HSV in Relegation:"Jetzt wird es noch härter"

1. FSV Mainz 05 v Hamburger SV - Bundesliga

Nun steht die Relegation an: HSV-Spieler Hakan Calhanoglu, Heiko Westermann und Dennis Diekmeier (von links nach rechts) ist nicht zum Lachen zu Mute.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Hamburger SV trägt nichts aktiv zum Klassenerhalt bei, hat aber das Glück, dass die Konkurrenz noch schlechter ist. Nun entscheidet die Relegation über die Zukunft des Bundesliga-Urgesteins - von einem Vorteil gegenüber dem unterklassigen Gegner will niemand etwas wissen.

Von Carsten Eberts, Mainz

Aus den Tiefen der Katakomben wurden Bierkästen herangeschleppt, die Kronkorken ploppten. Rot-weiß bekleidete Mitarbeiter befüllten die Gläser in größter Eile mit schimmerndem Gerstensaft und trugen die Humpen vor die Kurve. Dort hatten sich die Mainzer Spieler vor ihren treuesten Fans versammelt. Mainz spielt kommende Saison europäisch, das musste gefeiert werden.

Drinnen standen die Spieler des Hamburger SV, und würdigten die Bierkästen keines Blickes. Nicht, dass sie nichts zu feiern gehabt hätten: Sie hatten unverschämtes Glück gehabt. Doch die Lage war doch ein wenig zu ernst, um den Teilerfolg anständig zu begießen.

Der HSV muss am Donnerstag und Sonntag in der Relegation antreten, besser gesagt: der Verein darf. 2:3 (1:1) hatte der HSV das finale Saisonspiel beim FSV Mainz 05 verloren. Eine Vorlage, die die Konkurrenz aus Nürnberg (1:4 bei Schalke) und Braunschweig (1:3 in Hoffenheim) mal wieder nicht nutzen konnte.

Der Club und die Eintracht müssen direkt in die zweite Liga, der HSV erhält eine letzte Fristverlängerung, um den ersten Bundesliga-Abstieg der Vereinsgeschichte noch abzuwenden. "Heute haben wir Glück gehabt", gab Rafael van der Vaart zu. Niemand widersprach.

Die drei letztplatzierten Mannschaften der Liga haben damit fünf Spieltage in Serie verloren. Der HSV hat seit Anfang April nichts mehr aktiv zum Klassenerhalt beigetragen, profitierte jedoch von der Schwäche der Konkurrenz. "Wir haben einen kleinen Schritt gemacht, um das große Ziel zu erreichen", formulierte es Trainer Mirko Slomka entsprechend vorsichtig. "Sehr erleichtert", zeigte sich auch Pierre-Michel Lasogga. Nun folgt die Relegation, und die Chance, eine völlig verkorkste Spielzeit doch noch zu retten.

Entscheidung über die Zukunft

Mut dürfte dem HSV die erste Halbzeit gegen Mainz machen, die zu den besten gehörte, die das Team in dieser Saison absolvierte. Trotz eines Katastrophenpatzers gleich zu Beginn, als sich Torwart René Adler und Heiko Westermann im Fünfmeterraum uneinig waren und Elkin Soto in der siebten Minute zum 1:0 dazwischen spitzte, fanden die Hamburger schnell Zugriff aufs Spiel.

Sie drängten auf den Ausgleich, der fiel auch fünf Minuten später durch Lasogga (12.), den so lange vermissten Chefstürmer, der einen Abklatscher des Mainzer Keepers Loris Karius per Kopf ins Netz drückte. Dass der HSV zur Halbzeit nicht führte, war der eigenen Nachlässigkeit geschuldet. Mainz spielte zeitweise weit weg von Europa, und der HSV nicht wie ein Abstiegskandidat.

Spätestens nach einer Stunde wurden die Hamburger Schritte jedoch langsamer, die Zweikämpfe nicht mehr mit aller Vehemenz geführt. Längst hatte sich herumgesprochen, dass Nürnberg und Braunschweig deutlich zurücklagen. Da machte es auch nichts, dass Mainz durch zwei Treffer von Yunus Malli (65.) und Shinji Okazaki (82.) auf 3:1 davoneilte. "Niemals zweite Liga", sangen die Hamburger Fans in voller Lautstärke. Sie haben sich daran gewöhnt, Niederlagen ihrer Elf zu beklatschen. Es gibt ja zwei Teams, die noch schlechter sind.

Slomka nahm indes seinen Besten, Lasogga, vom Feld. So sei es abgesprochen gewesen, erläuterte der Trainer später, aber es passte allzu gut ins Bild. Lasogga ist gerade erst von einer Oberschenkelverletzung genesen, wird in der Relegation dringend gebraucht. "Der Trainer wusste ja, wie es auf den anderen Plätzen steht", sagte Lasogga verschmitzt. So schaffte Ivo Ilicevic (84.) nur noch den Anschlusstreffer.

Ab sofort gilt die Konzentration der Relegation, die über die nahe bis mittelfristige Zukunft des Bundesliga-Urgesteins entscheidet. Am Donnerstag erwartet der HSV den Zweitligadritten zum Hinspiel. Wer das sein wird, ist noch nicht klar - der SC Paderborn oder Greuther Fürth, auch Kaiserslautern hat rechnerisch noch eine Chance. Trainer Slomka fährt am Sonntag nach Westfalen, um Paderborn ein letztes Mal zu begutachten. Seinen Assistenten schickt er nach Fürth.

"Es gibt überhaupt keinen Grund, eine Mannschaft nur ansatzweise zu unterschätzen", warnte Sportchef Oliver Kreuzer. "Wie ein Pokalspiel", solle seine Mannschaft das Duell angehen: "In zwei Spielen kann ein unterklassiger Gegner einen höherklassigen immer ärgern. Das ist schon hunderttausend Mal geschehen."

Auch Westermann will von einem Vorteil des Erstligisten gegenüber dem Zweitligisten nichts wissen. "Wir haben noch nichts erreicht", sagte Westermann, "jetzt werden die Spiele noch härter." Nicht der Ansatz eines Lächelns zeichnete sich auf seinen Lippen ab. Auch nicht, als es nebenan mal wieder klirrte und ploppte. Die feiernden Mainzer vor der Kurve brauchten Nachschub.

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