Hertha-Trainer Dárdai:Abstiegskampf auf zwei Ebenen

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Pál Dárdai, 38, ist seit dem 18. September 2014 Nationaltrainer Ungarns - und seit Februar2015 auch Herthas Cheftrainer. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Pál Dárdai ist sowohl Trainer des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin als auch der ungarischen Nationalmannschaft.
  • Das Doppelengagement könnte zu Reibungsverlusten führen - eine pikante Note erfährt es am Freitagabend.
  • Dann trifft Dárdai mit der Hertha auf den Hamburger SV - und seinen künftigen Schützling aus Ungarns Nationalmannschaft, Zoltán Stieber.
  • Bislang kann Dárdai mit beiden Teams zumindest kleine Erfolge vorweisen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der eigentlich überaus freundliche Pal Dardai "kann auch richtig böse sein". Sagt jedenfalls Jürgen Röber, 61, der sich anmaßen kann, einiges über Dardai zu wissen. Fast fünf Jahre lang, von 1997 bis 2002, war Röber Dardais Trainer beim Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin, der wiederum Dardai kurz nach dem Rückrundenbeginn zum Cheftrainer ernannte.

Und dass Röber das erwähnt, hat nur den Hintergrund, die Lobeshymnen einzuschränken, die er sonst über seinen früheren Schüler loslässt, und die ihn offenbar befürchten lassen, es könne ein allzu sanftes Bild entstehen. Weil er nicht nur sagt, dass Dardai "fachlich gut" und "gradlinig" sei. Sondern auch "ein unglaublich gutes Herz" habe.

Wer übrigens aktuell wissen will, wie böse Dardai werden kann, der braucht ihn nur nach der kuriosen Konstellation seines derzeitigen Schaffens zu fragen. Er ist nicht nur Hertha-Trainer, sondern auch ungarischer Nationalcoach.

Pikante Pointe mit Zoltan Stieber

Eine pikante Pointe bekommt diese Doppelrolle am Freitagabend in Hamburg. Hertha BSC tritt nämlich beim HSV zum Abstiegsduell an - und dort spielt unter anderen auch der offensive Mittelfeldspieler Zoltan Stieber aus Ungarn, der drei der immerhin sieben Rückrundentreffer des HSV erzielt hat. Am Dienstag wurde Stieber für das EM-Qualifikationsspiel gegen Griechenland am 29. März in Budapest berufen.

Doch wenn man Dardai darauf anspricht, reagiert er gereizt: "Ich beschäftige mich damit Nullkommanull. Die Einladung hat der Co-Trainer rausgeschickt." Er habe in Ungarn "vierzehn tolle Mitarbeiter", die nach Maßgabe der bereits im Januar erstellten Planungen wirken. "Meine Arbeit beginnt am Montag", sagt Dardai ultimativ und schneidend.

Dass das Thema ungarische Nationalelf bei Dardai aktuell eine gereizte Reaktion hervorruft, ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Zwar hat es in der Vergangenheit immer wieder Beispiele von Fußball-Lehrern gegeben, die den Liga-Alltag bewältigen und zudem noch Dienst an einer Nationalelf leisten.

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In den siebziger Jahren war Rinus Michels beim FC Barcelona tätig und auch niederländischer Bondscoach; Guus Hiddink war ein paar Monate lang Coach beim FC Chelsea und in Russland. Und ehe Galatasaray Istanbul ihn feuerte, war auch der heutige türkische Nationalcoach Fatih Terim doppelt beschäftigt. Doch selbst bei so renommierten Fußball-Lehrern schwang immer auch die Skepsis mit, dass ein Doppel-Engagement zu Reibungsverlusten im Alltag führen könnten.

Das war auch das Argument, das der heutige FC-Chelsea-Trainer José Mourinho zu hören bekam, als ihm Real Madrids Vereinschef Florentino Pérez einst verbot, aushilfsweise Portugals Nationalmannschaft zu führen.

Bei Hertha BSC ist die Lage gewissermaßen noch dramatischer als in Madrid: Was verlangt schon völlige Fokussiertheit, wenn nicht die existenzielle Frage des Abstiegskampfes? Andererseits: Dass die Berliner nun etwas Mut schöpfen, liegt auch daran, dass Dardai hundertprozentige Identifikation und totalen Einsatz mit und für die Hertha verkörpert.

Nach dem Ende seiner Karriere blieb er in Berlin, seine drei Söhne spielen bei Hertha in der Jugend, er selbst war bis zu seiner Beförderung im Klub U15-Trainer. "Und er hat einen Bonus: Die Leute mögen ihn. Die haben nicht vergessen wie er gearbeitet hat als Spieler", sagt Röber, der immer noch in Berlin lebt - und nun auch nach Ungarn gute Drähte hat.

Erst vor wenigen Tagen verpflichtete der ungarische Verband MLSZ - nach einem Tipp von Dardai - Röbers früheren Assistenten Bernd Storck, 47, als Sportdirektor. Auch aus solchen Gesprächen weiß Röber, wie dramatisch es um den ungarischen Fußball bestellt ist.

Mit beiden Teams erzielt Dardai erste Erfolge

Er ist noch immer die Geisel einer erdrückenden Vergangenheit, der Klang der Namen der WM-Zweiten von 1938 und 1954 weckt deprimierende Nostalgie. Grosics, Hidegkuti, Lorant, Bozsik, Koksic, Czibor und erst recht Puskas werden auch heute noch von Kindern rezitiert wie ein Gedicht.

Zwar pumpt die Regierung Geld in den Bau von Stadien, unter anderem in Felcsut, dem Heimatdorf des umstrittenen Regierungschefs Viktor Orban, sowohl der dortige Erstligist (FC Puskas Akademia) wie auch das Stadion ("Pancho Arena") gemahnen an den legendären Stürmer, dem in Madrid der Spitzname "Pancho" gegeben worden war.

Doch zu Erstligaspielen kommen mitunter bloß 50 Unverdrossene, die Einschaltquoten im Staats-TV sind miserabel, die Profis gelten als überbezahlte Gierhälse, die sich selbst überschätzen. So gesehen befindet sich Dardai auf gleich zwei Ebenen im Abstiegskampf.

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In beiden Fällen hat er erste Erfolge erzielt. Sein Land führte Pal Dardai zu sieben Punkten aus drei Spielen (in Rumänien, auf den Färöern, gegen Finnland); und mit Hertha BSC holte er zuletzt fünf Punkte aus drei Spielen. Doch mit 26 Punkten ist Hertha nur Tabellen-14., drei Zähler von der Abstiegszone entfernt und nur einen Punkt vor dem Hamburger SV.

Ob er die Partie in der Hansestadt vielleicht als eine Revanche für die verlorene Olympiabewerbung Berlins sehe, wurde Dardai gefragt - er verneinte: "Unsere Situation ist immer noch schwierig genug. Mich interessieren nur die drei Punkte. Wir wollen in Hamburg gewinnen."

© SZ vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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