Hannover 96:Drei Tore gegen die Stille

Hannover 96 - FSV Mainz 05

Drehte gegen Mainz 05 einen 0:2-Rückstand: Niclas Füllkrug.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Der Heimkehrer Niclas Füllkrug überdeckt mit seinem Dreierpack beim 3:2-Erfolg gegen Mainz die Spannungen bei seinem Verein.

Von Frank Hellmann

Womit belohnt sich ein junger Mann, der in der Bundesliga erstmals in seiner Karriere drei Tore schießt? Niclas Füllkug lächelte verlegen, im Glücksgefühl fiel dem Dreifachtorschützen von Hannover 96 zunächst nichts Besseres ein, als "ein Paar Schuhe" zu erwähnen. Die nächsten Sneaker für den Kleiderschrank, als Erinnerung an den perfekten Start ins neue Jahr? "Ich glaube, ich nehme den Ball mit", sagte Füllkrug dann. Beim 3:2-Heimerfolg nach 0:2-Rückstand gegen den FSV Mainz 05 hatte Füllkrug seine Saisontore sechs, sieben und acht fabriziert - und der ganzen Mannschaft dadurch einen freien Sonntag spendiert beschert.

Breitenreiter lobt: "Er fragt ständig nach Extraschichten."

Es war auch noch der 300. Bundesligasieg der 96-Vereinsgeschichte, und naturgemäß konnte sich Füllkrug danach vor Schulterklopfern kaum retten. Dafür reflektierte der 24-Jährige hinterher bemerkenswert nüchtern: "Ich glaube, dass allen in der Hinrunde klar war, dass ich nach den Jahren in der zweiten Liga jetzt nicht plötzlich in der Bundesliga alles zerbombe. Ich versuche, immer mehr eine Entwicklung zu nehmen, in der ich Tore für Hannover erzielen kann." Mit einem Kopfballtreffer (33.), einen sicher verwandelten Elfmeter (38.) und dem kaltschnäuzig erzielten Siegtor (75.) manifestierte sich am Samstag eine Entwicklung, die 96-Trainer André Breitenreiter seit geraumer Zeit hat kommen sehen. "Niclas hat dafür hart gearbeitet. Er ist unglaublich ehrgeizig und fragt ständig nach Extraschichten. Er erntet gerade die Früchte."

"Fülle", so nennen sie ihn bei 96, hat sich vom Tribünenhocker über den Teilzeitarbeiter zur Stammkraft gemausert. Seine Konkurrenten sind durchs Rüttelsieb gerauscht: Aufstiegsheld Martin Harnik kam nicht mal mehr als Einwechselspieler zum Zuge, Rekordeinkauf Jonathas droht in Vergessenheit zu geraten, weil der Brasilianer Blessuren und Erkrankungen vorzugsweise in der Heimat therapieren lässt. Eine Vermisstenmeldung wird so lange nicht abgesetzt, wie Füllkrug seine Form konserviert. Gegen Mainz kombinierte Hannovers Nummer 24 Einsatzwille, Kopfballstärke und Fleiß mit eher neueren Fähigkeiten wie Ballbehauptung, Spielübersicht und Abschlusssicherheit.

Es ist die typische Zick-Zack-Karriere, wie sie viele Stürmer durchlebt haben. Der gebürtige Hannoveraner wuchs im Stadtteil Ricklingen auf, spielte erst für den TuS, dann für die Sportfreunde, und schon in der F-Jugend gelangen ihm einmal 162 Tore in einer Saison. Doch dann ging eines der größten Sturmtalente Niedersachsens als 14-Jähriger nach Bremen. Zum SV Werder, wo sie ihm einen Platz im Internat gaben; Hannover 96 hatte damals noch keines. Den Durchbruch schaffte Füllkrug in Bremen allerdings nicht, in jungen Jahren wirkte er noch arg unfertig. 2013 ließ er sich zum Zweitligist SpVgg Greuther Fürth ausleihen, ein Jahr später holte ihn der 1. FC Nürnberg. 2016 überwies dann der Bundesliga-Absteiger Hannover 96 mehr als zwei Millionen Euro - für einen Heimkehrer. Den Vertrauensvorschuss zahlt er nun mit Verzögerung zurück.

"Die Mannschaft kann sich ein Stück weit auf mich verlassen, wenn ich auf dem Platz stehe", erklärte Füllkrug am Samstag ohne jeden Anflug von Überheblichkeit. "Er sucht genau die Räume, in die er stoßen muss", ergänzte Breitenreiter, der seine 3-4-3-Grundordnung zur Pause in eine 4-2-3-1-Formation überführte. Füllkrug kamen beide Systeme entgegen: "Viele hohe Bälle, viele Zweikämpfe, viel Spiel im Sechzehner: Das hat in mein Metier gepasst."

Er vergaß freilich nicht, sich bei den Kollegen zu bedanken: "Nach einer halben Stunde war es eine richtig geile Mannschaftsleistung. Da haben wir alles gelöscht." Der Kraftakt bestand ja nicht nur darin, die Gäste für ihre Passivität nach dem 2:0-Vorsprung durch Yoshinori Muto (26.) und Alexander Hack (31.) abzustrafen. Sondern auch mal wieder darin, die Stimmungslage im eigenen Stadion auszublenden. Gegen die Ausnahmegenehmigung von der 50+1- Regel, die Klubpräsident Martin Kind die Übernahme von 96 ermöglicht, wird von Teilen der Fanszene weiter erbittert gestritten.

Diesmal hatte es einen Demonstrationsmarsch mit rund 1000 Teilnehmern durch die Innenstadt gegeben, in der Arena am Maschsee setzten die Ultras ihren Stimmungsboykott aus der Hinrunde unverdrossen fort. Zusätzlich hingen Protestplakate in Großbuchstaben in der Kurve. Geharnischter Inhalt: "Hier ruht der Volkssport Fußball & die Mitbestimmung der Mitglieder". Insofern war Füllkrugs Dreierpack - übrigens der erste eines 96-Spielers in der Bundesliga seit Mohammed Abdellaoue 2011 - ein doppelter Stimmungsaufheller. Oder wie der Mann des Tages sagte: "Es war mega-wichtig und ein guter Tag, um drei Tore zu schießen."

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