Handspiele:Gruß nach Rio

Warum spielen Boateng und Schweinsteiger Handball? Wollen sie auf diese Weise noch zu den Olympischen Spielen?

Von Klaus Hoeltzenbein

Wäre es nicht längst viel zu spät, man hätte der absurden Idee verfallen können, Jérôme Boateng und Bastian Schweinsteiger hätten sich doch noch für Olympia in Rio empfehlen wollen. Warum sonst bringen Fußballer unaufgefordert ihre Hand ins Spiel? Im Strafraum, in zwei K.o.-Spielen, in einer dramaturgischen Verdichtung also, wie es sie nie zuvor auf diesem sportlichen Niveau zu bestaunen gab.

Vielleicht hätte man beiden eindringlich vermitteln müssen, dass Dagur Sigurdsson, der Handball-Bundestrainer, seinen Olympia-Kader pralle voll hat. Dass da gar nix mehr geht, weil dieser Isländer, der die deutschen Außenseiter im Januar zum Gewinn der Europameisterschaft coachte, für weitere Empfehlungen nicht empfänglich ist. Weil er ohnehin die härtesten Härtefälle zu moderieren hat: Von 27 auf 21 Rio-Kandidaten hat Sigurdsson seinen Kader gerade reduziert und dabei bereits drei Europameister ausgemustert. In der nächsten Runde muss er noch einmal zusammenstreichen, von 21 auf 14 - es werden Sportlerträume platzen, es wird Tränen geben.

Doch dann das: Gegen Italien springt Boateng plötzlich hoch und blockt den Ball wie der Handball-Abwehrchef Finn Lemke; gegen Frankreich macht Schweinsteiger den rechten Wurfarm lang wie der Handball-Kapitän Uwe Gensheimer. Die Folge: Zwei Elfmeter, die wegen ihrer Überflüssigkeit nie wieder vergessen werden. Warum? Beide Pechvögel hatten kein nachvollziehbares Motiv.

Verharrt man bei der Suche auf dem olympischen Pfad, so ist dieser allen Fußballern, die jetzt in Frankreich dabei waren, verbaut. Auch jenem Quartett, das aufgrund der Altersregel (unter 23) zum Rio-Kader von Trainer Hrubesch zählen könnte: Kimmich, Sané, Weigl, Tah. Theoretisch könnten Schweinsteiger, 31, und Boateng, 27, zwar ein Rio-Startrecht über die Sonderregel (drei Spieler dürfen über 23 sein) reklamieren, aber Konsens im DFB war früh, dass jeder Profi 2016 maximal ein Sommerturnier bestreiten darf.

Frankreichs Handballer werden "Les Experts" genannt. Lange dominierten die Experten die Szene, sie gewannen Olympiagold in Peking (2008) und London (2012). In Rio droht ihnen die Ablösung durch die Deutschen. Wollte man in den Taten der handballernden Fußballer Schweinsteiger und Boateng nun das Positive suchen, könnte man sie bestenfalls als Solidaritätsadressen werten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: