Hertha BSC:Berliner Brustdebatte

Hertha BSC - Fototermin

Noch ohne den obligatorischen Werbepartner auf dem Trikot: Die Fußballer von Hertha BSC beim Mannschaftsfoto im Juli.

(Foto: Soeren Stache/dpa)

Hertha BSC stellt einen Wettanbieter als Sponsor vor - rechtliche Probleme fürchten beide Seiten nicht.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der Berliner Fußball-Bundesligist Hertha BSC hatte am Donnerstag in noble Umgebung geladen, auf die Dachterrasse eines Privatklubs, in dem Menschen aus begüterten Schichten gerne "netzwerken", wie es so schön heißt. Der Grund: Es sollte endlich der neue Trikotsponsor offiziell vorgestellt werden - unter den 18 Erstligisten war Hertha bis dahin aktuell der einzige Verein mit blanker Brust. Die Überraschung über das Logo, das nun künftig das blau-weiße Leibchen der Berliner ziert, hielt sich insofern in Grenzen, als schon seit geraumer Zeit Gewissheit bestand, dass Hertha mit einem neuen Partner eine Einigung erzielt hatte: dem privaten Sportwettenanbieter "bet-at-home.com". Der Vertrag sei auf vorerst drei Jahre angelegt, hieß es, dem Vernehmen nach wird Hertha im Bundesliga-Sponsoren-Ranking ins gesicherte Mittelfeld vorrücken, in Medien ist von bis zu sechs Millionen Euro jährlich die Rede. Bemerkenswert ist der Deal allemal: Denn es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass sich ein privater Wettanbieter wieder auf die Brust eines Fußball-Erstligisten wagt.

In Deutschland ist eine bizarre Rechtslage entstanden

Vor knapp zehn Jahren hatte ein Konkurrenzunternehmen (b-win) von Herthas Werbepartner versucht, Werder Bremen und 1860 München zu fördern. Und sich dabei eine derart blutige Nase geholt, dass man danach von solch prominent platzierter Werbung wieder Abstand nahm. Der Grund: Weil damals noch ein staatliches Wettmonopol existierte, gingen die deutschen Behörden rigoros gegen Partnerschaften von Profiklubs und privaten Wettanbietern vor - und erließen Unterlassungsverfügungen, trieben Zwangsgelder ein oder stellten Testspiel-Auftritte von ausländischen Top-Mannschaften wie Real Madrid und AC Mailand in Deutschland infrage, weil diese ebenfalls Sponsorenverträge mit Online-Wettbüros abgeschlossen hatten.

Seit jenen Tagen hat sich - nicht zuletzt auf Betreiben der Europäischen Kommission in Brüssel - die Gesetzeslage massiv gewandelt. 2011 wurde der Glücksspielstaatsvertrag geändert, der Wettspielmarkt sollte liberalisiert werden. Private Unternehmen sollten sich um eine von insgesamt 20 Konzessionen bewerben. Das Vergabe-Verfahren war dann aber derart stümperhaft verfasst, dass nahezu alle Betroffenen unglücklich bis entsetzt waren - unter anderem die EU-Kommission, weil ihr die neuen deutschen Regeln nicht liberal genug waren.

Zu allem Überfluss ist in Deutschland eine bizarre Rechtslage entstanden, die Branchenkenner als ein "europaweit einzigartiges Chaos" bezeichnen - und die privaten Wettanbieter deshalb verärgert, weil sie sich weiterhin in einer rechtlichen Grauzone bewegen und damit gegenüber dem Kunden als unseriös erscheinen. Der Grund: Weil das Vergabeverfahren durch Klagen vorerst blockiert ist - also bisher (noch) keine Konzessionen vergeben worden sind -, agieren private Sportwettanbieter derzeit "formell illegal". So formuliert es das Hessische Innenministerium, das für das Konzessionsverfahren zuständig ist: "Diese formelle Illegalität wird allerdings von den Glücksspielaufsichtsbehörden nicht geahndet, sofern sich die privaten Glücksspielanbieter noch im Konzessionsverfahren befindet." Sprich: Eine Wettfirma, die eine Erlaubnis beantragt hat, kann davon ausgehen, legal zu handeln.

Letzteres gilt zum Beispiel für Herthas neuen Trikot-Werbepartner, er hält den Deal für wasserdich: "Wir haben das rechtlich prüfen lassen", versichert Michael Gierke, der Marketing-Direktor von Bet-at-home, dessen Hauptsitz in Linz (Österreich) liegt. Weil das Europarecht Sportwetten eindeutig zulasse, sei auch kein Szenario denkbar, das einen Rückfall in das Werbeverbot bedeuten könnte. Diese Einschätzung teilt auch Herthas Geschäftsführer Ingo Schiller "zu hundert Prozent".

Jenseits davon sagte Gierke, wolle sein Unternehmen auch an Bord bleiben, wenn Hertha sich wieder einmal aus der Erstklassigkeit verabschieden sollte. In der vergangenen Spielzeit war Berlin nur Tabellen-15., der Sturz auf den Relegationsplatz wurde lediglich aufgrund des besseren Torverhältnisses gegenüber dem Hamburger SV vermieden. "Wir haben keinen Vertrag abgeschlossen, um uns aus dem Staub zu machen, wenn die Zeiten schwierig werden. Der Vertrag gilt auch für ein Jahr in der zweiten Liga", sagte Gierke. Ob man größere Beträge auf Herthas Klassenerhalt setzen sollte, ist tatsächlich eine spannende Frage. Herthas Manager Michael Preetz erklärte, dass die Sponsor-Einnahmen "nicht in neue Spieler" investiert werden. Dabei gilt es stadtweit als Konsens, dass Hertha dringend Verstärkungsbedarf hat - vor allem im Sturm.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: