Hannover 96: Jan Schlaudraff:Wieder mal nicht angesprungen

Hannover 96 streitet erneut über den verhinderten Ausnahmespieler Jan Schlaudraff. Er soll nie mehr für Hannover spielen. Nie mehr?

Jörg Marwedel

Das Jahr 2007 war vermutlich der Höhepunkt im Leben des Profifußballers Jan Schlaudraff. 24 Jahre alt wurde der begabte Offensivspieler damals, machte sein zweites und drittes A-Länderspiel. Von Alemannia Aachen wechselte er zu jenem Klub, der in Deutschland als das Nonplusultra gilt, dem FC Bayern.

Training Fußball-Nationalmannschaft - Löw und Schlaudraff

Es gab eine Zeit, in der galt Jan Schlaudraff als kommender Star der deutschen Nationalmannschaft.

(Foto: dpa)

Der Pastorensohn hatte es fast geschafft, ein Großer im Fußball zu werden. Und weil er gerade dabei war, richtig bekannt zu werden, hat der Schlagerfan Jan Schlaudraff mit dem ebenfalls bekannten Liedermacher Reinhard Mey eine Ballade aufgenommen, die dann auf dessen Album "Bunter Hund" zu hören war: "Drei Jahre und ein Tag."

Drei Jahre und ein paar Tage später ist Jan Schlaudraff vergangene Woche beim Freundschaftsspiel seines jetzigen Klubs Hannover 96 beim MTV Immensen von den Zuschauern hämisch ausgelacht worden, weil er am eher unberühmten Torwart Jan Seda gescheitert war. Wobei: Es war ja schon ein Fortschritt, dass er überhaupt spielen durfte, denn drei Wochen zuvor hatte Trainer Mirko Slomka ihn noch aus dem Kader geworfen. Die 96-Verantwortlichen hatten ihn gebeten, sich einen neuen Verein zu suchen. Doch es fand sich auf die Schnelle niemand, der monatlich 125.000 Euro Gehalt für einen Profi zahlen wollte, der erstens verletzungsanfällig und zweitens nicht unbedingt der trainingsfleißigste ist.

Die Niederlage in Elversberg

Immerhin wird in Hannover mal wieder über Schlaudraff debattiert. Und es ist schon lustig zu sehen, wie erstmals die ansonsten nicht sehr Verbundenen Slomka und Sportdirektor Jörg Schmadtke, die kürzlich noch von 96-Chef Martin Kind aufgefordert wurden, sich "zusammenzuraufen", auf einmal zusammen gegen den Boss opponieren. Kind hatte jüngst erklärt, Schlaudraff spiele "nie wieder für 96". Was ja schon im kaufmännischen Sinne so ist, als ob ein Autoverkäufer einen Sportwagen anbietet mit dem Zusatz: "Der springt manchmal nicht an." So weit aber wollte die sportliche Führung nicht gehen. "Ich habe keinen aussortiert", sagte Slomka und fügte an: "Ich wäre vorsichtig mit Aussortier- und Keine-Chance-Aussagen."

Kind ist jemand, der sein Herz öfter auf der Zunge trägt als es gut wäre in diesem Geschäft. Er hat, als er 2008 den halbberühmten Schlaudraff verpflichtete, gesagt, dieser könne bei 96 genauso viel verdienen wie beim FC Bayern. Das war damals, als er den Klub im Begriff wähnte, den nächsten Schritt zu einem überdurchschnittlichen Bundesligisten zu schaffen. Jetzt sagt Kind, wiederum sehr ehrlich: "Wir müssen für unsere eigene Dummheit gerade stehen."

Der verhinderte Hoffnungsträger

Er für die finanzielle Dummheit, Slomka und Schmadtke für den unklaren Umgang mit einem torgefährlichen, beidfüßigen, aber sich zuweilen selbst überschätzenden Profi. Einen Profi, der "gern mal einen Tritt braucht für seinen Antrieb", wie man auch in seinem Umfeld sagt. Dabei war es im Juli noch so, als mache der verhinderte Ausnahmespieler einen Schritt nach vorne. Am Ende der Vorbereitung hatte die hannoversche Neue Presse noch gejubelt, Schlaudraff könne doch noch ein neuer Hoffnungsträger werden, vielleicht gar als Spielmacher.

Hannover 96 v Energie Cottbus - Bundesliga

Bei seinem Verein Hannover 96 wurde Jan Schlaudraff aussortiert.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Schlaudraff stieg in den Mannschaftsrat auf und Manager Schmadtke bescheinigte ihm, er habe "eine gute Vorbereitung gespielt". Dann aber kam das erste Pflichtspiel der Saison. Hannover verlor im DFB-Pokal beim Viertligisten SV Elversberg mit 4:5 im Elfmeterschießen. Den Schuldigen hatte Slomka bald herausgefunden. Es war wieder einmal Schlaudraff, obwohl die Mitspieler keinen Deut besser gewesen waren.

Gedanken ans Aufhören

Schon einmal hatte Slomka den Profi in die Regionalliga-Elf verbannt. Im Frühjahr, als es um den Klassenerhalt ging und er Schlaudraff mangelnden Einsatz vorwarf. So wie vorher schon der Trainer Michael Frontzeck, der Schlaudraff im Aachener Abstiegskampf 2007 ebenfalls draußen gelassen hatte. Und auch Dieter Hecking, erst ebenfalls in Aachen und später in Hannover dessen Chef, hatte Schlaudraff bei 96 zwischendurch ausgemustert. In München wiederum, wo er schon mit Kalle Del'Haye verglichen wurde, dem beim FC Bayern außerordentlich teuren Flop der achtziger Jahre, zählte Schlaudraff nur in der Saison 2007/2008 unter dem Trainer Ottmar Hitzfeld zum Erstliga-Kader. Die Bilanz blieb bescheiden: acht Bundesligaspiele, null Tore.

Zudem kannte Schlaudraff lange vor allem Arztpraxen und Rehabilitationszentren. Er musste sich wegen Arthritis und Bandscheibenschäden behandeln und mehrere Leistenoperationen über sich ergehen lassen. "Zwischendurch", sagte er, "war ich so verzweifelt, dass ich sogar ans Aufhören dachte". Doch derzeit ist Jan Schlaudraff gesund. "Ich werde Gas geben im Training", sagt er. Das ist schon lange sein Lieblingssatz. Bewiesen hat er ihn noch nicht. Zumindest nach Slomkas Ansicht.

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