Höchster Saisonsieg des FC Bayern:Werder Bremen stellt sich tot

FC Bayern Muenchen v SV Werder Bremen - Bundesliga

Franco die Santo kann offenbar nicht glauben, was der FC Bayern mit seiner Bremer Mannschaft gemacht hat.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Gegen den FC Bayern ist Bremen nur im Programmheft ein Gegner - das Ergebnis ist ein 0:6. Die Münchner genießen den Trend, dass sich immer mehr Klubs vorab ergeben. Werder-Trainer Dutt vergisst vor lauter Frust, sein Vorbild zu loben.

Von Christof Kneer

Es wäre nicht korrekt zu behaupten, dass Heimspiele des FC Bayern nicht mehr spannend seien. Das Heimspiel gegen Werder Bremen zum Beispiel vibrierte vor Spannung, es warf eine Menge brisanter Fragen auf, zum Beispiel: Hat Thomas Müller den Freistoßtrick vor dem 2:0 von der WM mitgebracht? Warum hat er den Elfmeter zum 3:0 einfach so rein gehauen und nicht vorher noch zwei Pirouetten gedreht? Seit wann schießt Philipp Lahm Tore? Und: Wo waren eigentlich diese Bremer, die im Programmheft als Gegner annonciert waren?

Es ist natürlich so: Wer ein Freund der Spannung ist, darf sich bei Bayern-Heimspielen nicht fürs Ergebnis interessieren. Das Spiel selbst war nur so lange spannend, bis Schiedsrichter Dankert es anpfiff. In diesem Moment verlegten sich die Bremer auf das, was womöglich ihre Strategie sein sollte: Sie zogen sich so weit zurück, wie es die Begrenzungslinien des Spielfeldes erlaubten. Gar nicht mitspielen konnten sie nicht, das erlaubt die Regel nicht, so dass ein Ergebnis am Ende nicht zu verhindern war. Es lautete: 6:0, Halbzeit 4:0 - und das war noch gnädig, weil der FC Bayern die zweite Halbzeit vor allem nutzte, um sich fürs Champions-League-Spiel beim AS Rom am Dienstagabend warm zu laufen. Die Münchner gönnten sich dabei auch noch den Luxus, Arjen Robben und Xabi Alonso nach einer Stunde vom Feld zu holen, und Robert Lewandowski hatte das Feld erst gar nicht betreten; er erholte sich auf der Bank.

Das Ergebnis sei "auch in dieser Höhe vollkommen verdient", sagte Werders Trainer Robin Dutt nach den Toren von Lahm (20., 79)., Götze (45., 86.), Xabi Alonso (27.) und Müller (43., Foulelfmeter) angemessen zerknirscht. Dutt ist seit Jahren Guardiola-Fan, er hätte jetzt die Gelegenheit gehabt, live auf dem Podium von der Fußballidee seines Nebensitzers zu schwärmen, aber er hatte an diesem Abend weder Grund noch Lust dazu. "Das waren heute Bayern in Normalform", sagte er, "sie haben gar nicht mal so oft aufs Tor geschossen. Dass wir heute sehr schlecht waren, stand in keinem Zusammenhang mit dem FC Bayern."

Was er damit sagen wollte: Es waren gar nicht mal die Bayern, die Bremen schlecht aussehen ließen. Es waren die Bremer selbst.

Es gibt unterschiedliche Arten, der Münchner Überlegenheit zu begegnen, aber die Bremer Art war neu. Manche Teams kommen mutig raus und greifen an, andere parken in der eigenen Hälfte die Räume zu und lauern, um die sogenannten "Nadelstiche" zu setzen, wie das neuerdings im Trainerdeutsch heißt. Die Bremer dagegen zogen sich zurück und stellten sich tot. Das muss man erst mal schaffen: streng defensiv spielen, dabei aber keinen Zweikampf führen. Als Philipp Lahm nach Vorarbeit von David Alaba und Thomas Müller das Führungstor schoss, stand er in einer torgefährlichen Zone völlig frei - obwohl alle Bremer verteidigten. Bei Mario Götzes 4:0 direkt vor dem Pausenpfiff gelang den Gästen eine ähnliche Choreographie: Nur Assani Lukimya stand in Götzes Nähe, aber auch er gab sich alle Mühe, den Münchner Weltmeister möglichst wenig zu behelligen. Götze drehte sich elegant um den Bremer und schlenzte den Ball ins entfernte Eck.

"Ja", antwortete Werders Geschäftsführer Thomas Eichin knapp, als er später gefragt wurde, ob Robin Dutt beim kommenden Heimspiel gegen den 1. FC Köln noch auf der Bank sitzen werde. Mannschaften, die 0:6 verlieren, bekommen häufig einen neuen Trainer spendiert, aber Werders Leistung hatte mitunter derart absurde Züge, dass man sie dem Trainer schon gar nicht mehr zur Last legen konnte.

Mit grotesker Langsamkeit unter der Mauer durch

Typisch der Freistoß zum 2:0: Thomas Müller, bei der WM schon für die schrägsten Varianten verantwortlich, wackelte im Sprint auf die Bremer Mauer zu, dann bog er kurzerhand rechts ab, und wer den Schelm kennt, würde sich nicht wundern, wenn er dabei noch "Springt!" gerufen hätte. Jedenfalls hüpften die Bremer Mauermänner in die Höhe, und Xabi Alonso schob den Ball mit grotesker Langsamkeit unter der Mauer durch.

"Dieses 2:0 passt zu unserer Saison", sagte Torwart Raphael Wolf, er meinte: Zu allen grundsätzlichen Defiziten kommen auch noch kuriose Aussetzer hinzu. "Der Trainer hat bestimmt nicht gesagt, dass die Mauer hochspringen soll."

"Die Niederlage heute hatte gar nichts mit dem Trainer zu tun", folgerte deshalb auch der Sportchef Eichin, "die Mannschaft hatte offenkundig Angst, in die Zweikämpfe zu gehen. Wenn du Angst hast, kannst du gegen Bayern München nicht gewinnen. Das war die Zweikampfführung eines Tabellenachtzehnten."

Es war die Zweikampfführung eines Tabellenachtzehnten, der beim Tabellenersten antritt und ganz genau weiß, dass zurzeit mehr als 17 Tabellenplätze zwischen den Teams liegen. So gesehen, war es ein perfekter Nachmittag für den FC Bayern: Der Tabellenführer hat nicht nur mit halber Kraft drei Punkte und sechs Tore erbeutet; er genießt auch den Trend, dass sich immer mehr Klubs schon vorab ergeben, obwohl die Bayern in dieser Saison noch längst nicht auf der Höhe ihres Könnens sind.

Diesen lässigen Nachmittag dürfen die Bayern jetzt mitnehmen in eine Woche, in der sie zwei Mannschaften begegnen werden, die weniger unterwürfig daherkommen dürften: Am Dienstag spielen sie beim AS Rom, am Sonntag beim Tabellenzweiten Borussia Mönchengladbach.

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