Hertha - Leverkusen:Favres ewiges Spiel

Hertha BSC setzt seinen Stil des hocheffizienten Defensivfußballs fort und gewinnt auch gegen Leverkusen mit einem Tor Unterschied. Doch selten hat ein Tabellenführer so langweiligen Fußball geboten.

Thomas Hummel

Diesmal tanzte Dieter Hoeneß nicht auf dem Spielfeld umher wie ein Zirkusbär aus dem Kaukasus. Nach dem 3:1 vor einer Woche in Cottbus sah man den Manager wie noch nie. Diesmal hüpfte Trainer Lucien Favre in der Mitte des Spielerfreudenkreises umher, für den Taktikliebhaber war es ein perfekter Sieg. Denn es war nicht einmal eine gute Leistung der Berliner vonnöten, um den zehnten Heimsieg hintereinander zu feiern. Gegen sehr schwache Leverkusener genügte dem Tabellenführer ein einziger zielstrebiger Angriff mit einem glücklichen Abschluss von Andrej Woronin zum 1:0-Sieg.

Hertha - Leverkusen: Acht Tore in sechs Spielen: Andrej Woronin führt seine Hertha weiterhin an die Spitze.

Acht Tore in sechs Spielen: Andrej Woronin führt seine Hertha weiterhin an die Spitze.

(Foto: Foto: AFP)

Die Berliner zeigten wieder einmal die von Favre eingeführte taktische Konsequenz und formidable Effizienz vor dem gegnerischen Tor. Das Erfolgsrezept in dieser Saison. Hertha liegt damit zehn Spieltage vor Schluss weiter mit vier Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze.

Vor dem Spiel hatten die Trainer Lucien Favre und Bruno Labbadia ihre Taktiken via Mikrofon bekannt gegeben. Und das ließ nicht Gutes erahnen. Zumindest für jene, die ein Fußballspiel deshalb mögen, weil zwei Mannschaften in erster Linie versuchen, den Ball in das gegnerische Tor unterzubringen.

Der Berliner Favre sagte: "Leverkusen ist eine Top-Mannschaft, sie kann jeden schlagen. Bei Balleroberung geht es extrem schnell nach vorne." Leverkusens Bruno Labbadia sagte: "Sie wollen, dass wir hinten rausrücken, um dann Räume zu bekommen. Wir wollen pressen, aber wir müssen auch sehr schnell in die Ordnung kommen."

Da schwang eine Menge Respekt mit. Und diesen Respekt schleppten beide Teams wie zentnerschwere Rucksäcke mit sich herum. Wenig Tempo, kein Risiko, die defensive Ordnung wurde auftragsgemäß beibehalten, um nur ja dem Gegner keinen Platz und Entfaltungsmöglichkeit zu verschaffen. Bei Hertha BSC kam das wenig überraschend, der Tabellenführer hat mit dieser Spielweise schon viele Gegner entnervt. Deshalb kam bei den Einheimischen unter den genau 58.753 auch so schnell keine schlechte Laune auf. Die Berliner Anhänger sangen trotz des sehr langweiligen Ball-hin-und-her-Geschiebes ohne Unterlass; Dauer-Support nennt sich das in der neuen Fansprache. Und womöglich hat sich das eine Mannschaft nach zuvor neun Heimsiegen in Folge auch verdient.

Schwegler statt Kroos

Doch bei Leverkusen überraschte das Vorgehen dann doch. Bekannt wurde die junge Mannschaft durch formidablen Offensivfußball, mit dem 4:2 gegen Bayern im Pokal-Viertelfinale als Höhepunkt. Doch in der Bundesliga hatte der Stil zuletzt keinen Erfolg mehr gebracht, von den vorangegangenen sieben Partien hatte Leverkusen nur eines gewonnen. Vermutlich verordnete Trainer Labbadia auch deshalb mehr Vorsicht, und brachte für den gesperrten Arturo Vidal den defensivstärkeren Pirmin Schwegler anstatt des Bayern-Leihspielers Toni Kroos.

Der Ball hielt sich dann wie geplant vornehmlich rund um die Mittellinie auf. Beide Klubs versperrten mit einer Unzahl an Verteidigerbeinen den Weg zum Strafraum, und wenn er doch einmal durchrutschte, umzingelten bis zu vier Abwehrspieler einen Stürmer. Da konnten auch die verbrieft treffsicheren Andrej Woronin bei Berlin (sieben Tore in fünf Rückrunden-Spielen) und Patrick Helmes (fünf Treffer in der Rückrunde) zunächst überhaupt nichts ausrichten.

Die einzigen Möglichkeiten ergaben sich vor der Pause aus Standardsituationen: Zuerst verlängerte Hertha-Verteidiger Rodnei einen Freistoß mit der Schulter, dann köpfte Bayer-Stürmer Stefan Kießling nach einer Ecke. Beide Versuche landeten knapp neben dem Pfosten. Und einmal hatte Hertha Glück, als Schiedsrichter Babak Rafati ein Handspiel von Rodnei im Strafraum nicht als ahnenswürdig bewertete.

Wie gemalt für die Berliner

Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, sagte zur Pause bei Premiere: "Beide Mannschaften spielen abwartend, gehen kein Risiko." Berlins ehemaliger Trainer Falko Götz meinte: "Sie wollen nicht zu viel riskieren." Viele Menschen hätten wohl geklagt, dass da im kühlen Olympiastadion einem vom Zusehen die Füße einschlafen.

Der Spielverlauf war demnach wie gemalt für die Berliner. Die nehmen in dieser Saison stets dem Gegner den Spaß am Fußball und zeigen vorne eine enorme Effizienz beim Torabschluss. Jeder dritte Schuss landet im Netz. Nach Rodneis Kopfball versuchte sich Sekunden nach der Pause Raffael, der zufällig im Strafraum an den Ball kam und an Bayer-Torwart Rene Adler scheiterte. Hieß: Der nächste Schuss ist drin. Und so kam es auch.

Kurz darauf verlor Gonzalo Castro den Ball 20 Meter vor dem Tor, und dann ging es schnell. Woronin auf Maximilian Nicu, Nicu auf Woronin, Adler hält noch den Fuß dazwischen, von dort prallt er allerdings an die Schulter des Berliner Stürmers: 1:0 (50.).

Es folgte ein ideales Videomaterial für all diejenigen, die noch nicht wissen, warum Hertha BSC Berlin in dieser Saison so viele Punkte holt. Die Innenverteidigung Josip Simunic und Arne Friedrich räumt derzeit wie keine andere in der Liga die Bälle aus dem eigenen Strafraum und bekämpft wirkungsvoll die gegnerischen Angreifer. Davor wieselt ein Mittelfeld mit Pal Dardai, Cicero, Nicu und Patrick Ebert umher, das diesmal den hoch begabten Leverkusenern die Freude am Kombinieren nahm. Ausnahmekönner Renato Augusto zeigte sein schlechtestes Saisonspiel, Tranquillo Barnetta, Stefan Kießling oder Castro wirkten zunehmend lustlos. Als wenn sie den Zeitpunkt erwarteten, endlich diesen Rasen mit diesen sehr ungemütlichen blau-weißen Gegnern wieder verlassen zu dürfen.

Ästheten gähnen weiter

Weil sie sich auf ihre sichere Defensive verließen, taten die Berliner auch selbst weiterhin nur das Nötigste für die Offensive. Und so war das Spiel nach dem 1:0 das gleiche wie vor dem 1:0: für Fußballästheten gähnend langweilig, für Fußball-Taktikfreunde auch nur mittelmäßig interessant, weil vor allem Leverkusen fast keine Ideen nach vorne zeigte. Nur einmal blitzte Augustos Glanz auf, sein Pass erreichte zum ersten Mal Helmes, der den Ball ans Außennetz knallte (82.).

Da hatte der Stadionsprecher die Zuschauer schon aufgefordert, jetzt noch einmal "richtig abzufeiern". Etwa zehn Minuten vor Schluss schienen sich die Berliner sicher zu sein, diesen Spiel wie zuletzt so viele Spiele irgendwie über die Zeit zu bringen. Und als der inzwischen eingewechselte Toni Kroos nach 84 Minuten einen Freistoß aus 20 Metern weit über den Querbalken setzte, breitete Simunic die Arme weit aus, als wollte er schon bekannt geben, dass nun alles klar sei.

Und es war ja alles klar. Zum elften Mal gewann Hertha BSC Berlin mit einem Tor Unterschied. Es schien, als hätte es an diesem Nachmittag nichts selbstverständlicheres geben können.

Den Respekt vor dem Gegner übrigens nahmen die Trainer mit nach Hause: "Wir sind sehr zufrieden mit dem 1:0 gegen Leverkusen, eine der besten Mannschaften in Deutschland", sagte Favre. Und Labbadia: "Glückwunsch an Hertha. Mit so einer Ruhe kann man deutscher Meister werden. Die Qualität von Hertha ist, dass sie auch bei weniger Ballbesitz gefährlich sind."

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