Hoeneß auf der Mitgliederversammlung:Mit einem Urknall in den Knast

Außerordentliche Mitgliedsversammlung FC Bayern München

Uli Hoeneß auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des FC Bayern München

(Foto: dpa)

Von wegen Reue und leises Servus: Uli Hoeneß verabschiedet sich von den Mitgliedern des FC Bayern mit aller Wucht. Der verurteilte Steuerhinterzieher teilt heftig aus und besteht auf einer Rückkehr in den Verein - dass Karl Hopfner zum Präsidenten gewählt wird, gerät zur Nebensache.

Aus der Halle von Jonas Beckenkamp

Natürlich musste zum Schluss auch noch der Mann mit der Mitgliedsnummer 1217 auf die Bühne stampfen und ein wenig bayerisches Gebell loswerden. Wenn der FC Bayern seinen Vereinsangehörigen Wortmeldungen zugesteht, darf dieses Original mit dem Gamsbart und der Lederhose nicht fehlen. "Liaba Uli, vergelt's Gott. Mia lass ma di net im Stich", jodelte der Fan - er fasste damit in kerniger Mundart zusammen, was alle in der Rudi-Sedlmayer-Halle an diesem Abend dachten. Der FC Bayern und sein ehemaliger Präsident, diese Verbindung reicht auch über Gefängnismauern hinweg.

Der verurteilte Steuerhinterzieher Ulrich Hoeneß tritt in Kürze seine dreieinhalb Jahre lange Haftstrafe an, doch ehe es so weit ist, lud der Klub noch einmal zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Sieben Wochen nach Hoeneß' Rücktritt von allen Ämtern galt es, mit Karl Hopfner einen neuen Präsidenten zu wählen. Und es galt, Hoeneß noch einmal eine letzte, große Bühne für seinen Abschied zu gewähren. Was der 62-Jährige daraus machte, darf ohne Übertreibung als Urknall bezeichnet werden.

Hoeneß war nie ein Mensch der leisen Außendarstellung, aber in den vergangenen Monaten hatte er sich eingeigelt. Auf der jüngsten Jahreshauptversammlung hatte er seine Bayern-Familie tränenreich um sich geschart, zu sportlichen Belangen ließ er andere sprechen. Dann erlebte die Öffentlichkeit einen beinahe apathischen Angeklagten im Prozess am Landgericht München II. Die "Abteilung Attacke", jene wuchtige Medienfigur, zu der Hoeneß im Bedarfsfall allzu gerne mutierte, schien zermürbt zu sein. Bis zu diesem Abend. Da feierte sie ein Comeback mit krachender Botschaft und kaum übersehbarem Kalkül.

Hoeneß verzichtete auf Reue-Bekundungen wegen seiner Steueraffäre, er sprach zwar erneut von einem "persönlichen Fehler", für den er "gerade stehen" wolle, aber viel wichtiger war ihm, ein klares Statement abzugeben: Dieser Abschied vom FC Bayern ist nicht für immer. In Erinnerung möchte er bis zu seiner Rückkehr gefälligst so bleiben, wie er all die Jahre auftrat - als trotziger und entschlossener Austeiler.

"Vielen sagen: Der Hoeneß hat mit seinem Fehler sein Lebenswerk zerstört. Ich sehe das nicht so", wetterte er in seiner viel bejohlten Rede vor seinen Anhängern, um dann über seine Zukunft im Gefängnis zu sprechen.

"Ich versuche, nachzudenken über mich und meine Gefühle", sagte Hoeneß. "Ich habe in den letzten Monaten Hass kennengelernt, und ich werde versuchen, das aus meinem Kopf zu bringen. Hass ist kein guter Wegbegleiter", fauchte er wie in seinen aggressivsten Zeiten. Es waren zischende, zielgerichtete Pfeile voller Schärfe, die der frühere Vereinsboss in Richtung seiner Kritiker abfeuerte - er meinte vor allem die Medien und Teile der Öffentlichkeit.

Interimspräsident Hopfner

"Was viele Journalisten mit mir und meiner Familie angestellt haben, ist frevelhaft. Die kennen mich überhaupt nicht. Sie haben mit mir kein Wort geredet. Es geht nicht ums Informieren, sondern darum, Kohle mit mir zu verdienen." So sieht Hoeneß das: Er ist das Opfer, nicht die Allgemeinheit, der er insgesamt knapp 30 Millionen Euro an Steuern vorenthielt. Die Mitglieder sahen es ähnlich, sie jubelten ihrem Übervater zu, und wenn es möglich wäre, würden sie ihn wohl auch aus dem Knast heraus regieren lassen.

Die Beziehung zwischen ihm und dem Klub, den er mit aufgebaut hat, ist keineswegs geschädigt, so lautete Hoeneß' Kern-These. Sie ist nun allenfalls unterbrochen. Schon in wenigen Jahren könnte es gemeinsam weitergehen. "Und dann, wenn ich zurück bin, werde ich mich nicht zur Ruhe setzen. Das war es noch nicht," rief er - da war klar: Er meint es ernst, er will wieder ein Amt bekleiden, sobald er frei kommt. Bis es so weit ist, wird ihn Karl Hopfner vertreten - so lässt sich durchaus interpretieren, was der restliche Abend brachte.

Hopfner: "Ich werde nicht gegen ihn antreten"

Die Wahl des bisherigen Finanzvorstandes zum Präsidenten bis ins Jahr 2016 war nämlich flink geschehen. Es schnellten weiße Kärtchen in die Höhe, von den mehr als 1500 Wahlberechtigten stimmte nicht mehr als eine Handvoll gegen Hopfner, der die Abstimmung dankbar annahm. "Es erfüllt mich mit Stolz, wenn man so ein Ergebnis erzielt. Ich habe nicht um dieses Amt gebuhlt, sondern ich wurde aus dieser Situation heraus gebeten," erklärte er, "wenn man vom FC Bayern so viel bekommen hat, ist man auch verpflichtet, etwas zurückzugeben."

Es klang so, als würde auch der 61-Jährige sein neues Amt eher als Interimsaufgabe verstehen. Ob Hoeneß nach seiner Haftstrafe wieder eine verantwortungsvolle Position einnehmen könne, müsse "Uli selbst entscheiden. Er hat ja gesagt, dass er selbst verkündet, wie er sich das dann vorstellt", sagte Hopfner, "wenn er wieder ein Amt haben möchte, wird das in den Gremien besprochen."

Und dann ließ der angehende Bayern-Präsident die Zuhörer noch wissen: "Ich werde nicht gegen ihn antreten." Der Mann mit dem Gamsbart hatte also Recht gehabt: Hängen lassen die Bayern ihren Patriarchen nicht. Sofern der liebe Gott nichts dagegen hat, natürlich.

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