Hochspringerin Ariane Friedrich:Spice Girl auf nackter Haut

Aufgekratzte Blondine gegen griechische Götterstatue: Bronze-Siegerin Ariane Friedrich zeigt, warum sie in der deutschen Leichtathletik so wichtig und so einmalig ist.

Thomas Hummel, Berlin

Es herrschte totale Stille in diesem Moment, als plötzlich einer in den hinteren Reihen laut losklatschte. Die Besucher drehten ihren Hals, um den Störer zu identifizieren und entdeckten Günter Eisinger, den Trainer von Ariane Friedrich. Der schien hoch zufrieden mit der Vorstellung seiner Athletin, einer ihrer Sätze während der Pressekonferenz am Tag nach dem großen Wettkampf nötigte ihm gar lauten Beifall ab: "Ich bin so wie ich bin. Und das ist gut so."

Hochspringerin Ariane Friedrich: Ariane Friedrich ist die populärste deutsche Leichtathletin.

Ariane Friedrich ist die populärste deutsche Leichtathletin.

(Foto: Foto: AFP)

In diesem Moment hätte wohl auch die halbe Republik geklatscht, wenn sie es denn gehört hätte. Denn so, wie sie eben ist, hat die Hochspringerin Ariane Friedrich durch ihre Leistung, aber auch durch ihr Auftreten derart weite Teile der Bevölkerung berührt, wie das kein anderer deutscher Leichtathlet vor und während dieser WM geschafft hat.

Das war schon am frühen Donnerstagnachmittag rund um das Olympiastadion zu spüren, wo sich so lange Schlangen vor den Kassenhäuschen bildeten, wie sich das die Veranstalter immer gewünscht hatten. Zum ersten Mal schickte der WM-Ort Berlin Bilder von fast voll besetzten Rängen in die Welt, mehr als 57.000 Besucher waren gekommen. Fast alle, um den Hochsprung mit der 25-jährigen Frau aus Thüringen zu sehen.

Das lag einerseits daran, dass Friedrich vor dieser WM als größte Hoffnung auf ein deutsches Gold galt, und wer bis zu 153 Euro für eine Karte ausgibt, will schließlich was zu feiern haben. Friedrich siegte zwar nicht, freute sich aber derart schön über ihre Bronzemedaille (hinter der Kroatin Blanka Vlasic sowie der Russin Anna Tschitscherowa) und den "bewegenden" Wettbewerb, dass am Ende doch das ganze Stadion jubelte.

Angezogen wurden die Menschen aber nicht nur vom Sport, sondern auch von den handelnden Personen. Sie ließen sich faszinieren von dem im Vorfeld immer wieder thematisierten Zweikampf der blondierten, häufig aufgekratzten Friedrich gegen Vlasic, die bei der Konzentrationsphase auf einen Versuch stark an eine griechische Götterstatue erinnert.

"Wir brauchen solche Typen", sagte Trainer Eisinger, "die Sponsoren wollen es, die Öffentlichkeit will es." Die Geldgeber und die Leute da draußen ergötzten sich dann auch am Duell dieser beiden ansehnlichen Frauen mit den so unterschiedlichen Charakteren. Was für die beiden Frauen aber auch ein Problem war.

Vlasic klagte nach ihrem Sieg, dass die Rivalität mit Friedrich derart hochgespielt worden sei und dass sie "einen der härtesten Wettbewerbe in meiner Karriere" erlebt habe. Friedrich pflichtete bei: "Ich hatte so viel Druck. Es war schlimm."

Kathedrale des Schweigens

Die Deutsche hatte in den Tagen davor versucht, sich am Stützpunkt in Kienbaum abzuschirmen, zur Ruhe zu kommen. Doch nach der Qualifikation überfielen sie Nervosität und Aufregung. Sie habe kaum schlafen können in den zwei Nächten bis zum Finale. Die vollen Rängen im Stadion beeindruckten sie. "Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen, um mich anzufeuern." Auf etlichen Postern entdeckte sie sich selbst und schloss daraus, für einige Kinder und Jugendliche "scheinbar wirklich ein Idol" zu sein. "Und hey: Da haben sich junge Männer meinen Namen auf den nackten Oberkörper geschrieben."

Als sie im Wettkampf Probleme mit der Konzentration hatte, bat sie bei ihren Versuchen um Ruhe und verwandelte das volle Olympiastadion in eine Kathedrale des Schweigens. Selbst ein Telefon auf dem Oberrang war ganz unten vor der Laufbahn noch zu hören, als Friedrich beim dritten Versuch über 2,02 Meter das große Scheitern abwendete.

Als sie die Latte bei ihrem letzten Versuch auf 2,06 Meter legen ließ und damit alles auf diesen einen Sprung setzte, hielt sogar Usain Bolt unten kurz inne. Als seine Athletin über der Latte lag, setzte Eisinger auf der Tribüne schon zum Jubelsprung an, doch Friedrich verkalkulierte sich beim Anlauf in der Entfernung zur Latte und riss noch mit der Wade.

Als der Wettkampf zu Ende war, wirkte Friedrich, als sei sie mit ein paar Mehlsäcken auf den Schultern gesprungen, die sie nun endlich abnehmen konnte. Sie strahlte unter ihren hellblonden Strähnen und sprach von "unglaublich viel Spaß". Mit der Bronzemedaille spürte sie, den Erwartungen zumindest eines aufregenden Wettkampfs entsprochen zu haben. Ariane Friedrich wird voerst das Spice Girl der deutschen Leichtathletik bleiben. Und dafür, stellte sie richtig fest, "brauch' ich keinen Imageberater".

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