Hannover 96 will in die K.-o.-Runde:Lust auf Europa League

Ein Remis bei Standard Lüttich reicht Hannover 96 zum Einsatz in die K.-o.-Runde der Europa League. Doch die Ziele des Vereins sind größer: Er will seinen internationalen Auftritt nutzen, um dauerhaft zu einer nationalen Marke zu werden.

Jörg Marwedel

Vor vier Wochen feierte Hannover 96 sein bislang größtes europäisches Erfolgserlebnis. 10 000 Zuschauer aus der niedersächsischen Metropole hatten das Team fröhlich nach Dänemark begleitet, zum 2:1-Sieg beim FC Kopenhagen. Ein "außergewöhnliches Signal", sagt Präsident Martin Kind, er findet es "unglaublich, wie die Sympathie und Unterstützung" für seinen Klub zugenommen habe.

Hannover 96 - Hamburger SV

"Wir wollen als Gruppenerster weiterkommen", sagt Hannovers Trainer Mirko Slomka (im Bild mit Spieler Steven Cherundolo).

(Foto: dpa)

An diesem Mittwoch wird sich das nicht wiederholen, obwohl es die Fans gerne wiederholt hätten. Standard Lüttich, Hannovers letzter Auswärtsgegner in der Europa-League-Gruppe, hat den Deutschen nur 1700 Karten zugestanden. Die Fans dürfen nicht mal ein Bier trinken in der Innenstadt und müssen sogar mit Arrest rechnen, wenn sie abseits des Stadions mit einem 96-Schal erwischt werden. Das hat der Polizeichef aus Angst vor Randale untersagt.

Remis in Lüttich reicht

Trotz aller Widrigkeiten in der "verbotenen Stadt", wie Hannovers Medien lästern, hat Präsident Kind schon ein erstes Fazit des ersten Europa-Auftritts seines Klubs seit 19 Jahren gezogen, der in Lüttich bereits durch ein Remis mit Toren - also kein 0:0 - schon vor dem letzten Heimspiel gegen Worskla Poltawa die K.o.-Runde erreichen kann.

Dieses Resümee sieht anders aus als das jener deutschen Klubs, die schon mal in der Champions League viel Geld verdient haben - und daher beklagen, wie stiefmütterlich die zweite europäische Liga von der Uefa behandelt wird, obwohl dort ebenfalls erstklassige Teams guten Sport bieten.

Natürlich würde es auch der Unternehmer Kind gut finden, wenn die Uefa die Vermarktung der Europa League "nicht so defensiv" betriebe und der Unterschied der Erlöse im Vergleich zur Champions League kleiner wäre. Doch einen Verein, der gerade aus dem Niemandsland ins Rampenlicht getreten ist, bringen auch Erträge aus der Europa League voran. Diese belaufen sich auf bis zu acht Millionen Euro, sagte Kind - ohne weitere mögliche Einnahmen aus den K.o.-Runden. Zudem werde 96 spätestens seit dem Quali-Sieg gegen Sevilla "auch europäisch zur Kenntnis genommen", sagt Kind - nachdem sein Verein in der Vorsaison als Bundesliga-Vierter national in den Vordergrund rückte.

Ungewohnter Dauereinsatz

Dies ist auch das Ziel in Kinds "Mittelfristplanung". Dass - so sieht es der Kaufmann - mit den überregional beachteten Auftritten aus der regionalen Marke Hannover 96 binnen drei bis fünf Jahren eine nationale Marke wird. Dann, prophezeit der Präsident, müsse man sich "neu aufstellen", Vermarktung, Vertrieb und Sponsoring erheblich ausbauen. Dann könnte es für 96 in Dimensionen gehen, die auch Kinds Vorbild Werder Bremen im vergangenen Jahrzehnt erreicht habe.

Schon jetzt wird Hannover anders beachtet als früher. Der Zuschauerschnitt in der Bundesliga kletterte diese Saison nochmals um mehr als 4000 auf 45 867, zuletzt war die Arena fünfmal hintereinander ausverkauft. Auch gegen Poltawa wird sie es sein, selbst wenn 96 schon qualifiziert wäre für die nächste Runde, denn die Tickets für die Gruppenspiele wurden im Dreierpaket verkauft.

Bleibt aber noch die Frage, ob Hannover 96 trotz des ungewohnten Dauereinsatzes mit Spielen am Wochenende und während der Woche dauerhaft den neuen Rhythmus hinbekommt. Glaubt man Trainer Mirko Slomka und Manager Jörg Schmadtke, dann ist das weniger ein körperliches Problem. Es gehe eher darum, wie man künftig noch professioneller mit den zusätzlichen Herausforderungen umgehe. Dass man auch mal Spiele ungeschlagen überstehe, wenn man körperlich nicht an die Grenze gehe. Oder dass man, selbst wenn es einmal nicht so gut läuft wie zuletzt gegen den Hamburger SV, trotzdem noch an seine Chance glaube, wie es Jan Schlaudraff mit seinem fulminanten Tor zum 1:1 belegte.

Platz eins als Ziel

Dieses neue Selbstbewusstsein will die Mannschaft, die in sechs Europa-League-Spielen bisher ungeschlagen blieb, trotz des kleinen Bundesliga-Tiefs (vier sieglose Partien) auch in Lüttich nachweisen. "Wir wollen als Gruppenerster weiterkommen", sagt Slomka. Denn dann träfe 96 in der Zwischenrunde noch nicht auf einen in der Champions League ausgeschiedenen Klub. Das wäre eine gute Belohnung "für die herausragenden Leistungen auf internationaler Bühne", findet Slomka und fügt an: "Die Mannschaft hat weiter Lust auf Europa."

Angehen kann er dieses Ziel ohne Ausfälle. Auch die zuletzt in der Liga gesperrten Didier Ya Konan und Lars Stindl dürfen mitwirken. Slomka hat also die Qual der Wahl beim nächsten Schritt in Richtung nationale Marke.

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