Hamburger SV:Der erste Spieler meckert schon

HSV-Abwehrspieler Kyriakos Papadopoulos 2018 im Bundesliga-Spiel des Hamburger SV gegen den 1. FC Köln.

Sauer auf den neuen Trainer: Kyriakos Papadopoulos (Archivbild).

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Wie so oft nach den inzwischen 14 sieglosen Spielen nacheinander haben die HSV-Profis die Journalisten nach dem Spiel wortlos passiert. Nur einer wollte nach der 1:2-Niederlage gegen Hertha BSC gar nicht mehr aufhören zu reden. Es war einer, der in den 90 Minuten zuvor gar nicht auf dem Platz gewesen war. Kyriakos Papadopoulos, bislang eine Art Abwehrchef, wollte seinen Unmut über den neuen Trainer Christian Titz herauslassen. Spieler, die in der vergangenen Rückrunde noch für den Klassenverbleib gesorgt hatten, seien nun außen vor, beklagte er.

"Erfahrene Leute wie Mavraj und Diekmeier sind wichtig für die Mannschaft", führte er aus und meinte damit natürlich auch sich selbst: "Ich bin nicht so schlecht, dass ich nicht spielen kann." Der neue Trainer habe gar nicht mit ihm über die Degradierung geredet. Zudem sei es "nicht immer das Beste, immer etwas Neues" zu probieren.

Die gute Leistung währt nur 45 Minuten

Womöglich stimmt es, dass der neue Übungsleiter Titz ein wenig übertrieben hat bei der Restaurierung des HSV-Teams, das er auf fünf Positionen geändert hatte gegenüber dem 0:6 beim FC Bayern. Er ließ nicht nur Papadopoulos, Mergim Mavraj und Dennis Diekmeier draußen, sondern auch André Hahn und Sven Schipplock, allesamt Profis, die bei seinem Vorvorgänger Markus Gisdol zur Grundausstattung gehörten. Auch für den von Vorgänger Bernd Hollerbach geschätzten brasilianischen Sechser Walace hatte Titz keinen Platz im Kader.

Wahr ist auch, dass Papadopoulos zumindest in Sachen Kampfkraft meist ein Vorbild in dieser verunsicherten Elf war, dennoch hat Titz mit seinen Änderungen wenigstens 45 Minuten lang dafür gesorgt, dass der HSV mit einem offensiveren Ansatz und neuem Mut aufspielte. Aber die Worte des beleidigten Griechen zeigen auch, dass der Restaurateur Titz es schwer haben wird, mit den Etablierten weiter harmonisch zusammenzuarbeiten. Der vorerst letzte verbliebene HSV-Vorstand Frank Wettstein drohte am Sonntag bereits Konsequenzen an. Papadopoulos habe "sich und uns keinen Gefallen" getan, man werde das "nicht tolerieren".

Die Hoffnung, dass es für den HSV und seinen neuen Trainer doch noch einen Ausweg aus der Abstiegsfalle gebe, währte am Ende doch nur 45 Minuten. Das war jene Periode, in welcher der HSV durch einen Treffer von Douglas Santos in der 25. Minute 1:0 in Führung lag, während der Relegationsplatz-Konkurrent Mainz 05 in Frankfurt früh 0:3 in Rückstand geraten war. Hätte bedeutet: nur noch vier Punkte und fünf Tore Rückstand auf Mainz. Doch in der Halbzeit wandelte sich alles.

Hertha-Trainer Pal Dardai hatte es seinen Profis vorhergesagt wie ein Seher: "Männer, der Gegner bekommt jetzt Angst. Sie haben Druck, führen 1:0 und werden darüber nachdenken, wie sie das Ergebnis über die Zeit bekommen." Und tatsächlich: In der 56. Minute patzte Hamburgs 19 Jahre alter Innenverteidiger Rick van Drongelen, als würde er genau über Dardais Gedankenspiele nachdenken. Herthas Valentino Lazaro war zu flink für Santos, es stand 1:1. Es war das erste Hertha-Tor nach 448 Minuten und so, wie sich das Spiel nun entwickelte, war es wohl das endgültige Ende aller HSV-Hoffnungen.

Die Polizei muss am Ende mit Schlagstöcken einen Platzsturm verhindern

Die Mutlosigkeit, die das HSV-Team nun wieder überfiel, führte sieben Minuten später zum 1:2 durch den eingewechselten Salomon Kalou. Auch das hatte Dardai prognostiziert. Er hatte seinem Stürmer mit auf den Weg gegeben, dass die gestressten HSV-Verteidiger in dieser Spielphase vielleicht nicht mehr so fixiert sein könnten. Tatsächlich schauten die HSV-Profis van Drongelen, Santos und Jung nur zu, wie Herthas Mittelfeldspieler Arne Maier ungehindert eine Vorlage auf Kalou spielte, der dann locker ins Tor schoss.

Recht behalten hatte am Ende also der abgezockte Dardai, der seine Scouts vorher die Taktik des neuen HSV-Coaches hatte studieren lassen und über die Ideen des bisherigen Nachwuchstrainers etwas lässig gesagt hatte, das eine sei eben Nachwuchsfußball, aber Profifußball gehe anders. Dabei hatte die mit 23,98 Jahren jüngste Bundesliga-Mannschaft des HSV seit 44 Jahren (damals starteten die HSV-Legenden Manfred Kaltz, Rudi Kargus und Caspar Memering gerade ihre Karrieren) wirklich ein neues Gesicht bekommen.

Die Kondition reicht nicht für 90 Minuten Profi-Fußball

So bestätigte Torwart Julian Pollersbeck nicht nur mit drei exzellenten Paraden, dass er auf dieser Position die bessere Lösung sein könnte als Christian Mathenia. Er war zuweilen so etwas wie der elfte Feldspieler. Auch Matti Steinmann, ein Talent aus der zweiten Mannschaft, zeigte zumindest in den ersten 45 Minuten, wie man auf der zentralen Mittelfeldposition ein Spiel ordnet. Dann aber verließ auch den 23-Jährigen die Beherztheit. Das japanische Talent Tatsuya Ito und der von der Tribüne geholte Lewis Holtby taten dem HSV-Spiel ebenfalls gut. Jedenfalls, solange sie Kraft hatten. Das Problem: Derzeit reicht ihre Kondition offenbar nicht für 90 Minuten Profi-Fußball à la Dardai.

Die Lage beim HSV ist nun endgültig verfahren, immerhin hat die Polizei die Situation wohl besser im Griff als die Verantwortlichen im Klub. Sie verhinderte mit Pfefferspray und Schlagstöcken einen Platzsturm und das Eindringen besonders aufgebrachter Anhänger in die Stadionkatakomben. Vergessen war da schon, dass man den Teambus zunächst mit Applaus begrüßt und die Elf bedingungslos angefeuert hatte. Spätestens nachdem die Berliner Fans das Lied "Endlich zweite Liga, HSV" anstimmten, wollten einige Hamburger ihren Frust nur noch mit Gewalt bewältigen.

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