Hansi Müller im Interview:"Wichtigste Entscheidung in der VfB-Geschichte"

Hitzfeld Müller

Zwei Offensivkräfte, die den VfB Stuttgart in den 1970er Jahren zurück in die Bundesliga führten: Ottmar Hitzfeld (links) und Hansi Müller.

(Foto: imago sportfotodienst)

Erst will der VfB Stuttgart aufsteigen, danach seine Profiabteilung ausgliedern. Der frühere Nationalspieler Hansi Müller erklärt, warum der Klub Geld von Investoren benötigt.

Interview von Matthias Schmid

Dem VfB Stuttgart reicht am Sonntag im Heimspiel gegen die Würzburger Kickers ein Unentschieden, um wieder sicher in die Bundesliga aufzusteigen. Auf den Tag genau vor 40 Jahren war Hansi Müller, Europameister von 1980, dabei, als der VfB in die erste Liga zurückkehrte. Für den damals 19-Jährigen war es der Beginn einer erfolgreichen Karriere, die ihn unter anderem zu Inter Mailand führte. Im Interview spricht der 59-Jährige über die Tücken eines Aufstiegs und darüber, warum der VfB vor der wichtigsten Entscheidung seiner Vereinshistorie steht.

SZ: Herr Müller, am Sonntag, genau auf den Tag vor 40 Jahren ...

Hansi Müller: ... sind wir das erste Mal in die Bundesliga aufgestiegen.

Sie wissen schon, was ich fragen möchte?

Das ist ja schon total kurios. Ich habe seit ein paar Tagen eine neue Website, und als ich dafür alte Bilder ausgesucht habe, habe ich gemerkt, dass es auch der 21. Mai war, als wir damals aufgestiegen sind. Wahnsinn. Das könnte niemand erfinden. Das ist eine wunderbare Geschichte. Und alle, die es damals geschafft haben, werden am Sonntag gegen Würzburg im Stadion sitzen. Der VfB hat uns alle eingeladen. Eine nette Geste.

Ihnen reichte damals ein 0:0 in Trier, um in die Bundesliga zurückzukehren.

Wir haben diesen einen Punkt noch gebraucht, um als Erster aufzusteigen, damals war die zweite Liga noch in eine Nord- und Süd-Gruppe unterteilt und nur die jeweiligen Meister sind direkt aufgestiegen. Es war ein brutal enges Spiel, aber wir wollten die enttäuschende Saison unbedingt vergessen machen, die wir im Jahr davor auf dem elften Platz beendet haben.

Sie waren Teil des legendären 100-Tore-Sturms um Ottmar Hitzfeld, Dieter Hoeneß und Hermann Ohlicher, der sich bundesweit einen Namen gemacht hat. Was ist denn passiert, dass die Spieler die missratene Saison so schnell aus ihren Köpfen kriegen konnten?

Du brauchst dafür eine Person, die vorangeht und dir den Glauben zurückbringt: den Spielern, dem Klub und auch den Fans.

Und diese Person war der neue Trainer Jürgen Sundermann?

Den kannte ja damals kaum jemand, als er von Servette Genf zu uns kam, obwohl er schon ein Länderspiel absolviert hatte. Ich kann mich aber noch ganz genau an seine ersten Worte im Trainingslager in Wangen im Allgäu erinnern. Er sagte: Wer nicht daran glaubt, dass wir den Aufstieg schaffen, der kann den Raum gleich wieder verlassen. Der hatte so eine starke Ausstrahlung, die vor allem mir als 19-Jährigem imponiert hat.

Können Sie Parallelen zum aktuellen Cheftrainer Hannes Wolf erkennen?

Wolf ist 36 Jahre alt, Sundermann war ein Jahr älter. Wenn du so jung bist als Trainer, ist es vielleicht einfacher, die Spieler von einem gemeinsamen Ziel zu überzeugen. Du bist noch näher an der Generation der Spieler dran und hast es leichter, verstanden zu werden als ein Trainer jenseits der 50. Damals waren die Spieler noch anders gepolt, es ging viel um Respekt, Achtung und Wertschätzung. Was Wolf aber genauso gut gelingt, wie Sundermann bei uns, ist, die Spieler aus der zweiten Reihe bei Laune zu halten, ihnen das Gefühl zu geben, wichtig zu sein. Das kann man sehr gut an Alexandru Maxim erkennen, der fünf, sechs Spiele auf der Tribüne saß und überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat.

Und nun hat er mit wichtigen Toren und Vorlagen dafür gesorgt, dass der VfB so gut wie aufgestiegen ist. Wie Sie trägt er die Zehn auf dem Rücken. Ein würdiger Nachfolger?

Maxim ist für mich eine Wundertüte, ein großes Rätsel. Er hat unglaubliches Potenzial, aber wir ehemaligen Spieler fragen uns in der Loge immer: Warum spielt der Kerl mit seinen außergewöhnlichen Anlagen nicht häufiger von Anfang an? Er stellt Dinge mit dem Ball an, die andere nicht können und ist trotzdem schon bei vier, fünf Trainern meistens draußen gesessen. Die können sich doch nicht alle irren.

Wie fällt denn Ihre Antwort aus?

Nur er kann das ändern. Er muss einfach 110 Prozent aus sich herausholen. Oftmals sind es ja nur kleine Nuancen, ein paar Prozente, die den Unterschied ausmachen.

Der VfB wird ja neben Maxim auch um seinen Ochsen-Sturm Daniel Ginczek und Simon Terodde beneidet. Trauen Sie denn speziell Terodde zu, dass er auch in der ersten Liga so erfolgreich sein kann wie in der zweiten?

Er hat ja schon in Bochum gezeigt, dass er es kann. Bei der Niederlage zuletzt in Hannover, die ja auch aufsteigen werden, hat man sehen können, dass es in der ersten Liga aber anders zugehen wird. Das war ein Spiel auf Augenhöhe, in der Terodde weniger Aktionen hatte. Er braucht Mitspieler, die ihn und auch Ginczek mit guten Bällen füttern. Da reicht die Qualität im Moment nicht aus. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, aber der VfB muss sich in jedem Fall auf einigen Positionen verstärken. Der Anspruch für den Klub darf nicht sein, nur um den Klassenerhalt mitzuspielen. Sie müssen sich nach oben orientieren.

"Unsere Unterstützung gefällt nicht jedem"

Sie sind damals nach dem Aufstieg sofort Vierter geworden, in der Saison darauf sogar Zweiter.

Da sind die Regionen, in die der VfB vom Papier her als Traditionsverein auch hingehört. In der zweiten Liga hat der Klub jedenfalls nichts verloren.

Um wieder um internationale Plätze mitspielen zu kommen, strebt der Klub eine Ausgliederung der Profiabteilung an. Kurz zusammengefasst: Am 1. Juni werden die Mitglieder darüber abstimmen, ob der Klub 24,9 Prozent der Anteile an Investoren veräußern darf.

Ich halte die Ausgliederung für die wichtigste Entscheidung in der VfB-Geschichte überhaupt. Die Schere zwischen den Klubs, die sich für Investoren öffnen, und dem Rest der Liga geht immer weiter auseinander. Wenn du oben mitspielen willst, musst du neues Geld generieren. Ich kann die Argumente mancher Fans verstehen, die sagen, dass da eine gewisse Mitsprache verloren geht. Aber gleichzeitig sind doch alle froh, wenn der VfB erfolgreich Fußball spielt und sie begeistert. Wenn schon die Weltfirma auf der anderen Straßenseite zusagt, dass sie mithelfen will, darf man sich doch die Chance nicht entgehen lassen.

Daimler will sich für rund 40 Millionen Euro 11,75 Prozent der Anteil an der neuen Aktiengesellschaft sichern.

Um das zu erreichen, müssen aber erst einmal 75 Prozent der Mitglieder zustimmen, das ist schon eine Hausnummer.

Die Ultras sind dagegen.

Deshalb werbe ich auch gemeinsam mit Guido Buchwald und Karl Allgöwer bei den gesprächsbereiten VfB-Freunden in den Fanklubs für eine Ausgliederung. Zwei, dreimal die Woche gehen wir zu Versammlungen, um die Fans von diesem Schritt zu überzeugen.

Auch Nationalspieler Sami Khedira tritt öffentlich als Befürworter auf.

Unsere Unterstützung gefällt nicht jedem. Aber es geht nicht um Eitelkeiten oder Personen, es geht nur um den VfB, darum die Voraussetzungen zu schaffen, dass der VfB wieder um internationale Plätze mitspielen kann.

Ein Sieg gegen Würzburg käme Ihnen da sehr gelegen.

Der sportliche Erfolg spielt natürlich eine große Rolle. Und wenn die Mannschaft das letzte Spiel gewinnen sollte und sicher aufsteigt, würde das die Grundstimmung deutlich anheben. Die Ausgliederung ist ein sehr emotionales Thema in und um Stuttgart. Es gibt sicherlich Fans, die nach einer Niederlage gegen Würzburg aus Verärgerung ins Schwanken kommen könnten.

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