Holland nach dem Testspiel:Louis van Gaal, der Boss

Mit strikter Defensive sabotiert der Ex-Bayern-Trainer mit seinem niederländischen Nationalteam das Testspiel gegen die DFB-Elf. Kritik prallt an Louis van Gaal ab: Er argumentiert mit der Einwohnerzahl.

Carsten Eberts, Amsterdam

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"Ich wollte dem FC Bayern München einen Gefallen tun": Louis van Gaal (r., neben Ko-Trainer Patrick Kluivert) zur Auswechslung von Arjen Robben.

(Foto: AFP)

Louis van Gaal setzte ein Gesicht auf, wie es nur Louis van Gaal aufsetzen kann. Mürrisch schaute er drein, trotzdem hellwach, jeden Moment könnten sich seine Mundwinkel nach oben ziehen und den sehr großen Kopf mit einem sehr breiten Lächeln versehen. Warum er Arjen Robben bereits zur Halbzeit ausgewechselt habe, wurde van Gaal am Mittwochabend in Amsterdam gefragt. In süffisantem Ton raunte er zurück: "Ich wollte dem FC Bayern München einen Gefallen tun."

Wer die Geschichte zwischen van Gaal und dem FC Bayern kennt, der weiß, dass sich van Gaal um solche Belange einen großen Haufen Dreck schert. Aus München ist er im April 2011 im Zwist verjagt worden. Uli Hoeneß einen Gefallen tun? So weit kommt es noch!

An diesem Mittwochabend aber stand nicht die Feindschaft mit dem Bayern-Präsidenten im Vordergrund. Sondern die Tatsache, dass van Gaal versucht hat, ein ganzes Fußballspiel zu sabotieren. Seiner nominell offensiv ausgerichteten Mannschaft mit Robben, van der Vaart, Affelay, Kuyt hatte er ungemein destruktive Aufgaben mit auf den Weg gegeben. So waren van der Vaart und Affelay in der ersten Halbzeit dazu befehligt, die deutschen Sechser Bender und Gündogan zuzustellen. Sie griffen früh an, doch gelangen schnelle Ballgewinne, wurde keineswegs auf Angriff umgeschaltet. Wer den Niederländern offensiven Geist unterstellen wollte, attestierte ihnen ein 5-4-1-System mit sehr defensiver Prägung. Zeitweise war das Spiel der Gastgeber schauerlich anzusehen.

Damit schaffte es van Gaal, ein ganzes Stadion verstummen zu lassen. Die Niederländer waren angerückt mit Blaskapelle und flotten Liedchen auf den Lippen, doch van Gaal nahm ihnen den Spaß. Man konnte die Abwehrspieler Kommandos über den Platz rufen hören, so still war es, bei einem Spiel Holland gegen Deutschland, bei dem früher geschlagen, getreten und gespuckt wurde.

Insofern waren das Spannendste in Amsterdam die späteren Gesprächsrunden mit dem stolzen Trainer. Weil der 61-Jährige anders ist als all seine Kollegen. So hatte van Gaal eine Erklärung für seinen Zerstörer-Kick: Die Deutschen hätten eine Mannschaft voller Spieler auf Champions-League-Niveau, er selbst hätte lediglich vier. Darauf habe er sein Team eingestellt. "Als Bondscoach sehe ich, was machbar ist und was nicht", sagte er. Und für van Gaal ist van Gaal eben einer der besten Trainer der Welt.

Huntelaar nur auf der Bank

Die Niederländer lassen ihren Bondscoach gewähren. Nach der verpassten Qualifikation für die WM 2002 ist es van Gaals zweite Amtszeit, für den Coach in seiner bewegten Trainerkarriere eine späte Herausforderung. Und er hat seine Elftal einer Radikalkur unterzogen: Viele arrivierte Spieler wurden verabschiedet, dafür hat van Gaal die holländische Liga nach international unbekannten Talenten durchsucht. Bruno Martins Indi, 20, Daryl Janmaat, 23, und Marco van Ginkel, 19, sind nur drei von fast einem Dutzend neuer Spieler, auf die van Gaal setzt.

Das scheint zu passen. Ihre Qualifikationsgruppe D zur Fußball-WM führen die Holländer verlustpunktfrei an, van Gaal ist im Volk und bei den Spielern beliebt, nun gelang sogar gegen den Nachbarn aus Deutschland nach zwei schmerzlichen Niederlagen der erste Punktgewinn. "Deutschland ist ein bisschen größer, hat mehr Einwohner", sagte van Gaal, "das Spiel war gut für unseren Prozess." Eine "starke mentale Einstellung" hatte er bei seinem Team ausgemacht.

Van Gaal ist hier der Boss, das lässt er alle spüren. So gab es keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb er Torjäger Klaas-Jan Huntelaar diesmal auf die Bank verbannte. Die Defensivtaktik sei Dirk Kuyt auf den Leib geschnitten gewesen, erklärte van Gaal zwar. Mit Robin van Persie fiel auch sein zweiter Angreifer von Weltformat aus. Also spielten die Holländer ganz ohne Mittelstürmer.

Das Gespräch mit Huntelaar sei schwierig gewesen, gestand van Gaal. Aber da müsse der Schalker nun durch. Als Trainer tue er eben "das, was ich meine, was das Beste ist". Auch bei diesem Satz wäre ihm fast ein Lächeln über sein Gesicht gehuscht. Doch Louis van Gaal blieb standhaft.

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