Hannover 96:Großer Schritt, kleine Annäherung

GER 1 FBL Hannover 96 vs SC Freiburg 10 02 2018 HDI Arena Hannover GER 1 FBL Hannover 96 vs

Ein Tor gegen den alten Klub: Hannovers Felix Klaus (in Rot) setzt sich gegen Freiburgs Verteidiger Söyüncü durch und trifft zum 2:0.

(Foto: Ewert/Nordphoto/imago)

Durch den Sieg gegen Freiburg kann Hannover eine weitere Erstliga-Saison planen.

Von Jörg Marwedel, Hannover

Der gemeine Fan behauptet gerne, Fußballprofis würden nur noch ihre Beine bewegen, wenn ihnen ihr Lohn erklecklich genug erscheint. Hannovers Trainer André Breitenreiter hat diese Ansicht am Samstagabend beanstandet. Die Fußballer würden "nicht nur für Geld spielen", betonte er, sondern "auch für die Atmosphäre im Stadion". Sozusagen für die Unterstützung ihrer Bemühungen, die zumindest die Profis von Hannover 96 seit Saisonbeginn genügend gezeigt haben. Gesagt hat Breitenreiter dies nach dem 2:1-Sieg seines Teams gegen den SC Freiburg. Weil er - wie jeder Spieler - sehr erleichtert war, dass erstmals in dieser Spielzeit "das ganze Stadion supportet hat", wie Kapitän Philipp Tschauner es ausdrückte.

Mit einem Stimmenanteil von 51:49 hatten die Ultras aus der Nordkurve beschlossen, ihr seit August konsequent durchgehaltenes Schweigen zu brechen. Und wenn man Breitenreiter glaubt, hat der erstmals wieder bundesligataugliche Fan-Beistand seiner Mannschaft über die Schwächephase ab der 70. Minute hinweggeholfen. Bisher, sagte kürzlich Manager Horst Heldt seufzend, hätte man sogar das Häuflein der Hoffenheimer Fans in Hannovers Arena hören können. Nun sei er "dankbar", sagte Heldt, das sich bei diesem bisher sehr unerfreulichen Thema etwas bewege.

Wie lange dieser Frieden anhält? Sollte Präsident Martin Kind, wie erwartet, einen neuen Anlauf unternehmen, mit seinen Investoren auch amtlich die gesamte Macht bei 96 zu übernehmen, dann könnte das Thema schnell wieder aktuell werden. Und auch die Lage zwischen den Profis und den kritischen Fans ist weiter diffizil. Die Spieler, die seit Monaten über die Zurückhaltung dieser Anhänger klagten, haben auch diesmal ein Stück Abstand gehalten und sind nicht komplett zur Kurve gegangen. Das sollte ausdrücken, dass alle etwas tun müssten für den Zusammenhalt. Das Ritual kam nicht gut an, wie Pfiffe unterstrichen. Dabei hat 96 an "diesem perfekten Spieltag", wie Heldt bilanzierte, mit nun 31 Punkten und elf Zählern Distanz zum Relegationsplatz "einen großen Schritt" zum Klassenerhalt gemacht. Heldt hätte auch sagen können, nun könne er in Ruhe die nächste Bundesliga-Saison planen.

"Eindrucksvoll und mit Zug zum Tor", sagt Trainer Breitenreiter über Waldemar Anton

Besonders viel Freude hat den Chefs mal wieder Waldemar Anton bereitet. Der U21-Nationalspieler, der irgendwann Hannovers Kasse mit einer ansehnlichen Ablöse auffüllen soll, erwies sich wieder als äußerst flexibel. Weil der zentrale Mittelfeldspieler Pirmin Schwegler mit einem Hexenschuss ausfiel, spielte der sonstige Innenverteidiger Anton auf dessen Position.

"Eindrucksvoll und sensationell" bewertete sein Trainer Antons Leistung - und setzte hinzu: "mit Zug zum Tor". Tatsächlich wurde diese Eigenschaft mit Antons erstem Bundesliga-Treffer gekrönt; mit einem Schuss aus 20 Metern erzielte er nach einer knappen halben Stunde das 1:0.

Damit war der Gegner, der mit einer Serie von neun Spielen ohne Niederlage angereist war und der, so 96-Keeper Tschauner, "vor Selbstbewusstsein strotzte", angeschlagen und zeigte wieder das Antlitz eines Mitglieds der unteren Tabellenhälfte. Man könne eben nicht jede Woche einen Rückstand ausgleichen, sagte Freiburgs Kapitän Nils Petersen. Zuletzt (vom 0:0 gegen Leverkusen abgesehen) war es den Freiburgern gelungen, viermal hintereinander ein 0:1 mindestens auszugleichen. Doch diesmal kam diesem Vorhaben der schönste Spielzug der Hannoveraner in die Quere (54.): Niclas Füllkrug hatte den Ball Ihlas Bebou in den Lauf gespielt, der wiederum den fast parallel sprintenden Felix Klaus bediente, und dieser erzielte gegen seinen früheren Klub das 2:0.

Klaus, der im Sommer nach drei Jahren in Hannover weiterziehen wird nach Wolfsburg (wohl wegen des erklecklichen Gehalts) ist aber auch der Beweis dafür, wie gut es bei 96 menschlich gerade passt: "Ich mag die Mannschaft", sagte er, "jeden Einzelnen." Es sei für ihn selbstverständlich, "dass ich laufe, bis ich umfalle". Selbst Martin Harnik, der im vergangenen Jahr mit 17 Treffern ein Aufstiegsheld war, hält bei seiner derzeitigen Rückstufung zum Einwechselspieler still. Diesmal kam er in der 84. Minute für Flügelflitzer Bebou.

Während die Hannoveraner aufatmen, müssen die Freiburger die unteren Tabellenränge im Auge behalten. Sollte es am Samstag daheim gegen Bremen schiefgehen, ist der Abstiegskampf zurück. Damit es gut geht, bräuchten sie wieder jene Ballsicherheit und Effizienz, die SC-Coach Christian Streich in Hannover vermisste.

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