Hecking statt Schuster in Wolfsburg:Seriosität statt große weite Welt

Der VfL Wolfsburg vollzieht die komplette Kehrtwende: Statt wie bisher einen großen Namen holt der Fußball-Bundesligist einen seriösen Trainer, statt Bernd Schuster kommt Dieter Hecking. Doch das ist nicht die Konzern-Wahl, das ist die Allofs-Wahl. Die Frage bleibt: Was sollte die Geschichte mit Bernd Schuster dann eigentlich?

Ein Kommentar von Thomas Hummel

Zumindest die Wolfsburger Fans können sich nun zwischen Weihnachten und Neujahr entspannen. Einige Anhänger hatten für Freitag zu einer Protestaktion aufgerufen gegen die Entscheidung des Klubs, Bernd Schuster zu verpflichten und den Trainer Lorenz-Günther Köstner zurück in die Reservemannschaft zu schicken. Nun, für ihren Liebling Köstner konnten sie nichts bewirken, für ihn bleibt es bei der Regionalliga. Doch statt Schuster kommt nun Dieter Hecking. Und das wird dann doch die meisten in Wolfsburg freuen.

Dieter Hecking, 48 Jahre alt, geboren in Castrop-Rauxel, seit einigen Jahren wohnhaft im niedersächsischen Bad Nenndorf, ist ein seriöser Trainer. Er hielt drei Jahre lang den finanziell mittelmäßigen 1. FC Nürnberg stets weit von den Abstiegsplätzen fern. Unter ihm wuchsen Talente wie Ilkay Gündogan, Philipp Wollscheid, Mehmet Ekici, Julian Schieber oder Daniel Didavi zu etablierten Profis heran.

Mit Dieter Hecking, so darf der VfL Wolfsburg hoffen, wird der Klub ein Stückchen sympathischer. Und genau das wollen die Macher in der VW-Zentrale: sympathischer werden, auch über die Stadtgrenze Wolfsburgs hinaus. Dabei waren die Sympathiewerte zuletzt auf Tiefgaragen-Niveau gesunken, weil sich die Fußball GmbH des Vereins als Geldverschwendungs-Fabrik offenbarte, alimentiert vom milliardenschweren VW-Konzern und sportlich geführt vom menschlich fragwürdigen Trainer-Manager Felix Magath. 35 Profis zählt der aufgeblähte Kader. Mehr allgemeine Antipathie ging kaum.

Komplette Kehrtwende

Nun also die komplette Kehrtwende. Auf Felix Magath folgte zuerst der seriös-sympathische Klaus Allofs als Manager. Und der holte nun nicht wie tagelang lanciert den Weltmann Bernd Schuster als Trainer. Sondern den seriös-sympathischen Dieter Hecking.

Die Personalie wirkt schlüssig, doch der Weg dorthin offenbart allerlei Seltsamkeiten. Mit Schuster schien doch alles klar zu sein, alle Welt wartete auf den früheren Nationalspieler, den Querkopf, den Star. Er war die gwohnte Wahl eines Konzerns, der dem grauen Wolfsburg seit Jahren mittels des Fußballklubs einen glitzernden Schleier umlegen will. Schuster geht mit dem Aufsichtsrats-Chef des Klubs, Francisco Garcia Sanz, Skifahren. Sanz kommt aus Spanien, wo Schuster noch immer verehrt wird. Doch wer in Spanien kennt Dieter Hecking?

Hecking ist keine Konzern-Wahl. Hecking ist die Allofs-Wahl. Wenn Thomas Schaaf nicht Thomas Schaaf wäre, dann wäre er mit ziemlicher Sicherheit Dieter Hecking. Und mit Thomas-Schaaf-Typen kennt sich Allofs bekanntlich aus.

Woran scheiterte Schuster?

Die Frage bleibt: Was sollte das dann mit Schuster? Scheiterte es wirklich an überhöhten Forderungen des Kandidaten, der in Deutschland noch nie einen Bundesliga-Verein trainierte, und bis auf eine Meisterschaft mit Real Madrid auch im Ausland kaum Erfolge vorzuweisen hat? Oder musste Schuster als Ablenkungsmanöver von Allofs herhalten, damit dieser im Schatten mit Hecking alles klar machen konnte? Bernd Schuster hat sich zu dem Vorgang noch nicht gemeldet. Er feierte am Samstag seinen 53. Geburtstag.

Nürnberg auf Trainersuche

Ein großes Problem hat nun der 1. FC Nürnberg. In Franken galt als Allgemeinwissen, dass der Club den ganzen Kader verkaufen könnte, solange er nur Hecking behalte. Dann ist der Klassenerhalt sicher. Weil sich der Verein auf eine Ausstiegsklausel in Heckings Vertrag einließ, muss er nun mitten im Abstiegskampf und zwei Wochen vor Beginn des Rückrunden-Trainingslagers einen neuen Trainer suchen. Das wird nicht leicht und man wird sehen, ob am Ende die acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz für die Nürnberger ausreichen.

Doch Heckings Wahl ist auch für den Trainer selbst ein Risiko. In Wolfsburg verdient der Vater von fünf Kindern zwar mehr Geld, es ist die Rede von einer Verdoppelung seines Gehalts - in Nürnberg soll Hecking rund 900.000 Euro verdient haben. Er wird in Wolfsburg tendenziell auch keine guten Spieler mehr verabschieden, sondern willkommen heißen, weil der VW-Konzern seine Fußballtochter weiterhin alimentiert. Zu sehen auch an Hecking selbst, denn Wolfsburg muss für den Trainer einen Ablösesumme entrichten, angeblich im siebenstelligen Bereich.

Doch die Erwartungen sind beim VfL höher als bei seinen bisherigen Stationen in Lübeck, Aachen, Hannover und Nürnberg. Hecking ist noch nie entlassen worden, überall trat er selbst zurück, oft weil ihn schon ein neuer Verein lockte. Der VfL Wolfsburg hingegen ist nicht bekannt für Sentimentalitäten.

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