HSV klettert auf Platz 13:Richtig schwanger

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Auch gegen die TSG Hoffenheim hält die beeindruckende Heimserie des Hamburger SV. Die Hanseaten sind dem Tabellendritten beim 2:1 vor allem in punkto Emotion und Leidenschaft überlegen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Fußball-Mathematik ist ein schwieriges Lernfeld. Ende Februar hatte der Hamburger SV 0:8 gegen den FC Bayern verloren, am Dienstag wiederum die TSG Hoffenheim 1:0 gegen den Rekordmeister gesiegt - also verlieren die Hamburger 0:9 gegen die Badener? Natürlich nicht, so geht die Rechnung fast nie auf. Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann hatte eine andere Gleichung: Du kannst ein Spiel mit 90 Prozent Emotion und zehn Prozent Taktik gewinnen oder umgekehrt, "aber diesmal hatten wir nur 20 Prozent von beidem". Das war eindeutig zu wenig. Mit 1:2 unterlag der Favorit aus dem Badischen, es war erst die dritte Niederlage in dieser Saison für den Champions-League-Anwärter. Der HSV hingegen hat zum neunten Mal hintereinander kein Heimspiel verloren. Der einstige Tabellenletzte hat sich erstmals auf Rang 13 vorgeschoben, vier Punkte vor dem Relegationsplatz.

Schiebt ein zum Sieg: Aaron Hunt war mit einem Doppelpack der Matchwinner. Den zweiten Treffer erzielte er sogar mit seinem schwachen rechten Fuß. (Foto: Martin Rose/Getty)

Die Sache mit der Emotion und der Taktik war tatsächlich mal wieder der ausschlaggebende Punkt. "Wenn eine Mannschaft mit so vielen Emotionen spielt wie die Hamburger, dann musst du das auch tun", sagte TSG-Torwart Oliver Baumann. Ähnlich äußerte sich sein Chef. Doch weil das eben nicht so war, war es für die Gäste, so der Keeper, "ein gebrauchter Tag". Was wiederum die Taktik angeht, hatte HSV-Coach Markus Gisdol offenbar die richtige Rezeptur gegen seinen früheren Hoffenheimer Kollegen, mit dem er zuweilen SMS austauscht, gewählt. Er verlangte von seiner Mannschaft Vollgas-Pressing, und zwar nicht nur für kurze Momente, sondern 90 Minuten lang. "Es gibt ja auch nicht ein bisschen schwanger", erklärte Gisdol später.

"Wir haben die Hoffenheimer zum Laufen gebracht"

Das Team ist so fit, dass es den Auftrag tatsächlich ausführte. "So haben es auch die Bayern gemacht", sagte Nagelsmann, "aber da haben wir es fußballerisch besser gelöst." Die Hamburger machten die Räume extrem eng. "Wir haben die Hoffenheimer zum Laufen gebracht, anstatt hinter ihnen herzulaufen", schwärmte HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen nach diesem "Riesenschritt" im Abstiegskampf. Und da das Team, das nun schon zum neunten Mal in Serie daheim ohne Niederlage blieb, so gut funktionierte, konnten ein paar Spieler auch herausragen.

Zwei der härtesten Spieler der Liga treffen aufeinander: Hoffenheims Sandro Wagner (links) und Hamburgs Kyriakos Papadopoulos (rechts) im Duell. (Foto: Martin Rose/Getty)

An aller erster Stelle Aaron Hunt, der Schütze beider Tore. In der 25. Minute zirkelte er einen Freistoß aus 17 Metern in die von ihm aus gesehen äußerste linke Ecke zum 1:0. Baumann sah das Geschoss etwas spät und hatte einen Schritt in die falsche Richtung gemacht. Das sei "eine 50:50-Entscheidung", wie man da reagiert, dozierte Nagelsmann, "und er hat sich für die falschen 50 entschieden". Beim zweiten Treffer zum 2:1 in der 73. Minute hatte Baumann überhaupt keine Chance, weil Bobby Wood (nach klugem Zuspiel von Lewis Holtby) den Ball quer legte und der völlig freie Hunt (der bei Holtbys Pass im passiven Abseits gestanden hatte) sich die Ecke aussuchen konnte.

Hunt beweist: Gutes Pressing geht auch mit 30-Jährigen

Der frühere Bremer und Wolfsburger war auch ein Beispiel für die "zwei bis drei Entwicklungsschritte", welche die Hamburger nach dem Urteil ihres Trainers in den vergangenen Monaten gemacht haben. Hunt wurde, so Gisdol, für sein "gutes Pressing-Spiel" belohnt. Man könne an ihm sehen, dass man das nicht nur mit jungen Spielern hinbekomme, sondern auch mit einem 30-Jährigen. Hinzu kam, dass der genesene Kyriakos Papadopoulos in der Abwehr ebenso überzeugte wie Keeper Christian Mathenia, der René Adler ersetzen musste. Der Stammtorwart hatte sich, wie sich erst am Freitag herausstellte, bei seiner Brustkorbprellung, die er sich am Dienstag beim einem Zusammenstoß mit Dortmunds Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang zugezogen hatte, doch eine Rippe gebrochen - und wird im Derby gegen Bremen fehlen.

"Eine unserer Stärken ist es, wie wir als Mannschaft die Ausfälle auffangen", sagte Aaron Hunt. Bester Beweis: Zwei, dreimal rettete Mathenia in der Schlussphase in höchster Not gegen Andrej Krmaric und gegen Pirmin Schwegler großartig. Nur gegen den Elfmeter, den Krmaric in der 35. Minute nach einem völlig unnötigen Foul von Matthias Ostrzolek an Ermin Bicakcic verwandelte, hatte er keine Chance. Das war das Verrückte: Die Hoffenheimer hatten, obwohl sie weit unter Form spielten, durchaus die Möglichkeit, mindestens einen Punkt aus Hamburg mitzunehmen. Das wäre aber auch nach dem Urteil von Julian Nagelsmann nicht wirklich verdient gewesen. Sein Fazit: "Wir sind schlecht ins Spiel gekommen und schlecht wieder rausgekommen."

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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