DFB-Pokal:Heidenheim klingt für viele nach Hinterlandfußball

1. FC Heidenheim - Frank Schmidt

Trainer Frank Schmidt gitb seit 2007 die Richtung in Heidenheim vor.

(Foto: dpa)
  • Der Heidenheimer Trainer Frank Schmidt warf schon 1994 als Spieler den FC Bayern aus dem Pokal.
  • Die Heidenheimer trauen sich durchaus zu, nun auch den Final-Traum der Berliner zu beenden.
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Von Christof Kneer, Heidenheim

Wie viele seiner Spieler wohl wissen, dass ihr Trainer mal ein Pokalheld war? Frank Schmidt hat noch nie darüber nachgedacht, er muss ein bisschen überlegen, und dann sagt er: "Keine Ahnung. Vielleicht die Hälfte?" Frank Schmidt kann damit leben, dass diese Frage offen bleibt, er wird deshalb keine empirische Untersuchung in der Spielerkabine starten. Die Spieler des 1.FC Heidenheim werden gegen Hertha BSC nicht anders spielen, nur weil ihr Trainer am 14. August 1994 mal Jean-Pierre Papin ausgeschaltet hat. Papin hat keinen Stich gemacht, wie man so sagt, und kurz vor Schluss ist er leicht ramponiert vom Feld gehumpelt. "Es war ein harter, aber natürlich fairer Zweikampf", sagt Schmidt und grinst.

Der Spieler Frank Schmidt kommt heute noch manchmal im Fernsehen, man sieht ihn immer dann, wenn die Sender aus gegebenem Anlass mal wieder die antiken Bilder aus dem Antiquariat holen. Das Wort "Vestenbergsgreuth" ist inzwischen ja ein behördlich beglaubigtes Synonym für "Pokalsensation", am 14. August 1994 bezwang der damalige Drittligist den FC Bayern mit 1:0. Schmidt kriegt die Aufstellung der Bayern noch fast hin, Kahn im Tor fällt ihm ein, Matthäus, Babbel und Helmer in der Abwehr, er erinnert sich an Scholl und Nerlinger, an Papin und Adolfo Valencia, den legendären "El Tren".

Auf den alten Bildern sieht man, dass Schmidt, der Abwehrchef, der erste beim Jubeln war, er war schneller beim Siegtorschützen Roland Stein als die Kollegen. "Ich weiß auch nicht mehr, warum ich so weit vorne stand", sagt er, "als Coach würde ich heute wahrscheinlich schimpfen, wenn ein Abwehrspieler taktisch so undiszipliniert ist."

Die Heidenheimer fühlen sich nicht "als Geschenk" für die Hertha

Schmidt, 42, geboren in Heidenheim an der Brenz, ist heute Trainer in Heidenheim an der Brenz, bei jenem württembergischen Zweitligisten, der im Viertelfinal-Tableau des aktuellen DFB-Pokals so eine Art Vestenbergsgreuth ist. Heidenheim ist der kleinste Name im Topf, er klingt für viele noch nach Hinterlandfußball, und so hat sich Pal Dardai, der Coach von Hertha BSC, nach der vom Handballtorwart Carsten Lichtlein vollzogenen Auslosung zu einem Satz hinreißen lassen, den sie in Heidenheim gerade mit einigem Genuss zitieren.

"Mit dem nächsten Gegner Heidenheim hat uns Carsten Lichtlein noch ein schönes Geschenk gemacht", sagte Dardai kurz vor Weihnachten. Mit so einer Aussage könne man "eine Mannschaft schon kitzeln", sagt Frank Schmidt, "ich glaube nicht, dass meine Spieler sich als Geschenk fühlen."

Der 1. FC Heidenheim, Zweitligist im zweiten Jahr, ist jetzt jener Klub, der es wieder tun kann. Irgendein Klub hat sich bisher ja in jedem Jahr gefunden, der die Berliner rausschmeißt, bevor sie das Pokalfinale in der eigenen Stadt erreichen. Im Moment ist die Hertha allerdings kein Gegner, den man gerne hat, er habe großen Respekt vor dem, was der Kollege Dardai da in kurzer Zeit hinbekommen habe, sagt Frank Schmidt.

Die Heidenheimer würden Schmidt niemals hergeben

An Dardai kann auch Schmidt erkennen, wie flott man heute als Trainer in der ersten Liga landen kann, auch wenn man nicht wie Armin Veh vorher schon alle anderen Klubs durchhat. Die meisten Erstligisten werden heute wie selbstverständlich von ehemaligen Zweitliga-, Amateur- oder Jugendtrainern gecoacht, manche heißen sogar Schmidt (Roger Schmidt in Leverkusen, Martin Schmidt in Mainz).

Auf einen dritten Schmidt käme es da vermutlich auch nicht mehr an, angeblich haben Erstligisten in Bremen, Augsburg und anderswo auch schon mal über den Heidenheimer Schmidt nachgedacht. Aber so einfach ist das nicht. Mit dem Heidenheimer Schmidt ist es eine besondere Geschichte.

Frank Schmidt ist vielleicht der einzige Profi-Trainer auf dem Markt, der nicht auf dem Markt ist. "Die Manager-Kollegen wissen alle, dass sie sich einen Anruf bei mir komplett sparen können", sagt Heidenheims Geschäftsführer Holger Sanwald, "ich würde Frank nie hergeben." Schmidt hat den Job in seiner Geburtsstadt im Sommer 2007 übernommen, damals in der fünften Liga, er hat seine Geburtsstadt durch die Ligen gecoacht und seinen Vertrag inzwischen bis 2020 verlängert. "Ohne Ausstiegsklausel", wie Sanwald gerne hinzufügt.

Sanwald hat rechtschaffen Lust, künftig beim großen Stratego mitzuspielen, auch in diesem erdverwachsenen Klub hat sie die Goldgräberstimmung erfasst, auch in Heidenheim möchten sie demnächst gerne mal das eine oder andere Talent herrlich überteuert verkaufen. "Aber das geht nur, wenn der Verein gleichzeitig auf seinen beiden Säulen ruht", sagt Sanwald.

Schmidt weiß nicht, ob er ewig bleiben wird

Er meint den ewigen Heidenheimer Marc Schnatterer, einen rotblonden Supertechniker, der gut genug wäre für viele Erstligisten, aber mit 30 den Verein nicht mehr wechseln wird. Und vor allem meint er den Trainer Frank Schmidt.

Er wolle "der Volker Finke von Heidenheim" werden, hat Schmidt 2007 bei seiner Vorstellung gesagt, er muss heute selbst schmunzeln über diesen Satz, "das war natürlich arg leichtsinnig daherg'schwätzt". Im Übrigen weiß er sehr genau, dass auch Finke nicht ewig in Freiburg geblieben ist, Schmidt sagt, "es ist was Besonderes, sich als Trainer bis 2020 zu verpflichten, aber wenn man ehrlich ist, weiß kein Mensch, wie es irgendwann mal kommt". Ist der Trainer, der nicht auf dem Markt ist, also doch auf dem Markt? Ein klitzekleines bissle vielleicht?

Jedenfalls weiß die Branche inzwischen, dass da im Schwäbischen ein origineller Pragmatiker coacht und kein neunmalkluges Konzepttrainerle, wie sie in diesen Breiten gerne mal wachsen. "In diese Schublade passe ich nicht", sagt Schmidt. "Taktik ist extrem wichtig, aber die Basis des Mannschaftssports bleiben Teamgeist und klare Führung." Und zur Führung gehört jetzt eben auch, dass Frank Schmidt dem unwissenden Teil seines Teams nichts davon erzählen wird, dass er eigentlich ein Pokalheld ist.

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