Hoffenheim:TSG Nagelsheim

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Zuwachs für die Offensive: Hoffenheims Mark Uth stürmt ab der nächsten Saison für Schalke 04. (Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Das Team des jüngsten Erstliga-Trainers zeigt beim Spektakel gegen Mainz seine Reife.

Von Tobias Schächter, Mainz

Nadiem Amiri konnte seine kindliche Euphorie nicht zügeln. Warum auch, nach diesem verrückten 3:2-Sieg seiner TSG Hoffenheim beim FSV Mainz 05? Mit 0:2 lagen die Hoffenheimer nach 16 Minuten zurück, der Siegtreffer von Mark Uth in der Nachspielzeit war die Krönung ihrer Aufholjagd: "Mainz ist immer geil", jubelte Amiri in Erinnerung an die ähnlich spektakuläre Balljagd zwischen beiden Teams vor einem Jahr; damals verwandelte die TSG einen 1:4-Rückstand in ein 4:4. Amiri weckte diesmal mit seinem Anschlusstor zum 1:2 (23.) seine Elf auf und machte sie zu einem vollwertigen Mitglied in einem aufregenden Stück. Mainz gegen Hoffenheim: Das war ein mit ehrlicher Energie geführter Bolzplatzkick für Fußballromantiker, mit Wendungen, Nickligkeiten und Raffinessen auf taktisch höchstem Niveau.

Das Spektakel vor einem Jahr interpretierten die Hoffenheimer als Erweckungserlebnis für die danach erfolgreiche Saison (Platz vier, Europapokalteilnahme). Nun glaubt Amiri nach dem erneuten Coup: "So ein Spiel gibt dir einen Kick." Hoffenheim hat zwar noch kein Europapokal-Spiel gewonnen, steht aber in der Liga wieder auf Rang drei. Trainer Julian Nagelsmann, 30, witzelte auf die Frage, ob wieder eine Vorrunde ohne Niederlage möglich sei: "Es gibt keine Regel, es nicht noch einmal zu schaffen - aber es ist kompliziert."

Mit dem Flachs übertreibt es der jüngste Trainer der Liga manchmal. Aber er kann es sich leisten. Am Mittwoch sagte er, Bundesligafußball sei ein "players' game" - die Spieler seien für den Erfolg zuvorderst entscheidend, nicht der Trainer. Das stimmt. Einerseits. In Hoffenheim aber ist alles, was auf dem Platz passiert, in letzter Konsequenz auf diesen Trainer, seit Februar 2016 im Amt, zurückzuführen. Aus der braven TSG Hoffenheim ist eine gefährlich ehrgeizige TSG Nagelsheim geworden. Der Oberbayer wird immer als Taktik-Nerd beschrieben. Das ist er auch, aber vor allem veränderte er die Mentalität. Wuchtige Spieler wie Kevin Vogt und Sandro Wagner brachten mehr Körperlichkeit in die badische Provinz, Nagelsmann, der ehemalige Jugendtrainer, wollte mehr Männerfußball. Am Mittwoch nervte Sandro Wagner Gegenspieler und Publikum mit seinen Nickligkeiten wieder bis an den äußersten Rand der Toleranzgrenze. Aber es war auch kein Zufall, dass dieser Wagner kurz vor dem Pausenpfiff das 2:2 köpfte.

Hoffenheim spielte danach auf Sieg, ganz der mutigen Natur ihres Trainers folgend. Auch nach dem Ausgleich wechselte Nagelsmann offensiv aus, fest an den Sieg glaubend; als Verwalter ist der Mann sicher nicht zu gebrauchen. Man setze als Trainer Signale mit Auswechslungen, sagt er. Und weil der erstaunliche Mark Uth oft nur eine Chance braucht, um ein Tor zu erzielen, hieß der Sieger dann doch noch Hoffenheim. Mentalitätsprüfung in Mainz erneut bestanden, konstatierte TSG-Sportchef Alexander Rosen zufrieden.

So verdient der Sieg der Hoffenheimer wirkte, so unverdient wirkte die Niederlage der Mainzer. Das war kein Widerspruch nach diesem Fußballfest. Das Team haderte nach seiner besten Saisonleistung mit vergebenen Großchanen und der vermeidbaren vierten Niederlage im fünften Spiel. "Das ist jetzt eine Prüfung, aber es kann Spaß machen, gegen innere Widerstände anzukämpfen", sagt FSV-Trainer Sandro Schwarz. In Hoffenheim haben die Spieler unter Nagelsmann diese Prüfung schon bestanden.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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