Hummels-Transfer vom BVB:Bayern gönnt sich die Weltmeister-Verteidigung

Germany v Georgia - EURO 2016 Qualifier

Künftig zusammen bei den Bayern: Mats Hummels (links) und Jérôme Boateng (rechts).

(Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images)

Der BVB streicht für Mats Hummels eine ungewöhnlich hohe Ablösesumme ein. Die Suche nach einem Nachfolger läuft.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Wenn es nach dem Börsenkurs der Borussia Dortmund KG auf Aktien ginge, ist so gut wie nichts passiert. Die Vollzugsmeldung am Dienstagmittag, wonach Dortmunds Kapitän Mats Hummels beim nationalen Mitbewerber Bayern München einen Vertrag bis 2021 erhält, schien den Aktienkurs ebenso wenig zum Schwingen zu bringen wie der zeitgleich veröffentlichte "Neun-Monats-Bericht", der ungebremste Umsatzsteigerungen meldete und fürs gesamte Geschäftsjahr einen "Jahresüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe" prognostizierte. Die Trauer um den Verlust von Hummels war allerorten wohl schon seit Tagen eingepreist.

Dass in München, beim ohnehin schon überlegenen Meister, bald in Jérôme Boateng, Mats Hummels und Torwart Manuel Neuer eine echte Weltmeister-Abwehr zusammenarbeiten wird, ist die eine Seite des Wechsels. Wie Dortmund den Verlust ausgleichen wird, ist die andere, vermutlich spannendere Frage. Hummels hatte vor Wochen schon seine Chefs wissen lassen, dass eine Vertragsverlängerung beim BVB nicht sicher sei und seine - zumindest gefühlte - Heimatstadt München rufe. Spätestens da fing Dortmund an, den Markt zu sondieren. Transfers konnten bisher nicht besiegelt werden, denn noch vorige Woche hatte Hummels in Gesprächen mit den BVB-Spitzen und Mitspielern alles als offen dargestellt. Gut möglich, dass er bis zuletzt tatsächlich mit sich gerungen hat - nach achteinhalb Jahren bei Borussia.

"Bisher ist es uns noch jedes Mal gelungen, nach solchen Verlusten Lösungen zu finden", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Dienstag, "das wird uns auch in diesem Fall gelingen."

Hummels löst Manuel Neuer ab

Die 35 Millionen Euro, die der Aufsichtsrat des FC Bayern am Montagabend für den Hummels-Transfer durchgewunken hat, ist die höchste Ablöse, die je für einen deutschen Spieler mit nur noch einjähriger Vertragslaufzeit gezahlt wurde. Bisher lag in dieser Statistik Torwart Manuel Neuer vorne, der vor fünf Jahren für circa 30 Millionen von Schalke 04 ebenfalls zu den Bayern wechselte. Mit diesem Geld kann der BVB vermutlich Ersatz für den Fußballer Hummels finden - nicht unbedingt aber für die Symbolfigur Hummels.

Die teuersten Transfers innerhalb der Bundesliga

Mats Hummels * 38 Mio. Euro

2015 Borussia Dortmund -> FC Bayern

Mario Götze 37 Mio. Euro

2013 Borussia Dortmund -> FC Bayern

Julian Draxler 35 Mio. Euro

2015 FC Schalke 04 -> VfL Wolfsburg

Mario Gomez 35 Mio. Euro

2009 VfB Stuttgart -> FC Bayern

Manuel Neuer 30 Mio. Euro

2011 FC Schalke 04 -> FC Bayern * Ablösesummen teilweise geschätzt

Seinen Job als Innenverteidiger hat er stets auch als eine Art zusätzlicher Spielmacher interpretiert, seine Spielweise ist so speziell, dass sie nur schwer eins zu eins zu ersetzen ist. Aber etliche prominente Trainer, von Joachim Löw bis José Mourinho, würden das wohl auch gar nicht wollen. Das Gesamtkunstwerk Hummels, mit Beckenbauer'schem Flair, langen Außenrist-Pässen und ungestümen Ausflügen ins Stürmerland, nimmt man zwar immer mal gerne mit - aber in den modernen, meist offensiven Fußball-Philosophien ist manchen Trainern ein etwas weniger feinsinniger Innenverteidiger eher lieber. Mats Hummels ist als Künstler kaum zu übertreffen, als bloßer Verteidiger aber nicht unumstritten. Von Trainer Thomas Tuchel hat man jedenfalls auffällig wenig gehört, als es in den letzten Tagen darum ging, den Abwehr-Boss zum Bleiben zu überreden. Um einen Spieler wie Henrikh Mkhitaryan bemüht sich Dortmunds Trainer jedenfalls deutlich ausdauernder.

Dennoch wird der BVB gerade mit allen möglichen Abwehr-Kandidaten in Verbindung gebracht, die wenigstens halbwegs so ticken wie das Unikat Hummels, über dessen Fähigkeit zum Antizipieren des gegnerischen Spiels man oft nur staunen kann. Ömer Toprak von Bayer Leverkusen wird seit zwei Wochen als möglicher Nachfolger gehandelt, Toprak soll eine Ausstiegsklausel für den Sommer 2017 besitzen, was ihn möglicherweise schon jetzt erschwinglich macht. Der gebürtige Ravensburger spielt für die türkische Nationalelf und hat die Erfahrung von mehr als 30 Europapokal-Spielen. Dieses Plus an Routine macht den 26-Jährigen offenbar zu einem Favoriten. Seine Spielweise ähnelt der von Hummels, allerdings ohne dessen Eleganz.

Dortmund schaut sich nach Ersatz um

Derweil lässt Watzke durchblicken, dass der BVB sich auch im Ausland umsehe. Immer wieder hört man drei Namen, die ein bisschen was von Hummels hätten, aber nicht zu viel. Bei Aleksandar Dragovic von Dynamo Kiew, österreichischer Nationalspieler, gebürtiger Wiener, könnte wichtig werden, dass er Deutsch spricht. Kalidou Koulibaly vom SSC Neapel gilt als beste Hummels-Kopie und bester Verteidiger der Serie A. Angeblich interessierten sich die Bayern auch für den Franzosen, der für den Senegal spielt. Ähnliches gilt für Raphael Varane, 23, den Franzosen, der bei Real Madrid als Spitzenkraft gilt, aber an den Platzhirschen Pepe und Ramos kaum vorbeikommt. Hummels adelte Varane nach einem BVB-Spiel gegen Real selbst als "wahnsinnig guten jungen Spieler".

Weniger Interesse scheinen die Dortmunder im Moment an den noch jüngeren Hotshots der deutschen Verteidiger-Szene um die 20 Jahre zu haben: Niklas Süle (Hoffenheim), Jonathan Tah (Leverkusen) oder der von Chelsea an Mönchengladbach ausgeliehene Däne Anders Christensen sind für die Ambitionen des BVB noch zu unerfahren; aus der gleichen Generation hat der BVB in Matthias Ginter ja selbst einen Kandidaten in petto. Für die Champions League wird eher ein Haudegen gesucht. Was dem BVB nach Hummels' Abschied Hoffnung macht: Über die Jahre hat der Klub die Verluste der inzwischen zurückgekehrten Nuri Sahin (ersetzt durch Ilkay Gündogan) und Shinji Kagawa (ersetzt durch Marco Reus) sowie von Mario Götze und Robert Lewandowski (ersetzt durch Mkhitaryan und Pierre-Emerick Aubameyang) stets kompensieren können und sich dabei eher verbessert. Diesmal aber gibt es mit Mkhitaryan und Gündogan zwei weitere Hängepartien. Gündogans Wechsel zu Manchester City galt als sicher, bis zu seiner schweren Knie-Verletzung vorige Woche. Inzwischen wird gemunkelt, dass Gündogan bleiben könnte, weil ein Wechsel mitten in einer Reha-Phase zu riskant wäre für den Nationalspieler.

Ousmane Dembélé wird wohl kommen

Und Mkhitaryan soll so oder so gehalten werden, im Notfall würde Dortmund den besten Scorer der Liga bis zum Vertragsende 2017 halten und dann ablösefrei abgeben. Sein Berater Mino Raiola ist derzeit abgetaucht, hat aber erklärt, dass Trainer Tuchel seinen Klienten ohnehin für "unverkäuflich" erklärt habe. Was immer das heißen sollte.

Als nahezu sicher gilt beim BVB der Wechsel von Außenstürmer-Talent Ousmane Dembélé von Stade Rennes. Fest angeheuert hat außerdem schon der Spanier Michel Merino von Osasuna aus der zweiten spanischen Liga. Allzu viele Umbauten wird es darüber hinaus kaum geben. Das Ziel des BVB, die Bayern nächste Saison ernsthaft anzugreifen, ist durch den Verlust von Hummels ohnehin gefährdet. Mehr Unruhe wollen sie beim BVB vermeiden, zumal in zehn Tagen das Pokalfinale gegen Bayern ansteht. Mats Hummels spielt dann übrigens noch für den BVB.

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