tatsächlich kleine Zaubereien, die den gewohnten Gang des Spiels brechen. Und er erzielt sie vorzugsweise dann, wenn sie wirklich gebraucht werden. Erst vergangene Woche hat er Schwedens Nationalteam mit zwei Toren gegen Dänemark fast im Alleingang für die EM 2016 qualifiziert.

Imbrahimovic war Fahrraddieb und Provokateur

Diese Frechheit. Dieses stählerne Selbstbewusstsein, das er wie eine Ritterrüstung trägt. Dieser verschlagene Witz in seinen Finten. Wo kommt das her? Ibrahimovic weiß es und er vergisst es nicht. "Du kannst einen Typen aus Rosengard holen, aber du holst niemals Rosengard aus einem Typen", hat er mal gesagt. Das Zitat prangt in Rosengard an einer Unterführung wie ein Werbespruch für die Vorzüge eines sogenannten sozialen Brennpunkts. Raffiniertes Stadtmarketing? Selbstinszenierung eines medienerprobten Millionarios? Ganz so einfach ist es nicht.

Malmö ist die drittgrößte Stadt in Schweden, ein lebendiges Nest mit 312 000 Einwohnern, von dem man auch tagsüber manchmal nicht weiß, ob es schläft oder wach ist. Das Leben hier ist gut, und auch wenn man der vierspurigen Amiralsgatan nach Osten folgt und hineinläuft in Rosengards Landschaft aus Mietshausblöcken, denkt man sich: Es gibt schlimmere Orte auf der Welt. Grünflächen und Radwege durchziehen die Betonlandschaft, es gibt ein Einkaufszentrum, eine Bibliothek, ein Schwimmbad, Kunst an den Mauern und sehr viele Fußballplätze.

Sein ehemaliges Viertel Rosengard kämpft mit seinem Image

Rosengard war der mondäne Landsitz der Unternehmer-Familie Kockums, ehe das Industriezeitalter voranschritt, das Gebiet um die Villa zur Gastarbeiter-Siedlung wuchs und in den 1960er Jahren unter ein staatliches Sozialwohnungsbau-Programm fiel. Aber das Image von Rosengard ist schlecht, was der Stadtteil-Manager Paul Noble auf jene Ausschreitungen zurückführt, mit der radikale Jugendliche Ende 2008 auf die Zwangsräumung einer Moschee reagierten.

Damals brannten Autos und Häuser, einen solchen Gewaltausbruch kannte Schweden bis dahin nicht, und Noble hat bis heute damit zu tun, den Leuten zu erklären, dass Rosengard keineswegs das Pulverfass der Nation ist. "Man muss mit dem Mythos aufräumen, dass die Herausforderungen hier irgendetwas Besonderes wären."

Die Herausforderungen sind: relativ hohe Arbeitslosigkeit unter den rund 25 000 Rosengard-Bewohnern, von denen kaum einer schwedische Wurzeln hat. Relativ geringe Schulbildung. Relativ hohe Fluktuation. Städtische und private Initiativen arbeiten daran. Und zwar mit Erfolg, wie Sozialarbeiter Noble mit diversen Statistiken belegen kann.

Eine Jugend dort muss trotzdem nicht lustig sein. Und die von Zlatan Ibrahimovic war geprägt von Streit, Schlägen, Missachtung. Er lebte erst am Cronmans väg, dritter Stock, im engen Haushalt seiner Mutter, einer kroatischen Putzfrau. Später zog er zum bosnischen Vater, der als Hausmeister arbeitete, sein Balkankrieg-Trauma im Alkohol ertränkte und oft die Wohnung in Malmö wechselte. "Mit Küsschen und so war bei uns nichts", erzählt Ibrahimovic in seiner Biografie, und ohne Pathos schildert er, wie die täglichen Machtkämpfe im Vielvölkermilieu sein Temperament prägten.

"Wir Jungs machten alle auf hart. Wegen jeder Kleinigkeit rasteten wir aus." Er war Fahrraddieb und Provokateur. Fußballspielen auf den Plätzen des Viertels war sein Ausgleich, aber in den Vereinen, für die er spielte, eckte er an. Auch bei Malmö FF, wo sie ihm mit 17 einen Profivertrag gaben, weil er im Jugendteam unterfordert war. Die Kollegen beklagten seinen Eigensinn, aber der Teenager trug 2000 mit zwölf Toren zum Aufstieg bei. Im Sommer darauf wechselte er zu Ajax Amsterdam, und die Ibrahimovic-Saga nahm Fahrt auf.

10 000 Menschen kamen, als er mit dem Nationalteam trainierte

Man kann darüber streiten, ob jede Facette dieser Geschichte im Duftnebel der Zlatan-Verklärung verschwinden muss. Außerdem dient die Story von der rauen Jugend des Ibrahimovic auch dem Sportartikelhandel: Der Zlatan-Court am Cronmans väg, ein Asphaltplatz hinter Gitterzäunen, trägt das Logo des amerikanischen Ibrahimovic-Ausrüsters. Andererseits hat Ibrahimovic ja tatsächlich gezeigt, dass auch ein Rosengard-Junge was Großes schaffen kann. Er bedeutet den Leuten der Siedlung viel, und auch der Rest von Malmö feiert Ibrahimovic. "Er hat Malmö auf die Landkarte gesetzt", sagt Johnny Gyllenso, einer seiner Jugendtrainer, mit leichter Übertreibung. 10 000 Menschen kamen, als er mal mit dem Nationalteam in Malmö trainierte. Schon als die Champions League ihn 2011 mit dem AC Mailand nach Malmö führte, gab es in der Arena ein warmes Willkommen. Und Zlatan lächelte dazu.

Ein kurzer Werbespot zur Übertragung auf dem Stortorget am Mittwoch ist draußen: Malmö in Schwarz-Weiß, melancholische Blicke auf die Plätze von Rosengard. Es wird T-Shirts für einen wohltätigen Zweck zu kaufen geben und "viele großartige Dinge", wie Ibrahimovic auf Facebook meldet. Das Spiel ist eine große Sache für die Stadt und ihre Leute, ein lokales Weltereignis. Zlatan wird auf dem Platz seinen Job für PSG machen. Aber in Wirklichkeit werden sie zusammen sein. Er und Malmö. Bei jedem Wetter.

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