Hannover 96 stürzt ab:Harte Worte, sensible Profis

Nach sieben sieglosen Spielen in Folge wackelt bei Hannover 96 der Stuhl von Trainer Bergmann. Seine Führungsschwäche könnte ihm bald zum Verhängnis werden.

Jörg Marwedel

Das Publikum und die Medien sind ja häufig schnell in ihren Diagnosen. Wenn etwa ein vermeintliches Mittelklasseteam ans Tabellenende rutscht, gibt es gewöhnlich nur zwei Hauptgründe: Entweder haben die neu erworbenen Spieler nicht gepasst. Oder aber das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft ist hinüber, weshalb der Coach gehen müsse; wie Anfang der Saison Dieter Hecking bei Hannover 96. Im Falle von Heckings Nachfolger ist das ein wenig schwieriger.

Hannover 96 stürzt ab: Hannovers Trainer Andreas Bergmann ist nach sieben sieglosen Spielen in Folge als Motivator gefragt.

Hannovers Trainer Andreas Bergmann ist nach sieben sieglosen Spielen in Folge als Motivator gefragt.

(Foto: Foto: ddp)

Kann man den Fußball-Lehrer Andreas Bergmann dafür verantwortlich machen, dass aus dem vermeintlichen Mittelklasseteam ein Abstiegskandidat geworden ist oder gibt es dafür übergeordnete Gründe, die nichts damit zu tun haben, ob Bergmann doch eher ein Nachwuchscoach ist, der er die meiste Zeit seiner Laufbahn war?

Schon vor dem siebten sieglosen Spiel hintereinander, dem 0:3 gegen Schlusslicht Hertha BSC Berlin, war in Hannover die von Präsident Martin Kind befeuerte Diskussion aufgekommen, ob Bergmann hart genug sei für eine Mannschaft, die sich künftig nicht mehr hinter dem Tod ihres Kapitäns Robert Enke verstecken dürfe. Manager Jörg Schmadtke hat diese Härte mit wüsten Beschimpfungen der Profis ("Das war Betriebssport") nach einem 1:2 verlorenen Testspiel bei Union Berlin lautstark vorgeführt. Im Spiel gegen Hertha seien auch von Trainer Bergmann in der Halbzeit "harte Worte" gefallen, teilte Torwart Florian Fromlowitz mit.

Nachwirkungen der Enke-Tragödie

Womöglich ist der Knoten in dieser Saison aber selbst von einem anderen Mann als Bergmann kaum zu zerschlagen. So richtig es theoretisch ist, dass sich das Team nicht mehr hinter dem Verlust seines besten Spielers verstecken darf, wenn es den Kampf um den Bundesliga-Verbleib aufnehmen will: Eine Mannschaft ist ein sensibles Gebilde, und wenn nur einige der Profis die von Experten bescheinigte Traumatisierung wegen des Enke-Todes erlitten haben, dann reicht das, um das Niveau ein paar Prozentpunkte zu senken. Die längere Verarbeitungsreaktion eines Suizids, die sogar Persönlichkeitsveränderungen auslösen kann, mag schon reichen, um aus einem Mittelklasseteam einen Absteiger zu machen.

Das andere Problem könnte dennoch bei Bergmann liegen. Er kenne das Geschäft und wisse, was ihn ohne Punkte erwarte, hat er gesagt. Es raube ihm aber keine Energie. Das klingt sehr esoterisch. Führungsstärke hört sich, zumindest im Fußballgeschäft, vermutlich anders aus. Kind und Schmadtke werden wohl bald so reagieren, wie es das Publikum und die Medien schon vorausahnen.

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