Hoffenheim entgeht direktem Abstieg:Und plötzlich steht Großkreutz im Tor

Borussia Dortmund - 1899 Hoffenheim 1:2

Dortmunds Kevin Großkreutz: Im Tor mit Potential nach oben

(Foto: dpa)

Fast zu aufregend für ein einziges Spiel: Zur Pause in Dortmund ist die TSG Hoffenheim der sichere Absteiger, doch dann wird es spektakulär. Die Gäste bekommen zwei Elfmeter zugesprochen, Roman Weidenfeller muss vom Platz und Jürgen Klopp kann nicht mehr wechseln. Am Ende entscheidet ein Pfiff über Freude in Hoffenheim und Trauer in Düsseldorf.

Von Saskia Aleythe

Gruselfilme sind eine seltsame Sache. Es wird gemetzelt, sodass die Schauspieler eigentlich am Filmblut ertrinken müssten. Körperteile schießen katapultartig durch die Szenen und sind dabei so durchlöchert, dass kaum noch zwischen Armen und Beinen unterschieden werden kann. Und was passiert am Ende, wenn der Hauptdarsteller offensichtlich mausetot ist? Er öffnet die Augen.

Die TSG Hoffenheim wirkte im Endspurt um den Klassenerhalt lange Zeit wie tot. Das war aber nur die Vorbereitung für das große Finale, das denkwürdig werden sollte. So denkwürdig, dass sich die Partie gegen Dortmund Attribute irgendwo zwischen historisch und hysterisch verdiente, je nach Region, je nach persönlicher Befangenheit.

"Die Saison ist so chaotisch wie dieses Spiel heute", sagte Hoffenheims Andreas Beck, "aber trotzdem überwiegen gerade die positiven Emotionen. Es ist eine unfassbare Chance in diesem unbeschreiblichen Jahr, in dem so viel gegen uns lief, in der Liga zu bleiben." Er hatte viel mitmachen müssen, an diesem Nachmittag im Mai.

Auf Rang 17 lag Hoffenheim vor dem letzten Spieltag, aussichtslos, weil als nächster Gegner Borussia Dortmund wartete. Abstiegskampf ist jedes Jahr spannend und dass nun tatsächlich die TSG auf dem vorerst rettenden Relegationsrang steht, mag allein nicht für eine Sensation reichen. Wie immer entscheidend: das Wie.

Hoffenheim hatte in Dortmund quasi nicht stattgefunden, 75 Minuten lang. Bereits nach sechs Minuten war der Champions-League-Finalist mit 1:0 in Führung gegangen, durch Robert Lewandowski. Zur Halbzeit schauten kaum noch Augsburger oder Düsseldorfer in den Ruhrpott, da drohte ja scheinbar keine Gefahr mehr. Der ewig abwärts trudelnde Klub von Mäzen Dietmar Hopp war am Boden. Und was machte Trainer Markus Gisdol? Er bescherte dem 21-Jährigen Robin Szarka nach der Halbzeit sein Bundesligadebüt, weil Sebastian Rudy gelb-rot-gefährdet war.

Special Effects sollten noch einige folgen, während Augsburg sich gegen Fürth befreite und Campino wohl schon im Kopf die Hymne für das Relegationsspiel der Düsseldorfer komponierte. Dass das Spiel in Dortmund noch eine Wendung nahm, lag vor allem am Gastgeber. Mats Hummels erwischte Kevin Volland, der im Strafraum auf Roman Weidenfeller zustürmte. Eher unglücklich mit einem Tritt, bei dem der Dortmunder auch noch umknickte. Es gab Elfmeter, Sejad Salihovic verwandelte sicher zum 1:1 und schnappte sich enthusiastisch den Ball. Auf einmal ging es wieder um etwas.

Folgenreichste Entscheidung der Saison

Aus dem letzten Atemzug wurde wieder ein Röcheln bei den Hoffenheimern. Nur vier Minuten nach dem Ausgleich stellte sich Weidenfeller zu grobschlächtig an: Den heransausenden Sven Schipplock brachte er mit einer Notbremse zu Fall. Das bedeutete Rot für den Torwart. Und weil Hummels nach seiner Aktion verletzt vom Platz musste, waren die Auswechselkapazitäten beim BVB endgültig aufgebraucht. Ein Feldspieler musste den Torwart mimen. Es traf: Kevin Großkreutz.

Zum Elfmeterpunkt trat erneut Salihovic. So ein Großkreutz im Weidenfeller-Kostüm kann da natürlich arg verstörend wirken, doch der Hoffenheimer fand seine Bühne und nutzte sie. Ein Schuss ins Eck wäre sicher gewesen und Sicherheit ist ja nicht das schlechteste, wenn es um alles geht. Doch Salihovic schoss den Ball in die Mitte, an die Unterlatte. Uncool ist anders.

2:1 stand es da, als Campino im Kopf vielleicht schon die Abstiegshymne für die Fortuna komponierte. Und dann fiel doch noch ein Tor. Marcel Schmelzer zog in dern vierten Minute der Nachspielzeit aus der Distanz ab, der Ball landete im Netz hinter Koen Casteels. Hoffenheims Beck sackte erschüttert im Strafraum zusammen, Schmelzer ließ sich von Marco Reus den Kopf tätscheln.

Casteels und andere Hoffenheimer waren da schon hurtig zum Offiziellen gelaufen und es bahnte sich das pompöse Finale an: Der Treffer zählte nicht. Lewandowski hatte bei Schmelzers Schuss im Abseits gestanden und zu aktiv mit dem Bein gezuckt. Eine folgenreiche Entscheidung, vielleicht die folgenreichste der Saison.

"Das muss der Schiedsrichter in Düsseldorf erklären", sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp. Doch die Entscheidung war korrekt. Klopp interessierte sich ohnehin viel mehr für Hummels, der nun im schlimmsten Falle beim Champions-League-Finale nicht mitwirken kann.

Hoffenheim bescherte Dortmund die sechste Saisonniederlage, dieses Hoffenheim, das 75 Minuten lang wie der sichere Absteiger ausgesehen hatte. Nun war der Verein wieder ins Leben katapultiert worden, während sich Düsseldorf in ein Trauertal verwandelte. Fortunas Jens Langeneke fand vor den Reportermikrofonen nur schwerlich Worte und sagte dann: "Es ist wie Leere, es fühlt sich total beschissen an. Wenn man die Tore nicht macht, und das zwölfte Spiel in Folge nicht gewinnt, braucht man sich nicht wundern, dass Hoffenheim beim Champions-League-Finalisten gewinnt."

Quickfidel hüpfte Trainer Gisdol anschließend über den Platz, auch der zuvor wie angeschossen umgefallene Beck bäumte sich wieder auf. "Das wir es immer noch in der Hand haben, in unserer eigenen Hand, das ist unglaublich", sagte er. Die Relegation steht nun an. Fortsetzung folgt.

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