Holger Stanislawski in Hoffenheim:Dreckiger Fußball-Pogo im Biotop

Vor drei Jahren durfte sich Hoffenheim Herbstmeister nennen, doch die TSG 1899 hat ihre Ausstrahlung verloren: Trainer Stanislawski war einst bei St. Pauli erfolgreich, in Hoffenheim zeigt seine Arbeit keine Fortschritte. Es gibt Menschenfänger, die nur an einem Ort funktionieren.

Andreas Burkert

Menschenfänger sind schwer in Mode, sie heißen Joachim Löw, Jürgen Klopp, Lucien Favre oder auch Jupp Heynckes, die in ihrem jeweiligen Biotop kraft ihrer inhaltlichen Arbeit sowie als Autoritäten und Moderatoren dem Erfolg zuträglich zu sein scheinen. Im hiesigen Fußballbetrieb gilt das Bundesliga-Biotop Hoffenheim (das sich laut glaubwürdigen Forschungsergebnissen eigentlich in Zuzenhausen und Sinsheim findet) als recht anspruchsvolles Arbeitsgebiet, weil es sich um einen Retortenklub handelt und im beschaulichen Kraichgau errichtet wurde.

1899 Hoffenheim v SC Freiburg  - Bundesliga

Glücklos in Hoffenheim: Trainer Holger Stanislawski.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Da kann es schon mal vorkommen, dass Spieler die Zeit vergessen und zu spät zum Training erscheinen wie vorige Woche die Angestellten Firmino und Obasi. Für Trainer Holger Stanislawski, der beide für die Partie in Leverkusen suspendierte, waren das schlechte Nachrichten. Denn auch er galt bisher als jemand, dem die Gruppe folgt.

Genau aus diesem Grund hatten die Hoffenheimer Vereinsarchitekten den mutmaßlichen Menschenfänger Stanislawski für ihre vierte Bundesligasaison verpflichtet: um ihre Individualisten neu einzuschwören auf den Job an diesem heimeligen Standort, um die Identität der Mannschaft und ihren Stil neu zu schärfen.

"Mister St. Pauli", der die Hamburger binnen dreieinhalb Jahren aus der Abstiegsregion der Regionalliga ins Oberhaus führte, sollte mit seiner offenbar rebellisch anmutenden Attitüde das Team und den Klub aus der Lethargie des gesicherten Mittelmaßes führen. Doch wer nun den Hoffenheimern zusieht und hinterher ihren Trainer hört, wie er Woche für Woche mit identischer Rhetorik irgendeine Wende beschwört, der ahnt: Das wird recht schwer.

Es ist drei Jahre her, dass sich die TSG nach sehenswerter Hinserie Herbstmeister nennen durfte. Doch die damalige Furcht der Traditionsklubs, hier sei ihnen am Reißbrett ein Gegenspieler designt worden - diese Ausstrahlung hat Hoffenheim verloren. Das hat nicht nur mit der Deckelung der Mäzenmillionen von Förderer Dietmar Hopp zu tun, und auch nicht mit dem Abschied des Baumeisters Ralf Rangnick. Denn Fußball funktioniert am Ende auch über Emotion und ein Mindestmaß an Identifikation.

Dass Stanislawskis Arbeit auch diesbezüglich keine Fortschritte zeitigt, muss ihn besorgen. Es gibt Menschenfänger, die nur an einem Ort funktionieren, der Bremer Trainerkauz Schaaf ist wohl so ein Beispiel. Stanislawski stand bisher für Jeans und dreckigen Fußball-Pogo auf St. Pauli. Dass er sich in ein klinisches Biotop verpflanzen ließ, mutet momentan verwegen an.

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