HSV-Trainer Armin Veh:Unfähig zur Heuchelei

Armin Veh, eben noch getadelt, könnte schon mit einem Sieg gegen den FC Bayern wieder ein Spitzentrainer sein. Seine Karriere ist voller abrupter Wendungen. Veh ist abgehärtet - und der wohl undiplomatischste Coach der Bundesliga.

Jörg Marwedel

Ein bisschen Koketterie ist womöglich auch dabei, wenn Armin Veh, 49, gnadenlos realistisch über seinen Beruf spricht. Das "Verfallsdatum eines Bundesliga-Trainers" betrage 13 Monate, das streut er gerne mal ein. Bei seinen Wohnungen, erzählt er, achte er auf kurze Kündigungsfristen. Und überhaupt könne die Arbeit eines Fußballlehrers fast nie halbwegs fair beurteilt werden, weil ja "kaum ein Trainer das Vertragsende erreicht" und die meisten anderen es "eh' besser wissen als die Trainer".

1. FSV Mainz 05 - Hamburger SV

Eben noch geohrfeigt, in Mainz schon wieder gefeiert: HSV-Trainer Armin Veh.

(Foto: dpa)

Doch selbst die von ihm bevorzugten Ein-Jahres-Kontrakte (beim Hamburger SV ist es ein Zweijahres-Vertrag, der aber nach einem Jahr ohne Abfindung aufgehoben werden kann) haben ihn nicht vor Entlassungen geschützt. Selbst als Meistercoach musste er den VfB Stuttgart 2008 vorzeitig verlassen, ebenso wie Anfang 2010 den damaligen Titelträger VfL Wolfsburg, wo er nach dem Säulenheiligen Felix Magath nicht mal sieben Monate sein Doppelamt als Geschäftsführer und Trainer ausüben durfte. Weil er mit mäßigem Erfolg versucht hatte, das Magath-Kontersystem auf ein attraktiveres Kurzpassspiel umzustellen.

Auch in Hamburg, wo er kürzlich seinen 100. Tag als HSV-Coach feierte, ist ihm der Wind in der kurzen Zeit schon heftig um die Ohren geweht. Als das Team unlängst in vier Spielen sieglos blieb und der ambitionierte Klub in der Tabelle mal wieder dort landete, wo das Mittelmaß anfängt, setzte es die ersten Ohrfeigen. Das Idol Uwe Seeler warf dem HSV Konzeptlosigkeit vor - und zwar sowohl der Führung als auch dem Trainer, bei dessen Mannschaft "keine Handschrift" zu erkennen sei. Unterschwellig ging es dabei schon um den nicht bei allen beliebten Vorstandschef Bernd Hoffmann. Dem werde, heißt es bei vereinsinternen Kritikern, kein weiterer Trainer-Fehlgriff mehr erlaubt nach sieben Übungsleitern in sieben Jahren.

Doch dann kam der vergangene Samstag. Der HSV gewann mit einer ersatzgeschwächten Elf 1:0 bei Mainz 05 - bei jenem Klub also, der gerade mit dem achten Sieg im achten Spiel einen neuen Bundesliga-Rekord aufstellen wollte. Das bedeutete: Am Freitag im Heimspiel gegen den FC Bayern München könnte der gerade noch getadelte Veh schon wieder ein Spitzentrainer sein. Mit einem Sieg über den Rekordmeister könnte das Team auf Rang drei klettern. Der gebürtige Augsburger Veh ist davon nicht überrascht gewesen. Er kenne ja den Fußball und seine abrupten Wendungen, die sogar jemanden wie Louis van Gaal treffen können.

Vermutlich ist Veh der Bundesligatrainer, der am wenigsten Politiker ist. Er nennt die Heuchelei im Fußball-Business Heuchelei. In Stuttgart hat er kurz vor seinem Abschied Selbstkritik an der (allerdings von ihm mitverantworteten) Einkaufspolitik nach dem Titelgewinn geübt. Jetzt sagt er, diese HSV-Elf besäße "größere Klasse als das Stuttgarter Meisterteam von 2007". Im Grunde erhöht er damit den Druck auf sich selbst. Und obwohl er dafür war, den Torhüter Jaroslav Drobny zu verpflichten, um dem unbequemen Frank Rost Konkurrenz zu bereiten, hat er am Ende doch Rost spielen lassen. Das war vielleicht gar nicht im Sinne des Vorstands, der mit dem Keeper so seine Probleme hat.

"Ein klarer Kopf"

Veh sei "ein klarer Kopf und sehr authentisch", sagt sein Assistent Michael Oenning. Stürmer Ruud van Nistelrooy spricht ihm "natürliche Autorität" zu, der Trainer sei "sehr klar in seinen Ansprachen", seine Ruhe "tut der Gruppe gut". Das ist natürlich auch eine Spitze gegen Vehs Vorgänger Bruno Labbadia, der mit langatmigen Reden selbst van Nistelrooy und Zé Roberto noch erklären wollte, wie Fußball geht. Auch deshalb wird Veh beim HSV vorerst geschätzt. Chef Hoffmann lobt nach dem Reinfall mit Labbadia vor allem Vehs Talent als "Teambuilder". Das sei bei dieser Mannschaft wichtiger als ein Ausbilder.

Stuttgart entlässt Trainer Veh

2007 führte Armin Veh den VfB Stuttgart zur Meisterschaft, 2008 wurde er dort wegen Erfolglosigkeit entlassen.

(Foto: Ronald Wittek/dpa)

Die Sache mit dem Zaun

Dabei ist es nicht so, dass Veh schon das richtige Team gefunden hätte. Er hat bislang keinen Spielgestalter entdeckt. Und auch sein System mit van Nistelrooy als einziger Spitze klappte nur bedingt. Zumal Veh damit sehenden Auges auf den Stürmer Mladen Petric verzichtete (immerhin bester Schütze der vergangenen zwei Jahre) oder auf Paolo Guerrero. Ein Luxus, der nicht nur von Petric kritisch gesehen wird, der ja schon zum VfB Stuttgart wechseln wollte. Und dann war da jener Ausraster des Trainers, der nach Piotr Trochowskis Fehler, der zur 2:3-Niederlage in Bremen führte, den Nationalspieler coram publico auf dem Platz zusammenbrüllte. Ob das gute Menschenführung war, kann man diskutieren. Veh sagt: "Wenn ich nur entspannt bin, kann ich den Job nicht machen." Trochowski hat am nächsten Tag kleinlaut geäußert, der Coach habe Recht gehabt.

Auf jeden Fall traut sich Veh etwas. Dem Stuttgarter Kollegen Jens Keller unterstellte er, dieser habe auf die Entlassung seines Chefs Christian Gross hingearbeitet. Dem Mainzer Thomas Tuchel prophezeite er nach dessen Auftritt mit Megaphon auf dem Zaun, es würden "auch für den noch andere Zeiten" kommen. Er sei "kein Oberlehrer", sagt Veh. Er gönne Tuchel die Wertschätzung der Anhänger, aber er selbst sei keiner, der so mit den Fans feiere. Er wisse ja nicht einmal, ob er in seinem Alter "noch den Zaun hochkomme".

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