Hoffenheim:Stevens will unangenehm werden

Hertha BSC - 1899 Hoffenheim

Hoffenheims Ein-Mann-Angriff: Kevin Volland (in Gelb).

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Nachdem die TSG auf den letzten Tabellenplatz abgerutscht ist, kündigt der Trainer unpopuläre Maßnahmen an.

Von Korbinian Eisenberger, Berlin

Es war ein kalter Novembertag, und der Fußballlehrer Huub Stevens saß hinter einem Mikrofon. Seit wenigen Minuten war er Trainer des Tabellenletzten der Bundesliga. Nun sollte er sich zu diesem Sachverhalt erklären. "Ich glaube, dass die Qualität in der Mannschaft vorhanden ist", sagte er und schob noch einen dieser beruhigenden Stevens-Sätze nach: "Wir schaffen den Klassenerhalt." Ziemlich genau ein Jahr ist dieser Auftritt alt, damals hatte der Niederländer den VfB Stuttgart übernommen und zum Klassenerhalt geführt. Mittlerweile kämpfen beide wieder gegen den Abstieg, der VfB und Stevens. Der 61-Jährige trainiert allerdings inzwischen die TSG Hoffenheim.

Nach dem 0:1 am Sonntag bei Hertha BSC hatte Stevens also fast auf den Tag genau seinen Déjà-vu-Auftritt als Letzter der Bundesliga. Im Bauch des Olympiastadions hatte er diesmal aber seine Zornesmiene aufgesetzt, anders als in den Anfängen seiner jüngsten VfB-Rettung. Dort hatte Stevens seinerzeit die Marschroute ausgegeben, die "Balance zwischen Angriff und Verteidigung" zu finden. Immerhin: Stevens plötzlicher Sinneswandel zum Offensivdenker hatte zur Folge, dass Stuttgart in den ersten drei Spielen fünf Tore schoss, sechs kassierte und vier Punkte holte. Stevens derzeitige Truppe erinnert dagegen mehr an eine Verwaltungsbehörde, deren Vorwärtsdrang allein darin besteht, die Bälle schnell aus der eigenen Hälfte herauszubefördern. In Köln, gegen Frankfurt (beide 0:0) und jetzt in Berlin gelang noch kein Treffer, was auch daran liegt, dass Fünf-Tore-Mann Kevin Volland als Alleinunterhalter im Angriff kaum verwertbare Bälle bekommt. "Wenn wir so weiterspielen", sagte Volland, "dann wird es sehr, sehr eng." Bei starkem Schneefall hatte Hoffenheims Kapitän Eugen Polanski einen Hertha-Freistoß per Kopf ins eigene Tor bugsiert (30.) und damit seinem neuen Coach die erste Niederlage beschert. Pünktlich zur Adventszeit darf sich der nun einmal mehr Gedanken darüber machen, wie sich die bis dato schlechteste Bundesligamannschaft noch retten lässt. Alle Jahre wieder - warum tut sich der Mann das nur an? Wahrscheinlich hat Stevens auch diesmal irgendwo verstecktes Potenzial ausgemacht. Vielleicht etwa in der Abwehr, die in Berlin nur einen Schuss aufs Tor zugelassen hatte - und schließlich nur dank der Beweisführung der Torlinien-Technik (die auch bei einer Schneedecke gut funktioniert) überwunden wurde. An der Abwehrleistung dürfte es also nicht liegen, dass Hoffenheim nun zum zweiten Mal seit dem Bundesliga-Aufstieg vor sieben Jahren ganz unten in der Tabelle steht. Zuletzt war das 2012/2013 passiert: Damals verschliss die TSG gleich vier Trainer. Nach Markus Babbel, Frank Kramer und Marco Kurz übernahm schließlich Markus Gisdol und führte das Team in der Relegation zum Klassenerhalt - ehe er jetzt im Oktober durch Stevens ersetzt wurde.

Die nächste Stevens-Mission also, doch bisher scheint nur der Coach auf Betriebstemperatur zu sein. Stevens zeigte in Berlin altbekannte Merkmale, schnauzte Fragesteller an und hatte auch noch eine Botschaft an sein Team parat, falls es künftig nicht spurt. "Ich kann einiges tun, glauben Sie mir. Das werde ich auch", sagte Stevens. "Ob das dann angenehm oder nicht angenehm ist - das sehen wir dann." Was er damit meint, ließ Stevens (noch) offen.

Immerhin hat er einen Ansatz bei der Aufarbeitung der Krisensymptome entdeckt. Über die Diskrepanz zwischen den herausragenden Bedingungen in Hoffenheim, durchaus auf Champions-League-Niveau angesiedelt, und den Leistungen seines Teams sagte Stevens dem Mannheimer Morgen: "Im Unterbewusstsein hat sich womöglich festgesetzt: Vielleicht mache ich einen Schritt weniger, das tut es doch auch." Falls er recht hat, wird er sich daran messen lassen müssen, dass seine Spieler schnellstens auf andere Gedanken kommen.

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