Fußball-Bundesliga:Die Lahm-Alonso-Lücke des FC Bayern

20 Mai 2017 Muenchen Allianz Arena Fussball 1 Bundesliga 34 Spieltag FC Bayern Muenchen SC; Lahm Alonso

Bayerisch-Baskisches Duo: Philipp Lahm und Xabi Alonso.

(Foto: imago/photoarena/Eisenhuth)
  • Vor fünf Monaten war der FC Bayern noch in der Lage, Real Madrid zu schlagen - nun geht er in Paris unter.
  • Das hat auch viel mit dem Abgang von Philipp Lahm und Xabi Alonso zu tun. Trainer Carlo Ancelotti hat die Lücke, die sie hinterlassen haben, nicht geschlossen.
  • Der neue Trainer muss die Hierarchie in der Mannschaft wieder ordnen.

Von Martin Schneider

Es mag Zufall sein, dass Xabi Alonso und Philipp Lahm gerade in diesen Zeiten wieder in den Sphären des FC Bayern auftauchen. Alonso saß letzte Woche beim 0:3 gegen Paris Saint-Germain auf der Tribüne, er unterhielt sich mit dem Ex-Bayern-Spieler Bixente Lizarazu und dem Ex-Bayern-Feierbiest Louis van Gaal. Außerdem besuchte er die Mannschaft vor dem Paris-Spiel. Man weiß das, weil der Spieler Thiago ein Bild davon auf Instagram gepostet hat. Darauf zu sehen ist unter anderem die komplette spanischsprachige Fraktion der Münchner: Neben Thiago auch Javi Martínez, Arturo Vidal und James Rodríguez.

Und Philipp Lahm? Nun, der hat die Mannschaft nicht besucht, jedenfalls gibt es kein Instagram-Bild davon. Aber er hat am vergangenen Donnerstag dem Portal Business Insider ein Interview gegeben. Er wurde gefragt, welche Sache er im Management des FC Bayern ändern würde, und Lahm meinte: "Ich würde definitiv etwas ändern." Zumindest die Antwort war wohl kein Zufall.

An diesem Sonntag spielt der FC Bayern in der Bundesliga gegen Hertha BSC, mit dem Interimstrainer Willy Sagnol auf der Bank, weil der bisherige Trainer Carlo Ancelotti gefeuert wurde - so früh in der Saison wie noch kein anderer Coach in der Geschichte dieses Klubs. Das erscheint nach dem 0:3 gegen Paris und den anderen atmosphärischen Störungen nicht so ungewöhnlich. Es erscheint aber durchaus ungewöhnlich, wenn man den Bewertungs-Zeitrahmen ein bisschen weiter steckt. Auf fünf Monate zum Beispiel.

Da war April, und der FC Bayern spielte im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid. Real Madrid kam weiter, die Vorstandsetage entschied sich, die Schuld beim Schiedsrichter zu suchen, aber die allgemein akzeptierte Analyse war eher: Wenn sich Mats Hummels und Robert Lewandowski nicht vorab verletzt hätten, dann hätte der FC Bayern diese Mannschaft, die später den Titel verteidigen sollte, wahrscheinlich geschlagen. Trainer dieses FC Bayern, der damals offenbar potenziell in der Lage war, die Champions League zu gewinnen, war übrigens: Carlo Ancelotti.

In der Hierarchie klafft ein Loch in der Größe der Theresienwiese

Was ist also in diesen fünf Monaten passiert? Philipp Lahm und Xabi Alonso sind nicht mehr Teil dieser Mannschaft, und der Abgang hat offenbar ein Loch in der Größe der Theresienwiese ins Gefüge der Mannschaft gerissen. Sportlich und in der Hierarchie.

Sportlich war es so, dass Alonso und Lahm zwei Spieler waren, die das Spiel verstanden haben. Sie wussten, wann man was tun muss, und vor allem auch, wann man was zu unterlassen hat. Es gibt ja nicht nur die Aktionen, die man macht, sondern auch die, die man bewusst nicht macht. Philipp Lahm hat das als Rechtsverteidiger vor allem über Laufwege und Stellungsspiel getan, Xabi Alonso im Zentrum mit seinen Pässen. In guten Spielen waren sie die rechte und linke Gehirnhälfte des FC Bayern. Taktische Kompetenz auf dem Spielfeld wird vor allem dann wichtig, wenn an der Seitenlinie kein Pep Guardiola steht, der in der Vorbesprechung auch mal die schwache Seite des SC Paderborn ansprach, sondern eben Carlo Ancelotti, der eher ein Freund davon war, seine Spieler auch mal machen zu lassen.

Auf Philipp Lahms Position spielt nun der von Ancelotti lange verschmähte Joshua Kimmich, der dieses unmögliche Erbe so gut annimmt, wie man es sich als Trainer nur wünschen kann. Auf Alonsos Position teilen sich vier Spieler (Thiago, Vidal, Sebastian Rudy und Corentin Tolisso) die Aufgabe, den Maestro zu ersetzen, was schon eher zum Problem wird.

Laut Uli Hoeneß rebellierten fünf Spieler gegen Ancelotti

Uli Hoeneß sagte am Donnerstag, dass der ausschlaggebende Grund für Ancelottis Rauswurf die offene Rebellion von fünf Spielern war (mutmaßlich Thomas Müller, Mats Hummels, Franck Ribéry, Arjen Robben und Jérôme Boateng). Gleichzeitig fiel die spanischsprachige Fraktion des FC Bayern dadurch auf, dass sie sich in den sozialen Netzwerken (und zum Teil auch auf dem Balkon des Trainingszentrums) herzlich von Ancelotti verabschiedet haben (Thiago, Vidal, Martínez plus der polnische Stürmer Lewandowski). Der Rest schweigt wirklich sehr laut. Da erscheint der Gedanke nicht so abwegig, dass das baskisch-bayerische Chef-Duo Alonso und Lahm diese beiden Fraktionen in der vergangenen Saison noch auf das gemeinsame Ziel "Champions League" einschwören konnte. Und dass die beiden der Mannschaft jetzt auch mit ihrer weltmeisterlichen Autorität fehlen, als Vermittler. Dass der neue Kapitän Manuel Neuer in der Phase der Neuordnung verletzt ausfiel, wird auch nicht unbedingt geholfen haben.

Eine schlechte Nachricht für den FC Bayern ist, dass es kein Szenario gibt, in dem Lahm und Alonso wieder auf den Platz zurückkehren (dass Philipp Lahm administrativ zurückkehrt, als Sportvorstand, hat die aktuelle Führungsetage vorerst abgelehnt). Eine andere schlechte Nachricht ist, dass der FC Bayern ja relativ lange wusste, dass die beiden nicht ewig spielen werden - der erste Nachfolge-Anlauf aber scheiterte. Auch das hat den Trainer Ancelotti den Job gekostet. Der neue Trainer wird nun einen zweiten Anlauf nehmen müssen, die Lahm-Alonso-Lücke zu schließen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: