Hockey-Trainerin Tina Bachmann:Am Anfang war die Skepsis

Hockey-Trainerin Tina Bachmann: In einer neuen Rolle: Hockey-Nationalspielerin Tina Bachmann trainiert ab sofort die Männer von Uhlenhorst Mülheim.

In einer neuen Rolle: Hockey-Nationalspielerin Tina Bachmann trainiert ab sofort die Männer von Uhlenhorst Mülheim.

(Foto: imago sportfotodienst)

Die ehemalige Nationalspielerin Tina Bachmann kommandiert in der kommenden Bundesliga-Saison die Hockey-Männer von Uhlenhorst Mülheim herum: Eine Frau als Trainerin? Nicht alle fanden die Idee gut.

Von Ulrich Hartmann, Mülheim an der Ruhr

Die Männer im Halbkreis hören ganz gerne zu. Tina Bachmann redet. Sie gestikuliert. Die Männer stützen sich auf ihre Schläger und nicken. Dann widmen sie sich wieder den erklärten Übungen. "Ich finde sie ja noch ein bisschen ruhig", sagt Tina Bachmann, als das Training zu Ende ist: "Ich hab's gern lebhaft, ich will permanent Feedback." Aber auch daran müssen sich die Bundesligamänner vom Hockeyclub Uhlenhorst Mülheim erst einmal gewöhnen. Seit einem Monat ist ihr Trainer eine Frau: die 36 Jahre alte Nationalspielerin Tina Bachmann. Sie hat sehr konkrete Vorstellungen davon, wie ihre Spieler sein und wie sie Hockey spielen sollen, und genau deswegen haben die Uhlenhorster Vorstandsmänner für ihre erstklassigen Hockeymänner erstmals eine Trainerin engagiert.

Deutsche Medien meldeten in dieser Woche, der französische Fußball-Zweitligist Clermont Foot habe sein Auftaktspiel 1:2 gegen Stade Brest verloren. Für die zweite französische Liga interessieren sich deutsche Medien normalerweise nicht mal im schlimmsten Sommerloch, aber die Fußballmänner aus Clermont-Ferrand werden neuerdings von der 40 Jahre alten Französin Corinne Diacre trainiert. Eine Frau, die Fußballer trainiert, ist schon eine Meldung wert.

Den Hockeyspielern in Mülheim geht es medial sonst auch nicht viel besser als französischen Fußball-Zweitligisten, aber die Männer werden in der Anfang September beginnenden Saison ja nun von einer Hockey-Nationalspielerin trainiert. Eine Frau, die gestandenen Hockeymännern zeigt, wo's langgeht, ist ebenfalls eine Schlagzeile wert.

"Mut zum Risiko", sagt Horst Stralkowski, "so lautete eine dieser Schlagzeilen." Der langjährige Teammanager der Mülheimer Bundesliga-Männer sagt, er sei überrascht gewesen von dieser Überschrift. Stralkowski, Vater des Mülheimer Nationalspielers Thilo Stralkowski, erkennt das Risiko nicht. Als die Uhlenhorster sich vor acht Jahren für den 22 Jahre alten André Henning als Cheftrainer entschieden hatten, sei das wegen des Alters gewagt gewesen. Henning hat seinen Job dann acht Jahre sehr gut gemacht und ist nun nach Hamburg weitergezogen.

Die Mülheimer haben also einen neuen Trainer gesucht. Jetzt haben sie einen Diplom-Trainer, der gebürtig aus Mülheim kommt, beim HTC das Hockeyspielen erlernt und mittlerweile 255 Länderspiele absolviert hat, der 2004 Olympiasieger geworden ist, zuletzt vier Jahre im besten niederländischen Klub in Eindhoven gespielt und dort nebenher die U18-Mädchen drei Mal zur Nachwuchs-Meisterschaft geführt hat. Mülheims neuer Trainer ist kompetent, eloquent, charismatisch, blitzgescheit, perfekt vernetzt - und eine Frau. "Was für einen Mann hätte ich finden sollen, der in Summe qualifizierter ist als sie?", fragt Horst Stralkowski, ohne eine Antwort zu erwarten.

"Ich mag ehrgeizige Ziele"

Tina Bachmann sagt, sie kenne keinen anderen Hockeyklub mit solch einer "unglaublichen Identität und einer so großen Tradition". Mit fünf Jahren hat sie am Uhlenhorst das Hockeyspielen angefangen und mit 14 Jahren die D2-Knaben trainiert. Hockey spielen, Hockey trainieren, nebenher Diplom-Trainerin werden und ein Studium zur Grundschullehrerin absolvieren - das ist in Hockeykreisen eine durchaus übliche Mehrfachbelastung.

"Ich bin immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen", sagt sie. Wenn die neue Saison beginnt, wird sie in Mülheim auch ihre erste volle Stelle als verbeamtete Lehrerin antreten; ob sie ihre sportliche Karriere als Spielerin fortsetzt, hat sie noch nicht entschieden. Hockey-Leute geben sich selten mit nur einer Herausforderung zufrieden.

Der deutsche Rekordnationalspieler Matthias Witthaus wird in diesem Sommer Spielertrainer beim viertklassigen Hamburger Polo-Club und der frühere Nationalspieler Jan-Marco Montag wird Spielertrainer beim Drittligisten Blau-Weiß Köln. So einen hätten die Mülheimer doch auch verpflichten können - doch Horst Stralkowski schüttelt den Kopf und erklärt dann, mit welch vergleichbar bescheidenen Mitteln man am Uhlenhorst eine Mannschaft unterhalte, die in der Bundesliga die Teilnahme am Final-Four-Turnier ersehne. Uhlenhorst Mülheim ist mit 16 Titeln zwar Rekordmeister im Feldhockey. Doch der letzte Titel liegt 17 Jahre zurück.

Dass Mülheim mit Tina Bachmann nun gleich wieder Meister wird, ist eher nicht zu erwarten. Das Final-Four ist erklärtes Saisonziel des Vorstands. Bachmann hat nichts gegen Visionen. "Ich mag ehrgeizige Ziele", sagt sie. Dass die Männer ihrem Kurs folgen, bezweifelt sie nicht. Ob Mann, ob Frau, "wichtig ist, dass die Mannschaft hinter der Entscheidung für einen Trainer steht". Und das tue sie - beteuert Horst Stralkowski. "Am Anfang war eine gewisse Skepsis da", sagt er, "das darf man nicht verhehlen."

Doch nach einem Monat der Zusammenarbeit finden die Spieler längst Gefallen an Bachmanns klaren Spielideen und ihren energischen Ansagen. Genau diese Eigenschaft hatten sie sich vom neuen Trainer gewünscht. Wenn es nach Tina Bachmann geht, müssen sie diese Energie jetzt noch in Form von stetem Feedback zurückgeben. Dann könnte die Konstellation am Uhlenhorst eine spannende Angelegenheit werden.

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