Hamburger SV:Drohbrief an den HSV

Klaus-Michael Kühne

Ein Gönner, der gerne auch giftet: Klaus-Michael Kühne sorgt beim Hamburger SV seit Jahren für Geldströme – und Diskussionen.

(Foto: dpa)
  • Klaus-Michael Kühne will, dass der HSV-Aufsichtsrat weiter mit seinen Leuten besetzt wird. Sonst würde er den Geldhahn zudrehen.
  • Viele fürchten beim HSV dieses Szenario. Der Klub hat Schulden und braucht eventuell im Winter neue Spieler, um den Abstieg zu vermeiden.
  • Die Opposition im Klub sieht trotzdem die Möglichkeit, den 80-Jährigen loszuwerden.

Von Carsten Scheele

Vor Kurzem wurde beim Hamburger SV diskutiert, wie groß der Einfluss von Investor Klaus-Michael Kühne eigentlich ist. Manche glauben: unerlaubt hoch, schließlich habe der Milliardär, der den HSV finanziell großzügig unterstützt, Einfluss auf Spielertransfers genommen, was ihm im Sinne der 50+1-Regelungen als Anteilseigner nicht zusteht. Kühne, 80, hatte im Sommer erklärt, er werde den Zugang André Hahn nur finanzieren, wenn Bobby Wood einen neuen Vertrag erhalte. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) wurde hellhörig, der HSV lässt ein Gutachten erstellen, der Ausgang ist offen.

Nun wirkt das alles wie Kleinkram, spätestens seit Dienstag, als sich Kühne in einem Brief mit der Klubführung anlegte. Die Kurzversion: Der Aufsichtsrat soll weiter nach Kühnes Gusto besetzt werden, andernfalls wolle er kein Geld mehr geben. In der Stadt wird dies als erpresserischer Akt gewertet. Ob Kühne damit durchkommt? Und falls ja, was sagt die DFL dazu?

Karl Gernandt soll seinen Platz im Aufsichtsrat verlieren

Das "Beben im Volkspark" (Mopo) nahm seinen Lauf, da Kühnes bisheriger Gesandter im Aufsichtsrat, Karl Gernandt, seinen Platz im Gremium räumen soll. Das geht aus der vorläufigen Kandidatenliste des HSV-Vereinspräsidenten und Aufsichtsrats Jens Meier hervor, auf der Gernandts Name fehlt, wie Kühne bestätigt. Auch Vertraute Gernandts sollen auf der Kippe stehen, stattdessen werden Kandidaten wie der frühere HSV-Profi Marcell Jansen gehandelt.

Kurz vor seinem Abflug auf Geschäftsreise in die USA habe Meier laut Hamburger Abendblatt seine Vorschläge den Beiräten geschickt, die diese nun bestätigen müssen. Für Kühne eine Provokation. Er fürchtet, an Einfluss im wichtigen Gremium zu verlieren. Deshalb droht er unverhohlen, die HSV Fußball AG künftig nur dann finanziell zu unterstützen, "wenn sie über den von mir befürworteten, unabhängigen und kompetenten Aufsichtsrat verfügt". Es geht um die Macht im Verein.

Viele fürchten dieses Szenario, das weiß auch Kühne, der seine Stimmanteile im Klub angeblich gerade erst auf 20,5 Prozent aufgestockt hat. Den Klub drücken Rekordverbindlichkeiten von 105,1 Millionen Euro, das Geschäftsjahr wurde mit einem Minus von 13,4 Millionen Euro beendet. Einen Ausstieg des wichtigsten Geldgebers könnte sich der HSV gar nicht leisten. Vorstandschef Heribert Bruchhagen will zwar die Abhängigkeit reduzieren und für 2018 eine schwarze Null präsentieren.

Doch sollte sich die sportliche Situation (aktuell Platz 15) verschlimmern, wäre dieser Plan dahin, wenn im Winter teure Nachverpflichtungen nötig werden. In der vergangenen Saison wurde der Klassenverbleib erst mit namhaften Winter-Zukäufen bewerkstelligt - mit Hilfe des Investors. Und was passiert, wenn die Lizenz in Gefahr gerät? Wer würde einspringen, wenn nicht Kühne, der nach eigenen Angaben rund 60 Millionen Euro in den Klub gesteckt hat?

Kühnes Interview auf der HSV-Homepage

Kühne weiß, wie wund der Punkt ist, den er trifft, und er begnügt sich nicht damit, Präsident Meier anzugreifen. Sein Groll trifft auch die sportliche Führung um Bruchhagen und Sportdirektor Jens Todt. Beide hätten zwar den Abstieg vermieden, allerdings kein Team aufgestellt, das gut in der Bundesliga mithalten könne. "Im Gegenteil", wettert Kühne. Die HSV-Spitze äußerte sich am Mittwoch nicht, Bruchhagen ließ mitteilen, das Schreiben nicht zu kommentieren. Stattdessen veröffentlichte der Klub am Mittwochabend auf seiner Homepage ein Interview mit Kühne, in dem er seine Forderungen wiederholte. Auf die Frage, ob seine Unterstützung für den HSV endgültig beendet sei, sagte er: "Ich kann es Ihnen noch nicht sagen."

Er pflege mit dem Vorstand einen "professionellen, inhaltlichen und sehr vertraulichen Austausch". Aber: "Ich sehe die Grundausrichtung der HSV Fußball AG stark gefährdet. Und das werde ich als Gesellschafter und auch als Fan doch wohl sagen dürfen."

Die Opposition sieht im aktuellen Fall die Chance, den ungeliebten und häufig barsch agierenden Investor loszuwerden, der gerne öffentliche Fundamentalkritik übt und dem Ansehen des HSV damit eher schadet als nützt. Rufe werden laut, der Verein solle sich von Kühne emanzipieren und teure Spitzenverdiener abstoßen, stattdessen auf Talente wie U17-Nationalspieler Jann-Fiete Arp setzen. Die Zukunft könnte einem jüngeren, abgespeckten HSV gehören, auch wenn der Weg zwischenzeitlich vielleicht in die zweite Liga führen würde. Es wäre immerhin ein HSV, der nicht mehr am Geldtropf eines 80-Jährigen hängt.

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