Heikles Spiel in Griechenland:Gastfeindschaft

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Das Gastspiel der Schalker im Jahr 2013 bei Paok Saloniki: Mancher Vereinsvertreter wünscht sich wieder ein Geisterspiel. (Foto: Vladimir Rys/Getty Images)

Schalkes Europa-League-Reise zu Paok Saloniki weckt Sorgen. Eine individuelle Anreise der Fans zum Stadion ist verboten.

Von Philipp Selldorf

Das letztmalige Europacup-Treffen zwischen Paok Saloniki und Schalke 04 vor dreieinhalb Jahren im Toumba-Stadion war ein sogenanntes Geisterspiel, die Uefa hatte den griechischen Klub wegen Fan-Ausschreitungen mit Publikumsentzug bestraft. Dennoch sahen sich die mitgereisten deutschen Journalisten während der Partie heftigen Anfeindungen und Beschimpfungen ausgesetzt - durch ihre griechischen Kollegen. Diese nahmen auch sonst auf erstaunliche Art Anteil am Spielgeschehen, aus dem Schalke als 3:2-Sieger und Champions-League- Qualifikant hervorging. Immerhin verzichteten die leidenschaftlichen Berichterstatter auf das ortsübliche Abbrennen von Feuerwerkskörpern.

Nun gibt es in der nordgriechischen Hafenstadt ein Wiedersehen, die Bühne ist diesmal die Europa League, und die Tribünen im Toumba werden inklusive Gästeblock wieder voll sein, mindestens 1400 Schalker werden sich unter den 27 000 Zuschauern befinden. Doch mancher Vereinsvertreter wünscht sich wieder ein Geisterspiel. Nicht aus Ehrfurcht vor dem berühmten Enthusiasmus der einheimischen Anhänger, sondern aus Angst vor Aggressionen und Übergriffen. Die ohnehin angespannte Sicherheitslage wird durch politische Aspekte noch komplizierter. Eine Fan-Freundschaft der Schalker Ultras mit Anhängern eines Klubs aus der Hauptstadt des nicht genehmen griechischen Nachbarn Mazedonien schafft zusätzliche Probleme. Auch das Rückspiel am kommenden Mittwoch ordnet Gelsenkirchens Polizeipräsidentin daher als "Hochbrisanz-Spiel" ein.

Eine individuelle Anreise zum Stadion ist nicht erlaubt

Mit einer lustigen Auswärtstour für fröhliche Fußballfreunde hat die Reise nach Saloniki offenkundig wenig gemein, die Fans des Bundesligisten werden sich weitreichenden Auflagen fügen müssen. So untersagt die griechische Polizei den Besuchern die Anreise zum Stadion in eigener Regie. Die Behörden haben einen Ort am Rande der Altstadt als zentralen Treffpunkt bestimmt, von dort fahren Busse zum Stadion. Die Eintrittskarten sind personalisiert, es gibt Kontrollen beim Einstieg in den Bus und am Zugang zum Stadion. Nach dem Abpfiff werden die Gäste bis zum Rücktransport mindestens eine Stunde in ihrem Block verbleiben müssen.

Auch für den Aufenthalt in der Stadt gibt es mahnende Empfehlungen. "Grundsätzlich sollten S04-Fans in Thessaloniki zurückhaltend auftreten. Es empfiehlt sich, auf jegliche S04-Fanartikel zu verzichten und nicht als größere Gruppe aufzutreten", teilt der Verein mit. Schalke schickt außer Fan- und Sicherheitsbeauftragten auch doppelt so viele Security-Mitarbeiter wie üblich nach Saloniki (zehn), die Gelsenkirchener Polizei entsendet Beamte, die mit der Fan-Szene vertraut sind. Paok-Fans seien nicht für ihre Gastfreundlichkeit bekannt, heißt es, die Stimmung sei wegen der Vorfälle während der Partien im August 2013 zusätzlich aufgeladen.

Schalkes Polizei will eine Fahne sichern - 87 Verletzte

Beim Hinspiel in Gelsenkirchen (1:1) hatte eine Hundertschaft der Polizei den Schalker Fanblock gestürmt, um eine am Zaun angebrachte Fahne zu entfernen. Diese Flagge hatten Schalker Ultras als Ausdruck ihrer Freundschaft mit den Anhängern des mazedonischen Klubs Vardar Skopje aufgehängt, sie zeigte das ehemalige mazedonische Nationalemblem "Stern von Vergina", was im 2000 Mann starken Paok-Fanblock patriotischen Eifer hervorrief. Die Nachbarländer Mazedonien und Griechenland streiten seit vielen Jahren erbittert um Namens- und Nationalitätsrechte - auch um den "Stern von Vergina".

In der Schalker Arena fürchtete die Polizei daher einen Aufstand der griechischen Fans und einen Platzsturm - weshalb sie ihrerseits zur Sicherung der Fahne vorbeugend den Schalker Fanblock stürmte. Ergebnis: 87 Verletzte, eine Frau schwebte nach Atemstillstand in Lebensgefahr. Zwischen Schalke 04 und dem NRW-Innenministerium gab es wegen der Bewertung und der Folgen dieses Vorgehens über Jahre hinweg erhebliche Dissonanzen.

In Saloniki werden die Schalker Ultras ihre nur 240 Kilometer entfernt lebenden mazedonischen Freunde nicht antreffen. Mazedonische Staatsangehörige sind grundsätzlich vom Stadionzugang ausgeschlossen. Schalker Fan-Gruppen kritisieren diesen Erlass als "rassistisch" und fordern ihren Verein auf, Einspruch einzulegen. Doch dort sorgt man sich vor allem, dass sich einzelne Anhänger zu symbolischen Handlungen mit gefährlichen Folgen berufen fühlen könnten.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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