Fußball-Bundesliga:Hannover 96: Nur noch ein Ponyhof

Hannover 96 - 1. FC Köln

Ist im Abstiegsfall weg: Hannovers Torwart Ron-Robert Zieler (Mitte).

(Foto: dpa)

Thomas Schaaf räumt ein, dass seine Rettungsaktion in Hannover wohl scheitern wird. Er wird den Verein dann verlassen - wie auch viele seiner Spieler.

Von Jörg Marwedel

Martin Bader hat in seinem Manager-Leben schon mal mehr Glück gehabt. Als er im Winter als neuer Geschäftsführer von Hannover 96 die abstiegsbedrohte Mannschaft mit ein paar Millionen Euro noch einmal auf das Niveau der ersten Liga hieven wollte, hatte er ein paar gute Ideen. Die ehemaligen Nationalspieler Stefan Kießling und Kevin Großkreutz hätten das Team mit ihrer Kampfkraft vielleicht noch einmal mitreißen können, aber die Verträge kamen dann trotz heftigen Bemühens nicht zustande.

"Zur nationalen Marke" sollte 96 laut Präsident Martin Kind mal aufsteigen, aber bei Fußballprofis ist der Klub offenbar keine besonders gefragte Adresse mehr; am Ende langte es in der Winterpause noch für sechs Spieler, die entweder ihre beste Zeit längst hinter sich haben (wie die Stürmer Almeida und Szalai) oder die allenfalls als Talente durchgehen (Yamaguchi, Wolf, Fossum, Milosevic). Jedenfalls half keiner der Spieler kurzfristig weiter.

So blieb Bader als einzige Erfolgsmeldung Ende Dezember die Verpflichtung des früheren Bremer Meistertrainers Thomas Schaaf als Nachfolger von Michael Frontzeck. Doch abgesehen davon, dass man binnen drei Monaten aus "Ponys keine Rennpferde" machen kann, wie Klub-Ikone Dieter Schatzschneider spöttisch bemerkte, hat auch Schaaf, 54, seine beste Zeit als Coach womöglich hinter sich. Sechs Jahre ist es her, dass er mit Werder Bremen die Saison 2009/2010 auf Tabellenplatz drei abschloss.

"Unzufrieden bis zum Geht-Nicht-Mehr"

Seitdem gab es nur noch Abstiegskampf, Auszeiten oder andere Störungen. Als es 2015 in Frankfurt immerhin zu einem neunten Rang reichte, haben die dortige Presse und auch die Eintracht-Funktionäre das zumindest keinesfalls als Erfolg gewertet, weshalb Schaaf nach nur einem Jahr aufgab.

Nun hat er drei Tage vor dem Nordderby gegen den Hamburger SV indirekt eingeräumt, dass sein Vorhaben, Hannover 96 in der Bundesliga zu halten, wohl gescheitert ist, auch wenn er noch "eine minimale Chance" sehe. Nur wenn man die Klasse halte, werde Schaaf weiter 96-Trainer sein, verkündete der Klub derweil offiziell. Martin Bader sagt, man sei gemeinsam mit Schaaf "in die Analyse gegangen", beide Parteien seien der Überzeugung gewesen, dass nach einem Abstieg "ein personeller Neuanfang auf der Trainerposition" die beste Lösung sei.

Dass 96 bei zehn Punkten Rückstand zum Relegationsplatz 16 noch eine echte Chance hat, in der ersten Liga zu bleiben, hält nach den letzten zehn Partien mit neun Niederlagen (alle unter Schaaf) kaum einer mehr für realistisch. Er sei "unzufrieden bis zum Gehtnichtmehr", sagte Schaaf am Donnerstag bei der Pressekonferenz vor dem HSV-Spiel, versicherte aber gleichzeitig, dass er bis Saisonende Trainer in Hannover bleiben werde.

Verfehlte Personalpolitik seiner Vorgänger

Dass Thomas Schaaf in der kurzen Zeit keine Kontur in das zusammengewürfelte Team bekam, hat zwar im Wesentlichen mit der verfehlten Personalpolitik seiner Vorgänger zu tun. Aber der Versuch des Trainers, eine neue Struktur zu schaffen, ging wohl auch deshalb schief, weil von den verunsicherten Profis am Ende nur noch der stets zuverlässige Nationaltorwart Ron-Robert Zieler seinen Stammplatz behalten durfte.

Der Rest der Mannschaft wurde von Spiel zu Spiel durcheinander gewürfelt, selbst bewährte Kräfte wie Salif Sané, Manuel Schmiedebach und André Hoffmann wurden zwischendurch ausgemustert, weil sie nach Schaafs Einschätzung offenbar nicht genügend Abstiegskampf-Mentalität mitbrachten.

Slomka, Stanislawski, Gisdol?

Wie geht es nun weiter mit dem Klub, der zuletzt 14 Jahre lang ein fester Bestandteil der ersten Bundesliga war? Sicher ist nur, dass Zieler und Almeida den Klub verlassen, beide haben wie Schmiedebach nur einen Vertrag für die erste Liga. Adam Szalai (Hoffenheim) und Alexander Milosevic (Besiktas Istanbul) sind nur ausgeliehen. Und für Sané interessiert sich offenbar nicht nur der 1. FC Köln mit dem früheren 96-Manager Jörg Schmadtke. Der hatte 2013 den Wechsel des Senegalesen vom AS Nancy nach Hannover eingefädelt.

Über den möglichen neuen Trainer gibt es für den Abstiegsfall bereits die üblichen Spekulationen. Laut der Bild-Zeitung, die stets ein Freund von Mirko Slomka war, gilt der seit anderthalb Jahren joblose frühere 96-Coach als Favorit. Andere glauben an eine Liaison mit Holger Stanislawski. Der frühere Coach des FC St. Pauli, der TSG Hoffenheim und des 1. FC Köln leitet derzeit einen Supermarkt in Hamburg, Hannovers neuer Medienchef Christian Bönig ist ein guter Freund. Auch Markus Kauczinski (hört beim Karlsruher SC auf) und der in Hoffenheim entlassene Markus Gisdol zählen zu den Anwärtern. Laut Martin Bader gibt es allerdings "keine Zeitfenster" für Gespräche oder Verhandlungen.

Und was ist mit Bader selbst und dem neuen Sportlichen Leiter Christian Möckel, die gemeinsam für die wenig geglückten Winter-Zugänge zuständig sind? Der ehemalige Mittelstürmer Schatzschneider, der gerne mehr redet als den Klubfunktionären lieb ist, meint, jetzt müsse "ein neuer Sportdirektor her". Bader hingegen verwies nur darauf, dass sein früherer Arbeitgeber, der 1. FC Nürnberg, nach Anlaufproblemen inzwischen gut im Aufstiegsrennen zur ersten Bundesliga liege. Mit Spielern, die er zusammen mit Christian Möckel geholt hat.

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