Hertha-Trainer Jos Luhukay:Bändiger eines durchgeknallten Klubs

VfR Neumuenster v Hertha BSC Berlin - DFB Cup

Berlins bester Mann: Trainer Jos Luhukay.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Dieser kleine, ruhige Mann passt eigentlich nicht zum lauten Berlin. Doch in der Hauptstadt herrscht breiter Konsens, dass es vor allem Trainer Jos Luhukay war, der den Verein zurück in die Bundesliga führte.

Von Boris Herrmann, Berlin

Jos Luhukay ist gerade unterwegs vom Trainingsplatz zum Parkplatz. Da nähern sich auf halber Strecke drei Männer und rufen: "Herr Luhukay, bitte, bitte ein Foto!" Dem kann entsprochen werden. Luhukay postiert sich in der Mitte und legt vorsichtig den Arm um einen der Hertha-Fans. So, als habe der eine heiße Herdplatte im Nacken. Nach dem dritten Foto sagt einer der Männer: "Wir haben nämlich gerade unsere Dauerkarten gekauft." Prima, sagt Luhukay. Dann geht er weiter.

Man darf nicht glauben, dass dieser Mann keine Gefühle hat. Aber Luhukay, 50, ist der Meinung, dass er diese Gefühle nicht gleich jedem zeigen muss, der sie sehen will. Er sagt: "Ich strahle vielleicht nicht immer die große Freude aus. Ich versuche eben, mich selber zu sein. Da komme ich gut mit zurecht." Am Abend des 21. April 2013 hat es Luhukay zum Beispiel sehr gut hinbekommen, sich selbst zu sein. Da saß er im Keller des Berliner Olympiastadions und verkündete: "Dieser Verein muss sich in allen Bereichen verbessern!" Eine halbe Stunde vorher war Hertha BSC wieder in die Bundesliga aufgestiegen.

Am Samstag, um 15.30 Uhr, geht es also wieder los mit dem hauptstädtischen Erstligafußball. Heimspiel gegen Frankfurt. Es wäre übertrieben, wenn man sagt, dass sich der Verein über den Sommer in allen Bereichen verbessert hätte. Die Konten sind so leer wie immer, die Erwartungen so hoch wie selten. Die Mannschaft sieht in groben Zügen so aus wie im letzten Jahr, die Gegner sind dafür deutlich besser. Fortschritt gibt es trotzdem in Berlin.

"Wir haben mittlerweile die Ruhe zurückgefunden, auch innerhalb des Vereins", so sieht Luhukay das. Mit der Meinung steht er nicht alleine da. Er sagt, das sei ein Verdienst des gesamten Vereins. Das wiederum hat er nahezu exklusiv. In der Hauptstadt herrscht breiter Konsens, dass es vor allem dieser rührend höfliche Niederländer war, der die durchgeknallte Hertha wieder auf den Pfad der Tugend führte.

Als Luhukay im Frühjahr 2012 in Berlin unterschrieb, wirkte Hertha BSC längst nicht mehr wie ein Fußballklub, eher wie ein realsatirisches Theaterprojekt. Vom Lügenbaron zum Platzsturm, von der Faustschlag- zur Todesangst-Affäre bis hin zu Otto Rehhagel war alles dabei, was der allgemeinen Belustigung zuträglich war. Als Luhukay zur Hertha ging, sagte ihm ein alter Freund: "Du bist bekloppt." Das hat der Freund inzwischen zurückgenommen.

Neuerdings denken die Menschen wieder an Fußball, wenn sie Hertha BSC hören. Der Trainer hat seinen Verein schneller geprägt als der Verein seinen Trainer. Ein kleiner, unterkühlter Mann mit Schnäuzer ist plötzlich das Gesicht des hitzigen Hauptstadtbetriebs. Manager Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer verhalten sich auffällig unauffällig. Hertha wirkt wie Jos und seine Brüder.

Seine Vorgänger sind krachend gescheitert

Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass auch das Team immer mehr familiäre Züge bekommt. Hertha hat mit Alexander Baumjohann, Sebastian Langkamp, Hajime Hosogai und Johannes van den Bergh lauter Profis verpflichtet, die Luhukay schon von früheren Vereinen kennt. Er sagt, das sei auch der Situation geschuldet. "Diese Spieler waren in erster Linie sportlich interessant und wirtschaftlich möglich. Und es ist ein Vorteil, dass ich sie nicht nur sportlich, sondern auch charakterlich einschätzen kann."

Charakter, das ist ja ohnehin sein Lieblingswort. Noch vor Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit. Und klar: Bescheidenheit. Der Hertha-Coach lebt in einem kleinen Hotelapartment, seine Frau ist mit den Kindern daheim geblieben. "Ich muss nicht so viel haben, um mich wohl zu fühlen", sagt er. Unter seinen Eigenschaften ist keine dabei, die in Berlin traditionell auf großes Interesse stößt. Luhukays Vorgänger Rehhagel hat es mit Goethe-Zitaten versucht, sein Vorvorvorgänger Markus Babbel mit einem Hertha-Tattoo.

Beide dachten wohl, sie müssten der Weltstadt so etwas anbieten. Beide sind dann krachend gescheitert, jeder auf seine Weise. Luhukay bietet überhaupt nichts an. Er sagt sogar: "Diese Stadt ist für mich Nebensache. In meinem Beruf muss die Leidenschaft auf den Fußball gerichtet sein." Der Witz aber ist: Dieser leise Mann in dieser lauten Stadt ist zu allem Überfluss auch noch beliebt.

Dabei kennt man ihn schlecht, wenn man glaubt, er sei harmoniesüchtig. Dem Brasilianer Ronny, Publikumsheld der Zweitligasaison, gibt er klar zu verstehen, dass es nach Lage der Dinge nicht reicht: "Es geht um körperliche und konditionelle Voraussetzungen. Und es geht darum, die Bestform zu erreichen. In beiden Sachen versucht er tagtäglich, an sich zu arbeiten. Wir werden sehen, inwiefern das in der Bundesliga zustande kommt." Kurz vor der Saison hat Luhukay auch seinen Kapitän Peter Niemeyer ersetzt. Die Binde trägt jetzt Fabian Lustenberger, aus sportlichen Gründen. "Wenn der Kapitän nicht spielt, dann ist ständig Unruhe. Das wollte ich Peter, der Mannschaft und mir ersparen."

Man hat Luhukay auch schon den "kleinen General" getauft. Aber, bei aller Bescheidenheit: "Ehemalige Spieler kommen gerne zu mir zurück. Das spricht dafür, dass ich kein ganz böser Mensch sein kann, denn sonst würden die sich das ja zweimal überlegen."

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