Horst Hrubesch:Das Ungeheuer macht Karriere

DFB-Trainer Horst Hrubesch betreut gleich zwei Nachwuchs-Mannschaften - und kann eine beeindruckende Karriere vorweisen.

Philipp Selldorf

Bezeichnend für das Denken, die Natur und den Charakter Horst Hrubeschs ist die Geschichte, wie er 1980 Co-Autor des Fachbuches "Dorschangeln vom Boot und an den Küsten" wurde. Es begann damit, dass er sich als leidenschaftlicher Angler - 27jährig von Rot-Weiß Essen zum Hamburger SV gewechselt - fragte, wie man das eigentlich macht: Brandungsangeln an der norddeutschen Küste. "Als Westfale hatte ich davon natürlich keine Ahnung", erzählt er, bisher kannte er nur Flüsse, Teiche und Seen.

Horst Hrubesch

Horst Hrubesch: Fußballtrainer und Buchautor.

(Foto: Foto: dpa)

Weil ihm beim HSV keiner helfen, er auch keine Lektüre zum Thema finden konnte, suchte er Rat beim Parey-Verlag und dessen Fachzeitschrift Fisch und Fang. Auf seinen Brief kam bald Antwort, das Buch bezeugt den ersten telefonischen Dialog der späteren Autorenpaars: "Hrubesch." - "Schicker. Wollen wir zusammen angeln gehen?" Dieter Schicker, der Fachmann, hat den Mittelstürmer dann tatsächlich mit ans Wasser genommen, und was folgte daraus? Ein Bestseller, die erste Auflage mit 30000Exemplaren war schnell vergriffen. "Es waren ja auch", sagt Hrubesch heute, "die besten Jahre beim HSV."

1979, 1982 und 1983 ist der als "Ungeheuer" gefürchtete Angreifer Deutscher Meister mit dem HSV geworden, er gewann den Landesmeisterpokal und wurde 1980 Europameister, aber für die Sportfischerei hat er heute weniger Zeit als damals. Seiner Vorliebe fürs Lachsangeln steht der Job beim DFB entgegen, besonders dieses Jahr: Wenn im Mai die Lachssaison beginnt, dann bereitet er sich darauf vor, die U-21-Nationalelf bei der EM in Schweden zu trainieren, und wenn die Saison im September ausklingt, dann geht er daran, mit seiner U-20-Nationalmannschaft Weltmeister beim Turnier in Ägypten zu werden.

Diesen hohen Anspruch betrachtet er nicht deshalb als Verpflichtung, weil DFB-Sportdirektor Matthias Sammer gewohnt maximalistisch verlangt, man wolle 2009 "mindestens einen Titel holen" im Juniorenfußball. Hrubesch hält das für selbstverständlich. Schließlich fährt sein Team als amtierender Europameister ins Pharaonenland. "Wir haben gute Chancen", findet der Trainer.

Assistent bei Erich Ribbeck

Womöglich ist vielen im Publikum entgangen, dass Horst Hrubesch, 57, im deutschen Fußballbetrieb eine beispiellose Karriere gemacht hat, was ihn jetzt in die Lage versetzt, als erster Titelhalter unter den DFB-Trainern seit 1992 binnen drei Monaten gleich bei zwei großen Turnieren Nationalteams führen zu dürfen. Dabei hieß es überall, dass Hrubeschs Gnadenzeit im Verband bald beendet sein werde, als Jürgen Klinsmann 2004 aus Amerika kam, die Revolution ausrief und den Umbau im DFB-Trainerapparat von unten bis oben verkündete.

Auf seinem Ruf lastete ein berühmter Versprecher ("wir müssen das Paroli laufen lassen"), die Zeit als Assistent des unseligen Erich Ribbeck und sein bekannt uneitler Auftritt - für den er sich überhaupt nicht schämt. "Der ist rustikal, hieß es immer", weiß er, "und da sage ich: Na klar, das werd' ich auch bleiben. Ich bin der Hrubesch. So ist das." Gegangen sind dann Stielike und Skibbe, später auch Eilts, geblieben ist Hrubesch, mittlerweile vom Erfolg belohnt. "Ich war als Spieler ein Spätzünder, und als Trainer bin ich es auch", stellt er fest.

Heutzutage schwärmt Sammer von Hrubeschs "Offenheit für neue Maßnahmen", für den Gelobten ist das wieder nur selbstverständlich. Als Klinsmann vom totalen Wandel im angeblich so trägen DFB kündete, weckte er beim damaligen U 18-Trainer keine Furcht, sondern Neugier: "Die Frage ist: Setzt man sich mit dem Jüngeren auseinander oder hält man dagegen? Ich hab's immer so gehalten, dass ich nachgedacht habe: Was will der eigentlich? Und wenn ich Sachen finde, die mir weiterhelfen, dann hab ich doch was gewonnen. Wir lernen alle dazu, und je älter du wirst, umso mehr kannst du umsetzen." Er kann sich dadurch selbst überraschen: "Wenn vor zehn Jahren einer zu mir gesagt hätte: 'Hrubesch, du musst mit dem Computer umgehen, dann hätte ich ihm gesagt, wir lassen es lieber. Heute habe ich die Wundertüte täglich in Betrieb."

Was die Fortschritte im deutschen Nachwuchsfußball seit dem Wendejahr 2000 angeht, verweist er auf die Arbeit der Klubs und die Einflüsse der wesentlich Beteiligten: Skibbe, Klinsmann, Sammer. "Man hat die Lage richtig diagnostiziert und macht weiter damit: Sammer und Löw sind zum Glück nicht die Typen, die sich auf etwas ausruhen." Über seinen eigenen Beitrag redet er weniger, aber das ist klar: Dieser Mann liebt seinen Beruf.

Eines aber möchte er doch mal klarstellen, weil ja viele Leute glauben, der Posten als Juniorentrainer sei ein Rentnerjob: "Ich kenne keinen DFB-Trainer, der nicht 200 Tage im Jahr unterwegs ist." Von den Tagungen, Lehrgängen und sonstigen Pflichten bekommt das Publikum bloß nichts mit. Der Dank geht jedoch nicht an Matthias Sammer, sondern an seine Frau Angelika. Die hat das Geheimnis von 37 Jahren Ehe mal so erklärt: "Kein Wunder, der Horst war ja auch 20Jahre nicht zuhause." Und so, sagt Hrubesch, "ist die Ehe immer frisch geblieben".

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