Hannover 96:Ein Haufen Hoffnungslosigkeit

Werder Bremen v Hannover 96 - Bundesliga

Hat in Hannover einiges zu korrigieren: Trainer Thomas Schaaf.

(Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Freudlose Rückkehr von Thomas Schaaf: Hohngesänge der Werder-Fans sind für diesen Auftritt unvermeidlich.

Von Frank Hellmann, Bremen

Nein, sagte Thomas Schaaf, er habe das Plakat nicht gesehen. Schade eigentlich. Ziemlich spät, erst in der Schlussphase, als die Werder-Anhänger in der Ostkurve längst Hohn und Spott auf Hannover 96 herabprasseln ließen ("Und so spielt ein Absteiger"), kramten einige aufrechte Verehrer das Transparent hervor, auf dem stand: "Danke Thomas!" Einige haben eben nicht vergessen, was dieser Mann mal gewesen ist: eine Institution in Bremen. Und ein Erfolgstrainer.

Ja, das Plakat sei schön gewesen, sagte Schaaf in der Pressekonferenz artig, "aber ich habe das nicht im Blick gehabt, denn meine Aufgabe war es, mit meiner Mannschaft erfolgreich zu sein." Was mal wieder gründlich misslang. Die Niedersachsen gaben unter dem Strich ein jämmerliches Bild ab, wie auch Schaaf beklagte: "Das war mehr als enttäuschend. Wir haben uns viel vorgenommen, aber nur wenig erreicht. Die Art und Weise, wie wir verteidigt haben, war fahrlässig." Ausgerechnet an alter Wirkungsstätte ließ ihn seine Elf völlig im Stich. Die 1:4-Pleite war nur folgerichtig.

"Das Einzige, auf das man sich verlassen kann, ist, dass man sich nicht verlassen kann"

Warum nur, fragte sich der 54-Jährige, verhielt sich die halbe Mannschaft beim Pizarro-Geniestreich nach 26 Minuten so passiv? "Da stehen sieben Mann rum und gucken zu. Es fehlte nur noch, dass sie Beifall klatschen." Schaaf formulierte damit eine seiner seltenen öffentlichen Ohrfeigen an seine Spieler, die ihn so regelmäßig enttäuschen. Und wie sagte er später noch in kleiner Runde: "Das Einzige, auf das man sich verlassen kann, ist, dass man sich nicht verlassen kann."

Acht Spiele hat der zum Jahresanfang als Retter angetretene Schaaf bisher mit dem 96-Team bestritten - und dabei setzte es nunmehr sieben mehr oder wenig ernüchternde Niederlagen. All die Aufbruchsstimmung, die von seiner Verpflichtung ausgehen sollte, ist dahin. Mehr noch: Mit seinen wirkungslosen Rochaden und Umstellungen gilt der Trainer selbst als ein Sinnbild der Krise.

Sportvorstand Martin Bader, von dessen sechs Winterverpflichtungen nicht eine weitergeholfen hat, stellte sich schützend vor Schaaf: "Wir wollen die Dinge gemeinsam umstoßen. Der Weg ist alternativlos. Aber es ist ernüchternd und eine schwierige Situation. Allen, die uns betrachten, fehlt der Glaube." Unerklärlich auch für Bader, warum im Weserstadion auch Grundtugenden wie Einsatz, Kampfgeist oder Behauptungswille brach lagen. "Nach so einem Spiel können wir nicht von einem Hoffnungsschimmer reden."

Die Enttäuschung und Ernüchterung scheinen derzeit sogar von der Erkenntnis und Einsicht überlagert, dass die verbleibenden neun Spieltage zur Abschiedstournee mutieren könnten. Kapitän Ron-Robert Zieler ("Ich kann nix Neues erzählen") verweigerte jedes Statement, aber dafür sprach sein Mitspieler Kenan Karaman Klartext: "Irgendwie ist uns gar nichts gelungen. Die ersten 15 Minuten haben wir komplett verschlafen, wir können nichts Positives mitnehmen."

Welcher Drops ist da wieder quergerutscht?

Hannover - das ist ein Haufen Hoffnungslosigkeit. Die Mängel in allen Mannschaftsteilen sind zu umfassend, als dass sie abgestellt werden könnten, auch wenn Schaaf weiter Durchhalteparolen ausgibt: "Es kann noch ein sehr langes Rennen werden. Wir können das abwenden, wir können immer noch rechnen." Aber wie lange noch? Viele 96-Akteure wirken schlichtweg spielerisch oder taktisch überfordert (Iver Fossum, Hotaru Yamaguchi), etliche Profis strahlen eine erbärmliche Körpersprache (Oliver Sorg, Ceyhun Gülselam) aus. Was auch Schaaf sehr nachdenklich werden ließ: "Ich erlebe die Spieler im Training anders. Aber im Spiel frage ich mich schon, welcher Drops ist da schon wieder quergerutscht."

Seine von zermürbenden Reibungsverlusten gekennzeichneten letzten Jahre in Bremen, sein von internen Querelen geprägtes Intermezzo bei Eintracht Frankfurt sind nichts gegen den erschreckenden Qualitätsmangel dieses Kaders. Die Frage, ob er gerade die schwierigste Phase seiner Trainerkarriere durchlebe, wollte Schaaf im Pressekonferenzraum der Ostkurve nicht beantworten. "Ich habe das schon 748 Mal gesagt: Ich mache da kein Ranking." Ihm fiel aber sogleich ein, dass es im Frühjahr 1999 - als ihn Werder in höchster Abstiegsnot vier Spieltage vor Schluss vom Amateurcoach zum Profitrainer befördert hatte - viel schlimmer war. "Das war brenzliger. Da hatte ich viel mehr Druck." Dass Schaaf damals in Bremen als junger, fleißiger, aufstrebender Fußballerlehrer den Turnaround schaffte, ermöglichte ja erst, dass ihm dort heute noch Plakate gemalt werden.

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