Huck-Boxkampf in Stuttgart:Ein Kampf, ein Witz

Der eine boxt wie ein wilder Stier, der andere ist geduldig und duckt sich reaktionsschnell. Marco Huck fordert in Stuttgart den Russen Alexander Powetkin heraus. Der Kampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht verspricht einiges - doch er zeigt auch, welch groteske Ausmaße die Titelvergabe beim Boxen angenommen hat.

Jürgen Schmieder

Die Showdisziplin Wrestling galt lange Zeit als einzige Sportart, in der es beinahe so viele Titel wie aktive Akteure gab. Das freilich konnte das Boxen nicht auf sich sitzen lassen, der Sport der Superlative, Sprücheklopfer und Schaumschläger. Welch groteske Ausmaße die inflationäre Titelvergabe angenommen hat, zeigt der Schwergewichtskampf zwischen Marco Huck und Alexander Powetkin am Samstag in Stuttgart (22.15 Uhr/ARD).

Offizielles Wiegen WM Boxkampf Marco Huck

Erstes Aufeinandertreffen der Kontrahenten: Marco Huck (links) und Alexander Powetkin sind sich am Freitag beim Wiegen gegenübergestanden.

(Foto: dpa)

Offiziell geht es um den Weltmeistertitel der World Boxing Association (WBA), derzeit im Besitz von Powetkin. Der Verband allerdings führt Wladimir Klitschko als so genannten "Superchampion", weil der auch noch Weltmeister der Verbände WBO und IBF sowie Inhaber des Gürtels des unabhängigen Ring Magazines ist - der Titel der WBC gehört Vitali Klitschko.

Es ist also ein schlechter Witz, dass vor dem Kampf verkündet wurde, Marco Huck könne der erste deutsche Schwergewichts-Weltmeister seit Max Schmeling werden. Schmeling war ein Gentleman, ein feiner Kerl, er hätte über diesen Witz wohl nur milde gelächelt.

Die skurrile Titel-Konstellation bedeutet indes nicht, dass da kein interessanter Kampf stattfindet, im Gegenteil: Das Duell zwischen Huck und Powetkin sollte ein hochklassiges Gefecht werden. Huck ist der Herausforderer, er hat im Cruisergewicht 34 von 35 Kämpfen gewonnen, davon 25 durch Niederschlag.

Kürzlich wechselte er die Gewichtsklasse und boxt nun sogleich um diesen Fast-Titel. "Ich bin seit mehr als zwei Jahren Weltmeister im Cruisergewicht, ich habe den Titel acht Mal verteidigt. Aufbaukämpfe sind nichts für mich", sagt er. Huck möchte es Evander Holyfield und David Haye nachmachen, die einst das Cruisergewicht dominierten und dann im Schwergewicht erfolgreich waren.

Nur: Holyfield war ein brillanter Techniker und gewiefter Taktiker, dazu ein Bär von einem Mann. Haye war unglaublich schnell und präzise - er hatte aber letztlich im Juli 2011 keine Chance gegen Wladimir Klitschko.

Morddrohung vor dem Kampf

Huck ist eher ein wilder Stier, der seine Gegner nicht ausboxt, filetiert oder auskontert, sondern vielmehr so lange auf sie einprügelt, bis sie einfach umfallen. In den vergangenen Kämpfen agierte Huck ein wenig besonnener und zurückhaltender. "Ich habe gesehen, dass ich erfolgreicher bin, wenn ich disziplinierter agiere. Außerdem ist es gesünder", sagt Huck, ergänzt aber: "Ich will immer noch spektakulär boxen, die Zuschauer begeistern und meine Gegner niederschlagen."

Im Cruisergewicht funktionierte diese Hau-drauf-und-Schluss-Taktik hervorragend, doch nicht wenige zweifeln daran, dass Huck damit auch in der höheren Gewichtsklasse Erfolg haben wird.

Gegner Powetkin ist in 23 Kämpfen unbesiegt, 16 Mal schlug er dabei seinen Kontrahenten nieder. Er ist sportlich wie menschlich die Antithese zu den boxenden Schaumschlägern, von denen es gerade im Schwergewicht allzu viele gibt. Der 32 Jahre alte Russe ist 1,88 Meter groß und mehr als 100 Kilogramm wuchtig, er boxt geduldig, wackelt geschickt mit dem Oberkörper und duckt sich reaktionsschnell, dann explodiert er und schlägt saubere Kombinationen und wuchtige Haken. "Powetkin war nicht umsonst Olympiasieger und Amateur-Weltmeister - und den Profi-Titel gewinnt man auch nicht mal eben so", sagt Huck über seinen Gegner.

Der 27-jährige Huck hat mehr als zehn Kilogramm zugenommen, um auch in der neuen Gewichtsklasse wuchtig agieren zu können, bei einer Größe von 1,87 Metern wiegt er nun mehr als 100 Kilogramm. Dadurch könnte er an Geschwindigkeit verloren haben, die er jedoch braucht, um dem clever agierenden Powetkin gefährlich werden zu können.

"Es gibt viele Leute, die mich nicht mögen und nicht an mich glauben", sagt Huck. Vor einigen Wochen erhielt er gar eine Morddrohung, weshalb die Sicherheitsvorkehrungen in Stuttgart erhöht wurden. Huck sagt: "Ich habe vor niemandem Angst, aber ich mache mir Sorgen um meine Familie."

Sollte Huck verlieren, darf er als Cruisergewichts-Weltmeister des Verbandes WBO seine Karriere fortsetzen. Der Profiteur der Veranstaltung ist deshalb der Sauerland-Boxstall, der beide Kämpfer unter Vertrag hat - eine Absprache vor dem Kampf schließt Huck aus: "Das ist Quatsch. Ich habe mit Powetkin überhaupt nichts zu tun. Ich bin ihm ein paar Mal über den Weg gelaufen. Wir haben keine Gemeinsamkeiten und kennen uns auch nicht."

Wer auch immer am Samstag gewinnt: Der Sieger darf noch nicht Superchampion Wladimir Klitschko herausfordern, sondern muss erst gegen Hasim Rahman antreten, den die WBA zum Pflichtherausforderer bestimmt hat. Schließlich muss es im Schwergewichtsboxen auch weiterhin fast so viele Titel wie Boxer geben.

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