Abstiegsangst bei Hannover 96:Desolat wie der HSV

Bayer 04 Leverkusen v Hannover 96 - Bundesliga

Ausgespielt in Leverkusen: Felipe Martins (links) und auch alle weiteren Angestellten von Hannover 96.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach der klaren Niederlage in Leverkusen muss Hannovers Trainer Tayfun Korkut doch wieder um seinen Job bangen.
  • Ein Nachfolger steht angeblich schon bereit: Mirko Slomka könnte zurückkehren.
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Von Sebastian Fischer, Leverkusen

Wenige Minuten vor fünf Uhr am Samstag sangen die Fans im Leverkusener Stadion melancholische Lieder über ihr kompliziertes Verhältnis zur Nachbarstadt Köln, wie sie es gerne tun, wenn ein Fußballspiel in Leverkusen längst zu Gunsten der Heimmannschaft entschieden ist. Kurz unterbrach ein vorsichtiger Seufzer den Gesang. Es war nichts Schlimmes passiert um kurz vor fünf, auch nicht unbedingt etwas, das in den Highlight-Videos von diesem 4:0 (2:0) von Bayer 04 Leverkusen gegen Hannover 96 eine große Rolle spielen wird. Aber es war doch etwas Bezeichnendes: Hiroshi Kiyotake hatte auf das gegnerische Tor geschossen, es war Hannovers erstes Mal an diesem Tag, es blieb das einzige. Leverkusens Torhüter Bernd Leno fing den Ball. Und die wenigen mitgereisten Fans aus Hannover seufzten. (Kurz danach setzte Kiyotake einen Ball knapp neben das Tor.)

Vor dem Spiel hatte es der Hannoveraner Trainer Tayfun Korkut mit einer zurückhaltenden Zielsetzung versucht. Seine Mannschaft hatte ja zwölf Spiele in Serie nicht gewonnen, und diese Serie musste nicht unbedingt bei den starken Leverkusenern reißen. "Ein Punkt ist besser als nichts", hatte er gesagt. Immerhin sollte die Mannschaft dann nicht verlieren, und sie sollte mindestens alles dafür tun, ein 0:0 zu halten, möglichst lange. Korkut hatte sich auch zu Durchhalteparolen hinreißen lassen. "Keine Ausreden mehr", forderte er, und: "alles reinhauen".

Ebenso desolat wie vor zwei Wochen der Hamburger SV

Am Samstagnachmittag hatte seine Mannschaft dann nicht sehr rein gehauen. Sie hatte sich in der Leverkusener Arena ähnlich vorführen lassen wie der Hamburger SV vor zwei Wochen. Sie hatte keine Torchance erspielt, keinen Ansatz gefunden, die derzeit entfesselten Leverkusener aufzuhalten, und nicht zum 13. Mal in Serie nicht zu gewinnen. Der Fußballlehrer Korkut, 41, bemühte sich weiterhin kämpferisch zu klingen, doch es hörte sich traurig an, was er sagte: "Das war ein ganz klarer Schritt zurück. Wenn das der Maßstab ist, dann wird es nicht reichen."

Es war ein kalter Dezemberabend, als Hannover 96 das letzte Mal gewonnen hat, 2:0 daheim gegen den FC Augsburg. Damals war Hannover eine Mannschaft, die meist diszipliniert verteidigte und manchmal pfiffig angriff, mit teuren Zugängen verstärkt, mit leisen Ambitionen, den Europapokal zu erreichen. Am Samstag, im Leverkusener Sonnenschein, war Hannover nur noch eine Mannschaft, die Rätsel aufgibt.

Korkuts Plan in Leverkusen sah eine Aufgabe vor: Angriffe stoppen. Auf Offensive war das Team überhaupt nicht ausgerichtet, Joselu sollte als einzige Spitze langen Bällen hinterher jagen, vor allem aber sollte das mit den defensiven Leon Andreasen und Ceyhun Gülselam umgestellte Mittelfeld und die Viererkette dahinter konsequent und klug verteidigen. Was freilich dringend dazu gehört, wenn man gegen Bayer 04 klug verteidigen will, ist das Vermeiden von Standardsituationen, denn es hat sich bis Hannover herumgesprochen, dass Hakan Calhanoglu diese gefährlich vors Tor zu flanken vermag.

Kommt Slomka zurück?

Nach 20 Minuten hatte Calhanoglu schon seinen zweiten Freistoß gegen die Mauer schießen dürfen, aus dem zweiten resultierte eine Ecke, Calhanoglu fand den Kopf von Ömer Toprak, der gar nicht hochspringen musste, um den Ball im kurzen Eck ins Tor zu lenken. Korkuts Plan war dahin. Und als der Leverkusener Julian Brandt in der 40. Minute nahezu ungestört von seinem Gegenspieler Hiroki Sakai das 2:0 erzielte, da klang dieses skurrile Szenario gar nicht mehr so irrwitzig: Vielleicht wird den in 2015 noch sieglosen Hannoveranern in diesem Jahr ja einfach gar nichts mehr gelingen. "Wenn es die Relegation wird, dann wird es halt die Relegation", sagte Torhüter Ron-Robert Zieler hinterher trotzig, als würde er an mehr selbst nicht mehr glauben.

"Das war eine durch die Bank schlechte Leistung", urteilte Sportdirektor Dufner, dessen Arbeit von 96-Klubboss Martin Kind genauso in Frage gestellt wird wie die von Tayfun Korkut. Kind hat zuletzt gesagt, dass er die Saison mit Korkut beenden will. Am Samstagabend sagte Kind erst einmal noch nichts. Die HAZ und die Neue Presse in Hannover spekulierten, dass schon in den kommeden Tagen Mirko Slomka als neuer alter Trainer von Hannover 96 präsentiert werden könnte.

Andere brachten das Duo Martin Düwel (derzeit Union Berlin) und Daniel Stendel (noch Juniorentrainer bei 96) ins Spiel, Dufner aber beteuerte in der ARD, Korkut werde auch beim nächsten Spiel auf der 96-Bank sitzen. Laut Bild am Sonntag soll er am Sonntag noch das Training leiten dürfen, alles weitere ist ungewiss. "Der Trainer kann sich nicht in den Sechzehner stellen und die Bälle wegköpfen", sagte Torwart Zieler. Immerhin hält die Mannschaft zu ihm.

Kein 96er vermochte Stefan Kießling in der 49. Minute am Kopfball zu hindern, der Ball flog an die Latte, Kyriakos Papadopoulos nutzte den Abpraller zum 3:0. Bezeichnend war die Entstehung: Wieder trat Calhanoglu einen Eckball, den Verteidiger Felipe aus Nachlässigkeit verursacht hatte, am Ende hatte Leverkusen elf Ecken, Hannover null. Die 96-Abwehr verteidigte die Flanke schwach, Brandt, 18, drückte Kiyotake, 25, vor seiner anschließenden Hereingabe beiseite, als wäre nicht er der Jugendspieler, sondern der Japaner. Das 4:0 erzielte Kießling aus Abseitsposition, verdient war es trotzdem.

"Wir sind in bestimmten Phasen auseinander gebrochen", sagte Korkut noch, bevor er bedächtig aus dem Leverkusener Presseraum schritt: "Jetzt habe ich die Aufgabe, das wieder zusammenzubringen." Doch er klang nicht sehr hoffnungsvoll, dass es überhaupt noch seine Aufgabe sein wird.

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