Hannover gewinnt 2:1:Auch der Altkanzler klatscht

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Hannovers Salif Sane (rechts) behauptet den Ball gegen Augsburgs Alfred Finnbogason. (Foto: Alexandra Beier/Getty Images)

Aufsteiger Hannover 96 verbucht vor den Augen von Gerhard Schröder in einer kuriosen Partie bei starken Augsburgern drei Punkte und etabliert sich überraschend im oberen Tabellendrittel.

Von Maik Rosner, Augsburg

Ein bisschen Schadenfreude könnte schon mitgeschwungen haben, als die Bässe aus der Kabine von Hannover 96 durch die Gänge der Augsburger Arena wummerten. Besungen werden konnte in der Umkleide der Gäste neben dem 2:1 (0:1) beim FCA ja auch ein Sieg, für den Sportdirektor Horst Heldt die Gratulationen mit Ironie entgegennahm. Jenen Glückwunsch, den ihm später jemand zurief, versah der Sportdirektor mit einem Zusatz, der viel über den kuriosen Verlauf der Partie erzählte. "Zum verdienten Sieg", vervollständigte Heldt den Glückwunsch und brachte damit zum Ausdruck, was nach zuletzt zwei Unentschieden und zwei anschließenden Niederlagen zwar nicht der Wahrheit entsprach, Heldt aber naturgemäß "vollkommen egal" war.

In der Zwischenbilanz stehen für den Aufsteiger nun 15 Punkte aus neun Spielen. Zumindest tabellarisch hat sich die Mannschaft von Trainer André Breitenreiter vorerst im oberen Drittel der Liga etabliert. Und nebenbei dürfen sich die 96er nach dem direkten Vergleich mit den ebenfalls erstaunlich gut gestarteten Augsburgern auch als Überraschungsmannschaft Nummer eins fühlen.

Möglich geworden war dies durch die Tore des eingewechselten Niklas Füllkrug (77. und 89. Minute), mit denen er Augsburgs lange Zeit hochverdiente Führung durch Michael Gregoritsch (33.) gedreht hatte. "So angefressen wie heute war ich schon lange nicht mehr. Nicht nur ich, sondern die ganz Mannschaft ist stinksauer", schimpfte Augsburgs Trainer Manuel Baum später. "Wir müssen in der ersten Halbzeit das 3:0 oder 4:0 machen, dann ist das Spiel vorbei", rechnete Innenverteidiger Jeffrey Gouweleeuw vor. Als "wahnsinnig bitter" stufte Manager Stefan Reuter die Niederlage ein.

Tschauners Slapstickeinlage

In der Tat waren es lange Zeit die Augsburger gewesen, die im Stile einer Spitzenmannschaft agiert hatten. Präsenter, wacher, schneller, schnörkelloser und torgefährlicher trat Baums Elf auf. Hinzu kam eine Spielfreude, die gerade gegen die defensiv sonst so kompakten 96er als beachtlich gewertet werden konnte. Allein die Vielzahl an vergebenen Torchancen verhinderte eine Vorentscheidung zur Pause. Nur der von Julian Korb abgefälschte Distanzschuss von Gregoritsch hatte als Bogenlampe und via Querlatte den Weg ins Tor gefunden.

Es fügte sich ins Bild, dass die spektakulärste Aktion der Gäste bis zur Pause in Form einer Slapstickeinlage ihres Torwarts Philipp Tschauner daherkam. Einen flachen Abstoß passte Tschauner nach hinten und damit auf direktem Weg ins Toraus. "Ich wollte unbedingt mal Teil lustiger Videos sein. Ich musste selbst drüber lachen. Ich weiß nicht, ob ein Torwart das schon mal geschafft hat", erzählte Tschauner hinterher amüsiert. Die Selbstironie konnte er sich auch deshalb erlauben, weil seine Kollegen in der zweiten Halbzeit einen Sieg herausschossen, der in der Gesamtbetrachtung beinahe ähnlich kurios geraten war wie der Fauxpas des Torwarts. "In der ersten Halbzeit waren wir nicht anwesend", kritisierte Tschauner. "Die erste Halbzeit war anstrengend, um es freundlich zu formulieren", sagte Präsident Martin Kind, nachdem er mit Altkanzler Gerhard Schröder, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der 96er, die überraschende Volte des Spiels beklatscht hatte.

Füllkrugs Erfolgsmethode? Er habe nicht nachgedacht

Breitenreiter hatte die Mannschaft in der zweiten Halbzeit etwas offensiver formiert und ebenso gewechselt. Bei den zunächst hochüberlegenen Augsburgern schwanden nach ihrem aggressiven und temporeichen Pressing der ersten Halbzeit zudem zunehmend die Kräfte. Und jene Fehler, die sich nun immer mehr einschlichen, ermöglichten zu wesentlichen Teilen die Wende. Zunächst traf Füllkrug freistehend im zweiten Versuch nach Korbs Flanke, dann vollendete er nach Salif Sanés Befreiungsschlag und Jonathas' Weiterleitung per Kopf. "Der Schlüssel zu den beiden Toren war, dass ich nicht nachgedacht habe", befand der zuletzt glücklose Füllkrug danach. Mindestens ebenso wesentlich war, dass die Augsburger nicht mehr an ihre Defensive dachten. "Wir müssen unbedingt daraus lernen, dass eine gute Halbzeit in der Bundesliga nicht reicht", sagte Baum. Zum Scherzen war ihm weiterhin nicht zu Mute.

© SZ vom 22.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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