Heynckes contra Sammer:Miese Stimmung und ein Friedensgipfel

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Neben dem 1:3 in Borissow wirkt der Konflikt zwischen Trainer Jupp Heynckes und Sportvorstand Matthias Sammer irritierend. Der FC Bayern beweist mal wieder, dass er die Fähigkeit besitzt, sich rasend schnell selbst die Stimmung zu verderben. Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, entschließen sich die Münchner zu verschärftem Tempo bei der Krisenbewältigung.

Johannes Aumüller, Minsk

Jupp Heynckes und Matthias Sammer: Erst hieß es, es passe kein Blatt Papier zwischen die beiden - nun ist es der Mannschaftsbus. (Foto: dapd)

Der gemeine weißrussische Sicherheitsmann lächelt zwar noch seltener als der frühere sowjetische Kult-Trainer Walerij Lobanowskij, doch an diesem Morgen ist zumindest ein Teil derjenigen, die am Flughafen in Minsk arbeiten, ungewöhnlich vergnügt. Soeben ist der Tross des FC Bayern eingetroffen, um den Rückflug nach München anzutreten, und jetzt nutzen ein paar Uniformierte die Chance, ein Autogramm oder ein Foto von einem der großen Bayern abzustauben.

Allerdings ist am Tag nach dem überraschenden 1:3 des deutschen Rekordmeisters gegen Bate Borissow auf dem Flughafen der weißrussischen Kapitale die Mehrzahl der Anwesenden tendenziell schlechter gelaunt, und zwei von ihnen befinden sich höchstens fünf Meter voneinander entfernt auf einem Gang. Der eine ist Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer, der vor einer Wand steht und öffentlich nichts sagt.

Der andere ist FC-Bayern-Trainer Jupp Heynckes, der inmitten von Mikrofonen und Journalisten sagt: "Ich weiß aus Erfahrung, dass es ganz wichtig ist, diese Dinge in geschlossenen Räumen zu artikulieren und nicht so nach draußen, weil das ist Populismus, und den können wir nicht gebrauchen." Derjenige, der zuletzt vehemente Kritik nach draußen äußerte, ist bekanntlich der Mann, der fünf Meter von Heynckes entfernt steht.

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Es ist der vorläufige, aber sicher nicht endgültige Beitrag zu einer Phase, in welcher der FC Bayern mal wieder beweist, dass zu seiner DNS nicht nur das Mia-san-mia-Gefühl und das Sieger-Gen gehören, sondern auch die Fähigkeit, sich rasend schnell selbst die Stimmung zu verderben.

Da ist jetzt also eine Mannschaft, die neun von zehn Pflichtspielen in dieser Saison gewonnen hat, in der Bundesliga verlustpunktfrei die Tabelle anführt und in der Champions League trotz der dürftigen Leistung gegen Borissow immer noch gute Perspektiven hat - doch das Verhältnis zwischen den beiden Personen, die für den Sport der Münchner vorrangig verantwortlich sind, wirkte am Flughafen in Minsk ungefähr so wie das zwischen Richard Nixon und Leonid Breschnjew zu Zeiten des Kalten Krieges.

Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, entschlossen sich die Münchner zu verschärftem Tempo bei der Krisenbewältigung. Nach der Rückkehr aus Weißrussland, nach dem Auslaufen der Mannschaft auf dem Trainingsgelände an der Säbener Straße, setzten sich Sammer und Heynckes sofort mit Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zusammen. Letzterer fasste das Ergebnis zusammen: "Alle ziehen an einem Strang."

Heynckes ließ mitteilen: "In der Sache hat zwischen uns nie Uneinigkeit geherrscht. Wir arbeiten beide mit vollem Herzen und vollem Engagement für Bayern München." Und Sammer rundete den Reigen der verlautbarten Botschaften ab: "Ich arbeite mit Jupp Heynckes jetzt seit Saisonbeginn täglich und sehr intensiv zusammen. Nicht unerfolgreich, wie die Leistungen zeigen. Ich wiederhole mich: Zwischen uns passt kein Blatt. Mögliche Unstimmigkeiten haben wir heute ganz schnell beigelegt."

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Anlass für die Aufregung waren die Auftritte von Sammer nach dem 2:0-Sieg am Samstag bei Werder Bremen gewesen. Dort hatte Sammer derart oft mit Begriffen wie "Käse" und "Leerlauf", "nicht gallig" oder "lätschern" jongliert, bis es die gesamte Republik mitbekommen hatte. Da sah es noch so aus, als übe sich halt jemand in bester Uli-Hoeneß-Tradition in der Kunst des antizyklischen Wutanfalls.

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Am Dienstagabend jedoch, vor Anpfiff des Spiels gegen Borissow, erklärte Heynckes vor den Kameras des Fernsehsenders Sky: "Mit der Form, Art und Weise war ich nicht einverstanden, das habe ich ihm auch gesagt. Ich denke, dass die Kritik überzogen war. Ich finde auch, wir sollen die Kritik intern machen und nicht extern."

Nach dem Spiel, beim traditionellen Bankett im "Dolce Vita"-Saal des Mannschaftshotels, saßen Sammer und Heynckes zwar nur drei Plätze voneinander getrennt an einem Tisch, wählten sich als Gesprächspartner bevorzugt jedoch andere Herrschaften aus. Offenkundig war Heynckes' Zorn über Sammers Aussage da noch nicht verraucht, denn als er am Mittwochmorgen am Minsker Flughafen stand, legte er noch einmal nach.

Er benutzte das böse P-Wort Populismus und flocht en passant die Formulierung "Man muss das ganze Gebilde FC Bayern kennen" ein. Damit deutete er an, an, dass Sammer dieses Gebilde nach gut 100 Tagen im Amt eben noch nicht so gut kenne. Und er sagte zu der Frage, ob die öffentliche Schelte von Bremen, wie von Sammer am Montag via Bild verbreitet, abgesprochen gewesen sei: "Ich habe nicht mehr dazu zu sagen."

Es hatte ja schon bei Sammers Verpflichtung im Sommer einige Beobachter gegeben, die einen Konflikt zwischen den beiden prognostizierten. Und in der Tat war es auch schon vor der aktuellen Auseinandersetzung zu einigen Momenten gekommen, in denen sich ein Spannungsverhältnis zu entwickeln schien. Etwa als Sammer in seinen ersten Amtstagen so ungemein präsent wirkte, dass sich Heynckes während des Trainingslagers am Gardasee zu einem zornigen Plädoyer in eigener Sache veranlasst sah - um nur ja dem Eindruck entgegenzuwirken, der neue Sportvorstand sei auch in der Tagesarbeit sein Aufpasser.

Während er am Mittwochabend die Auftakt-Niederlage der Bayern-Basketballer in der Bundesliga gegen Oldenburg (61:80) durchlitt, ergriff auch Präsident Uli Hoeneß in der Kompetenzfrage Partei für Sammer: "Ich fand die Kritik weder in Form noch Sache ungerechtfertigt. Ich bin der Meinung, dass er das absolut machen kann." Und weiter: "Damit fällt dem Jupp in keinster Weise ein Zacken aus der Krone." Sein freundschaftlicher Ratschlag an Heynckes: "Das muss er aushalten."

© SZ vom 04.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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