Saisonstart des HSV:Quietschfidel ins Krisenjahr

FC Bayern Muenchen v Hamburger SV - Bundesliga

Robert Lewandowski (Mitte) hat wenig Mühe, an Spahic (zweiter von links) und Dennis Diekmeier vorbeizukommen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim HSV versucht man, das 0:5 zum Ligaauftakt in München positiv zu sehen.
  • Dass die Mannschaft sich nahezu weigerte, am Spiel teilzunehmen, sehen die Beteiligten kaum ein.
  • Dem gebeutelten Klub droht die nächste Leidenssaison.
  • Hier geht's zu einer Analyse des Spiels, das die Bayern sehr genossen.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp, München

Normalerweise ist das im Fußball ja so: Wer verliert, hat hinterher eher keine gute Laune, denn verlieren nervt. Verlieren nagt am Selbstvertrauen, es drückt die Stimmung und sorgt für das, was landläufig unter "lange Gesichter" zu verstehen ist. Der Hamburger Sportverein kennt sich mit Pleiten seit einiger Zeit bestens aus, es ließe sich sogar sagen: Beim HSV sind sie mittlerweile Experten darin, Klatschen zu kassieren.

Die neue Bundesliga-Saison ist gerade mal ein Spiel alt und schon haben die Hanseaten erneut einen Katastrophen-Abend erlebt. Ein 0:5 in München ist zwar schon in den besten Familien vorgekommen, aber Tatsache ist auch: Man kann schöner starten in ein Jahr, das endlich Besserung bringen soll. Trotzdem waren unter den Geschlagenen in der Auftaktnacht erstaunlich fröhliche Menschen anzutreffen. Trainer Bruno Labbadia reichte lächelnd den Reportern die Hand, Verteidiger Johan Djourou gab seelenruhig seine Eindrücke wieder ("Wir können auch Positives mitnehmen"), und der unerfahrene Gideon Jung überraschte gar mit der Schrägheit: "Es hat Spaß gemacht hier."

So ist ein 0:5 natürlich auch zu verarbeiten.

Von diesem gebeutelten Klub blieb der Eindruck, dass die Mitglieder tatsächlich darauf aus waren, die fünf Münchner Watschn als atmosphärische Entspannungsmaßnahme zu interpretieren. Ein 0:5 zur allgemeinen Beruhigung, das dürfte es in 53 Jahren Bundesliga bisher nicht gegeben haben. Als Grund für den Optimismus führten fast alle Angestellten des Hamburger SV eine erste Halbzeit ins Feld, die mit nur einem Gegentor überstanden wurde. In Wahrheit offenbarten die Gäste aber ein erschütterndes Sportverständnis: Aus lauter Angst verfolgten sie die Devise, lieber gar nicht ans Fußballspielen zu denken.

Ihr einziger Beitrag: Bälle nach vorne prügeln, als gäbe es dafür Positivvermerke in Peter Knäbels Gehaltslisten. "In der ersten Halbzeit haben wir taktisch gut gespielt und dann ein ärgerliches 0:1 kassiert", so die Analyse von Labbadia, der dezent monierte, dass es vor Xabi Alonsos Freistoß Einwurf für seine Mannschaft hätte geben müssen. Tatsächlich hatte David Alaba den Ball deutlich aus dem Aus ins Feld zurückgespielt.

Aber war das wirklich entscheidend an diesem Abend fußballerischer Totalverweigerung? Bei 23 Prozent Ballbesitz und 5:23 Torschüssen, bei Abwehrfehlern fatalster Prägung? "Dann haben wir sehr früh das 0:2 bekommen, da war es vorbei", erklärte Labbadia. Richtig unglücklich wirkte er nicht. Seine Art der Ansprache sollte Mut machen, selbst nach so einem Spiel. "Wir wollen aus der letzten Saison lernen, weiterarbeiten und dürfen uns nicht aus dem Konzept bringen lassen."

0:6, 0:5, 2:9, 1:3, 0:8, 0:5

Immerhin reifte beim Coach die Einsicht, dass eine "Riesenarbeit" bevorstehe, denn "das Auftaktprogramm ist nicht ideal für uns". Stuttgart, Köln, Gladbach, Frankfurt heißen die nächsten Gegner - eigentlich gar nicht so schlimm. Aber für den HSV ist derzeit ja auch ein Viertligist wie Carl-Zeiss Jena kein idealer Gegner. Und mit einem Gegner wie dem FC Bayern wollen sich die Hamburger gar nicht ernsthaft messen. Sie waren im Grunde nur nach München gekommen, um sich keinen Stimmungskiller der Kategorie 0:8 abzuholen.

Entsprechend hörten sich die Aussagen der Spieler an wie seit vielen Monaten: "Wir müssen das analysieren und das nächste Mal besser spielen", sagte Lewis Holtby, der mit mageren 41 Ballkontakten "spielfreudigster" Hamburger war. Eine Gegenstimme zur kollektiven Geschichtsverdrängung drang dann aber doch hervor: Torsteher René Adler, der mit dem HSV ja schon einige Niederschläge erlebt hat, wandte sich indirekt an seine überforderten Kollegen in der Abwehr: "Dass wir lange (bis zur 26. Minute, Anm. d. Red.) gut stehen, und dann durch ein Standardtor in Rückstand geraten, kotzt mich richtig an", so der frühere Nationalkeeper, der weitere Einschläge im eigenen Tor noch verhinderte.

0:6, 0:5, 2:9, 1:3, 0:8, 0:5 lautet nun die Bilanz des Nordklubs in den vergangenen Jahren in München. Für Adler ein Grund, fatalistisch Bilanz zu ziehen: "Ich komme nicht gern nach München." Immerhin einer schien das mit dem Verlieren also richtig einzuordnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: