Horst Hrubesch im Gespräch:"Ich hab da einen wie Kalle Riedle"

Deutschland, eine Fußballnation ohne junge Stürmer und Linksverteidiger? U-18-Trainer Horst Hrubesch teilt die Sorge von Bundestrainer Joachim Löw nur bedingt. Einen neuen Torgaranten hat er vielleicht sogar schon gefunden.

Carsten Eberts

sueddeutsche.de: Herr Hrubesch, Sie haben vor wenigen Wochen Ihren neuen U-18-Jahrgang übernommen, spielen am Dienstagabend gegen die Türkei. Wann wird sich herauskristallisieren, ob in diesem Jahrgang jemand für die A-Nationalmannschaft dabei ist?

Hrubesch

"Als Abwehrspieler hast du es viel leichter" - U-18-Nationaltrainer Horst Hrubesch weiß um die schwierige Situation junger deutscher Stürmer.

(Foto: imago sportfotodienst)

Hrubesch: Wir sind tatsächlich noch in der Findungsphase. Wir hatten schon zwei Spiele in der Ukraine, gegen die Türkei habe ich wieder acht, neun neue Spieler dabei. Bis Ende des Jahres sind Länderspiele gegen Frankreich, die USA und Israel angesetzt. Erst danach weiß ich, auf welchem Niveau ich mit dem Jahrgang stehe.

sueddeutsche.de: Bundestrainer Joachim Löw hat jüngst zwei deutsche Problempositionen benannt, auf denen zu wenig hochkarätiger Nachwuchs nachkommt: den Sturm und die linke Außenverteidigerposition. Teilen Sie seine Sorgen?

Hrubesch: Natürlich teile ich seine Sorgen im Grundsatz. Aber das sind auch spezifische Positionen. Im Angriff haben wir Miroslav Klose und Mario Gomez, aber was kommt danach? Es ist nicht so, dass wir keine jungen Stürmer haben. Aber es gibt eben keinen, bei dem ich sagen würde: "Der spielt später ganz sicher mal A-Nationalmannschaft."

sueddeutsche.de: Ist der Sturm auf lange Sicht besonders problematisch?

Hrubesch: Dort vorne als Stürmer zu spielen, ist ein undankbarer Job. Viele Mannschaften spielen ja heute nur noch mit einer Spitze. Da wird es für die Jungs brutal schwer, sich durchzusetzen. Als Abwehrspieler hast du es beim Übergang in den Seniorenbereich in der Regel viel leichter. Stürmer müssen viel härter kämpfen.

sueddeutsche.de: Was für Stürmertypen haben Sie denn in der U 18? Eher Gomez oder eher Klose?

Hrubesch: Wenn ich das mit anderen Spielern vergleichen soll, würde ich sagen, dass ich einen wie Kalle Riedle habe. Der ist sehr beweglich, torgefährlich und sehr kopfballstark. Ich frage mich ja immer, weshalb so viele Spieler in der Bundesliga momentan so schlechte Kopfballspieler sind. Das war früher anders. Aber der Junge ist gut. Hinzu kommt ein anderer, der ist ziemlich groß, aber ebenfalls noch ungeschliffen. Bei ihm weiß ich nicht, wo der Weg hingeht.

sueddeutsche.de: Wer ist denn Ihr neuer Kalle Riedle? Shawn Parker von Mainz 05? Den haben Sie gegen die Ukraine spielen lassen.

Hrubesch: Ich werde Ihnen da keine Namen nennen. Damit tue ich mich immer schwer. Das sind technisch gute Jungs, auch vom Kopf her gut. Es bringt nichts, da nun einen Namen rauszuhauen und zu sagen: "Der wird der neue Kalle Riedle."

"Ein Rechtsfuß auf links ist nichts Schlimmes"

sueddeutsche.de: Wie sieht es auf der anderen Problemposition aus? Hinten links?

Hrubesch: Ich brauche keinen reinen Linksverteidiger. Ich neige generell nicht dazu, positionsspezifische Spieler auszubilden. Ich kann ja nicht ausschließlich einen reinen Linksverteidiger für die Viererkette ausbilden.

sueddeutsche.de: Sie brauchen eher den Allrounder.

Hrubesch: Ich brauche flexible Spieler, damit ich im Spiel wechseln kann, wenn einer mal einen schlechten Tag hat, ohne ihn gleich vom Feld nehmen zu müssen. Wer hinten links spielen kann, soll auch vorne links oder hinten zentral spielen können.

sueddeutsche.de: So wie Holger Badstuber.

Hrubesch: Das ist ein flexibler Spieler, wie ich ihn mag. Oder nehmen wir Gonzalo Castro. Der hat bei mir meistens zentral gespielt, kann aber auch hinter den Spitzen, der ist sogar von hinten rechts über die Außenbahn nach vorne gekommen. Und natürlich Philipp Lahm. Der hat seine Rolle als Rechtsfuß hinten links überragend gespielt.

sueddeutsche.de: Gerade bei ihm war das aber ein Kompromiss. Weil er über rechts noch stärker ist.

Hrubesch: Natürlich war das ein Kompromiss. Aber es kann funktionieren. Ein Rechtsfuß auf links ist ja nichts Schlimmes. Man muss das so sehen: Ein Rechtsfuß auf der linken Seite ist auch eine Waffe. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir unsere Spieler beidbeinig ausbilden. Die nicht nur auf einer Seite mit einem Fuß schießen können.

sueddeutsche.de: Eine gezielte Suche nach dem kommenden Linksverteidiger findet demnach momentan in der U 18 nicht statt?

Hrubesch: Wir suchen alle, der Jogi Löw genau wie ich. Aber ich denke nicht, dass wir uns übergroße Sorgen machen müssen. Gerade Marcel Schmelzer sehe ich als gute Alternative auf hinten links. Wenn wir momentan in die Liga schauen, sehen wir doch, wie viele junge Spieler da sind. Manch einer macht auch noch einen Sprung, vielleicht nicht mit 18, sondern erst mit 23. Jogi weiß, was er für ein Riesenpotential hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: