Hertha BSC:"Sollen sie mich hassen!"

Lesezeit: 2 min

Nach dem 1:1 gegen Wolfsburg sucht Hertha-Trainer Dardai bewusst die Konfrontation mit den Referees.

Von JAVIER CÁCERES, Berlin

"Manchmal ist Fußball einfach, manchmal ist Fußball schwer, und genau deshalb ist er die Droge, die wir haben wollen": Das sagte Per Skjelbred, der defensive Mittelfeldspieler der Berliner Hertha, nachdem seine Mannschaft am Samstag gegen den VfL Wolfsburg 1:1 gespielt hatte. In der Tat wirft die Hertha in diesem Jahr Rätsel auf. Aber es sieht stark so aus, dass ihr allmählich die Leichtigkeit abhandenkommt, die sie im zweiten Halbjahr 2015 gezeigt hatte: In den fünf Bundesligaspielen seit Rückrundenbeginn hat sie nicht einmal gewonnen.

Von einem "richtungweisenden Spiel" hatte Herthas Trainer Pal Dardai vor der Visite des Pokalsiegers gesprochen. Als das Unentschieden feststand, sagte er: "Insgesamt bin ich zufrieden." Ein verbales Scharmützel mit seinem Kollegen Dieter Hecking befriedete der Ungar rasch. Nur über den Schiedsrichter ärgerte sich Dardai. Sein Stürmer Vedad Ibisevic sah nach nur einem Foul Gelb, bekam aber kaum einen Freistoß zugesprochen. Dardai witterte dahinter Voreingenommenheit: "Langsam kann ich das nicht mehr akzeptieren, das ärgert mich tierisch", sagte er. Und: Es sei ihm einerlei, ob der Schelte den geballten Unmut der Schiedsrichter nach sich zieht. "Sollen sie mich hassen!", rief Dardai.

Trainer Pal Dardai ärgert sich über die Unparteiischen. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Auch Manager Michael Preetz fand die Schiedsrichterleistung unangemessen - und lobte das eigene Team in ähnlichem Duktus wie Dardai. Man habe neuerlich unter Beweis gestellt, dass man sich "spielerisch verbessert" habe, sagte Preetz; wie gegen Borussia Dortmund habe man gegen ein international gestähltes Team eine "Klasseleistung" geboten: "Die Spieler nehmen etwas mit aus den Duellen gegen die Topklubs, in der Hinrunde haben wir die noch verloren. Jetzt haben wir einmal mehr gesehen, dass es möglich ist, solche Topmannschaften zu bezwingen. Dass wir Unentschieden gespielt haben, finde ich am Ende gar nicht schlimm."

Zumal die Hertha nach einem Rückstand zurückkam: Herthas Top-Torjäger Salomon Kalou (60.) glich die Führung durch Marcel Schäfer (53.) nahezu umgehend aus. Dabei hatte der Trainer seinen wichtigen Offensivmann nach einer gerade erst ausgeheilten Muskelverletzung eigentlich gar nicht einsetzen wollen, um keine noch längeren Ausfallzeiten zu riskieren. "Salomon hat gespielt, weil Doktor und Physios es gesagt haben", verriet Dardai: "Zum Glück, sonst würden wir jetzt hier sitzen und heulen."

Wichtiges Tor: Berlins Salomon Kalou (M.) besorgt den 1:1-Ausgleich für die Hertha gegen Wolfsburg. (Foto: Michael Sohn/AP)

In der emotionalen Schlussphase hatte Wolfsburg zwar durch Schäfer und Vieirinha noch gute Chancen, Herthas Torwart Rune Jarstein vereitelte sie. Im Lichte der ersten Halbzeit aber, in der die Wolfsburger langsam waren und nur destruktiv agierten, wäre ein Sieg unangebracht gewesen. Nun blicken die Niedersachsen dem "einfachsten Spiel der Saison" entgegen, wie Schäfer scherzte: Am Samstag gastiert Spitzenreiter Bayern München am Mittellandkanal.

Die Hertha muss am Freitag nach Köln - zu einer Partie, die noch eher der Kategorie "richtungweisend" angehören dürfte als das Spiel gegen den VfL. Noch spielt der Hauptstadt-Klub um die internationalen Plätze. Und angesichts der zersplitterten Konkurrenz und des Restprogramms (Reisen nach Hamburg, Mönchengladbach, Hoffenheim, Leverkusen, Darmstadt; Heimspiele gegen Frankfurt, Schalke, Ingolstadt, Hannover, Bayern und Mainz) ist nicht gesagt, dass er den Sinkflug einleiten muss. Zwar bleibt die Frage, wie lange sie ihren physisch anspruchsvollen Stil pflegen kann. Da aber die vergangene Saison, als sie den Abstieg nur knapp und trotz schlechten Fußballs verhinderte, das einzig legitime Maß für die Gegenwart bleibt, kann sich Hertha in einer frappierenden Sicherheit wiegen. Sie lautet: Es muss sehr viel schief gehen, um im Sommer nicht auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken zu können.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: