Hertha - Augsburg:Elf Fremde in Berlin

Hertha BSC - FC Augsburg

Mit Wucht ins Eck: John Anthony Brooks (Nummer 25) erzielt per Flugkopfball das 1:0 für Hertha BSC.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

0:2 bei Hertha BSC: Der FC Augsburg hat ein Verteidigungsproblem, ein Punkteproblem - und bald vielleicht auch ein Abstiegsproblem.

Von Sebastian Fischer, Berlin

Sie waren alle da, im eigenen Strafraum, immerhin. Man konnte den elf Augsburger Fußballern am Sonntagnachmittag also nicht vorwerfen, dass sie den Ausflug in die Hauptstadt dafür genutzt hätten, sich von der Gruppe abzusetzen, um sich zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld zu sonnen. Es gibt ja schönere Beschäftigungen, als zum dritten Mal innerhalb von einer Woche ein Fußballspiel zu verlieren.

Sie standen also alle dort, in dieser symptomatischen Szene nach zwölf Minuten, bei einem Eckball für Hertha BSC - um zu verteidigen. Doch sie standen alle falsch. Zunächst kam der Berliner Salomon Kalou frei zum Kopfball, im zweiten Versuch durfte Valentin Stocker in aller Ruhe schießen. Und John Anthony Brooks, der den Ball schließlich per Kopf zum Führungstreffer für Hertha ins Tor verlängerte, wurde dabei auch nicht gestört. Die Augsburger, sie sahen sich an wie elf Fremde, die jemand dazu gezwungen hat, gemeinsam Fußball zu spielen.

Der FC Augsburg, das zeigte dieses 0:1 anschaulich, hat ein Abwehrproblem. 26 Gegentore in der Rückrunde sind die meisten aller Bundesligisten. Daraus ergibt sich ein Punkteproblem, der FCA verlor in Berlin 0:2 (0:2). Und daraus wiederum ergibt sich womöglich ein Abstiegsproblem. Sechs Spieltage vor Saisonende hängt der Klub, der vor einem Jahr noch im Europapokal gegen Liverpool spielte, auf dem Relegationsplatz fest.

Es ist nicht so, dass Manuel Baum, der junge Augsburger Trainer, das nicht erkannt hat. Er hat zuletzt vehement defensive Stabilität von seiner Mannschaft eingefordert. Und für die Begegnung mit der Hertha tauschte er das Personal seiner Abwehr: für den gelbgesperrten Martin Hinteregger spielte Christoph Janker, daneben verteidigte Kevin Danso anstelle von Gojko Kacar zentral. Paul Verhaegh, eigentlich ein offensiver Rechtsverteidiger, rückte nach hinten. Und mit Philipp Max auf der linken Seite ergab das eine Vierer- anstatt der zuletzt gescheiterten Dreierkette.

Das Unglückliche an diesem Plan war, dass er nicht funktionierte. Die Hilflosigkeit bei der Entstehung des ersten Gegentores war ja kein Einzelfall. Die Augsburger verweigerten nahezu jegliche Bereitschaft, Zweikämpfe zu gewinnen. Nach 37 Minuten war der Torwart Marwin Hitz erneut chancenlos, nachdem sich Vedad Ibisevic an zwei Augsburgern vorbeigewurschtelt und Kalou mit einem Steilpass geschickt hatte. Der legte quer auf Stocker - das 0:2. "Das, was wir in der ersten Halbzeit gezeigt haben, ist einfach zu wenig", sagte Trainer Baum. Torwart Hitz wurde noch etwas deutlicher. "Wir brauchen einen kompletten Neustart", sagte der: "Alles, was wir versucht haben, hat nicht annähernd Früchte getragen."

Baum hatte sich zwar auch für das Spiel nach vorne etwas überlegt, doch das ging schon vor dem Anpfiff schief. Ursprünglich sollte Raúl Bobadilla stürmen, aber der Paraguayer, in schwierigen Phasen stets ein verlässlicher Arbeiter, zog sich beim Aufwärmen eine Verletzung an der Wade zu. An seiner Stelle spielte Alfred Finnbogason in der Spitze. Der Isländer, zuletzt fast ein halbes Jahr aufgrund einer Schambeinentzündung ohne Spielpraxis, ist weit entfernt von seiner Bestform.

Die Berliner unterstrichen ihre Europapokal-Ambitionen - ohne große Anstrengung

Und so wirkte die Augsburger Taktik nicht gerade zielführend, sondern eher so, als würden sich die Spieler auf dem Platz selbst fragen, wer Verantwortung übernehmen könnte: Irgendwer? Das System, eine Art 4-1-4-1, sah oft aus wie ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte; eine Formation, die man sonst nur von den Dehnübungen vor dem Spiel kennt. Der einsame Mann im Zentrum war Ja-Cheol Koo. Dominik Kohr, der ihm beim Spielaufbau helfen sollte, fiel in Berlin eher als Fußballer auf, der sich exzellent auf das Foulen anderer Fußballer versteht.

"Man merkt uns an, dass alles schwerfällt", sagte Hitz.

Augsburg wurde zwar ein wenig besser in der zweiten Halbzeit, Finnbogason hatte sogar eine Torchance, die er vergab. Doch es blieb für die Berliner ein entspannter Nachmittag, an dem sie ihre Ambitionen auf einen Europapokalplatz unterstrichen.

Und der FC Augsburg? Als hätte es ein Symbol für die missliche Lage des Klubs gebraucht, hatten die Fans eine Zaunfahne in die Hauptstadt mitgebracht, auf der sie die Vereinsfarben rot, grün und weiß priesen. Doch ihr Team läuft auswärts in grellgelben Trikots auf. Und so spielten die Augsburger Fußballer in Berlin nicht nur so, sie sahen auch noch aus wie eine Mannschaft, die gerade nicht das verkörpert, was sie in Augsburg von ihrer Mannschaft eigentlich erwarten.

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