HSV:Verzweiflung als Marke

FC Augsburg v Hamburger SV - Bundesliga

Dennis Diekmeier und André Hahn nach dem Spiel gegen Augsburg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Hamburger SV spielt schon wieder mit einer überteuerten Elf gegen den Abstieg. Dem Kader liegt kein Konzept zugrunde, zu viele Berater und Sportdirektoren haben daran gebastelt.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der Ball kam aus einem schwierigen Winkel auf Filip Kostic zugeflogen, doch der Spieler des Hamburger SV kontrollierte ihn, und für einen kurzen Augenblick ergab alles Sinn. Es war ein Gedankenexperiment für die Zuschauer der Begegnung zwischen Augsburg und dem HSV, der ansonsten eigentlich zum Wegschauen spielte. Aber dann, es lief die 55. Minute, nahm Kostic den Ball wunderbar an, spielte ihn mit derselben Berührung gleich über seinen Gegner hinweg, das Hinsehen lohnte sich. Und jeder Zuschauer durfte kurz wie ein echter HSV-Manager denken: Wow! Toller Spieler, dieser Kostic! Müssen wir haben!

Aus Gründen der Authentizität gehörte es zum Experiment, folgende Gedanken auszublenden: Ob Kostic, Hamburger seit 2016, in das Gefüge der Mannschaft passt? Ob er womöglich sehr teuer ist? Ob man einen anderen Spielertyp dringender benötigt? Darüber denkt man als HSV-Manager grundsätzlich hinterher nach.

Es ist keine Überraschung mehr, sondern gehört zur Bundesliga-Folklore, dass der HSV in jedem Winter mit einem teuren Kader gegen den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte anspielt. Der verzweifelte Überlebenskampf gehört inzwischen zum Markenkern, sonst wäre der Dino nicht so ein passendes Maskottchen. Der Rückrundenstart verdeutlicht, warum das so ist - und wohl auch so bleibt. Die Mannschaft, die in Augsburg ohne Torchance 0:1 verlor, ist über die Jahre von den Ideen und Überzeugungen derart vieler Kaderplaner überladen worden, dass es schon verwundert, wenn ein Steilpass nicht am Veto eines Beraters scheitert.

Die Offensivschwäche, die Sportchef Jens Todt und Trainer Markus Gisdol gerne mit einem Transfer beheben würden (für den wohl Geld und Ideen fehlen), ist nur das Resultat vieler Schwächen, die dazu führen, dass der HSV Tabellen-Vorletzter ist. Die Offensivschwäche beginnt ja schon damit, dass sich die Verteidiger Mavraj und Papadopoulos mit weitsichtigem Spielaufbau gerade eher schwertun.

Der Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier ist 2010 noch vom kurzzeitig amtierenden Sportvorstand Reinhardt verpflichtet worden. Danach werkelten unter anderen Männer namens Arnesen, Kreuzer und Knäbel am Kader, kauften hier jemanden dazu, ließen da einen Spieler ziehen. Der Linksverteidiger und brasilianische Olympiasieger Douglas Santos, um noch ein Beispiel zu nennen, war 2016 ein Prestigetransfer des einst stolzen Profifußball-Direktors Beiersdorfer. Santos durfte im Sommer 2017 aufgrund von Defiziten im Defensivspiel den Verein verlassen. Dann fand sich kein Ersatz. Dann blieb er halt.

Eher beliebig besetzt wirkt auch der Angriff, Bobby Wood und André Hahn bildeten in Augsburg einen Struth-Sturm, sie sind Klienten des gleichnamigen Spielerberaters, der als Flüsterer des Gönners Klaus-Michael Kühne gilt, von dessen Einfluss sich der Klub gerne lösen würde, wobei er sich das nur schwer leisten kann. Todt klang fast schicksalsergeben, als er sagte, dass die Spieler ja immerhin kämpfen würden. Spieler eines Kaders wohlgemerkt, dessen jüngste Auffrischungskur ein Transferdefizit im zweistelligen Millionenbereich verursacht haben soll.

Der HSV, das stiftet Hoffnung, hat gerade viele talentierte, junge Spieler, nicht nur Jann-Fiete Arp oder Julian Pollersbeck, der nun Stammtorwart ist. Ein Gedankenexperiment für HSV-Manager könnte so aussehen: Sich im Sommer vorzustellen, für die Fehler endlich bestraft worden zu sein - selbst wenn es irgendwie mit dem Klassenverbleib klappt. Um dann, jetzt aber wirklich, mit einem Konzept einen Kader zu basteln, der den Talenten eine Zukunft bietet. Zur Not muss auch der Dino ausgewechselt werden.

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