Handball:Zwei Spiele in 25 Stunden

Handball: Hendrik Pekeler von den Rhein-Neckar Löwen (Mitte) glaubt nicht, dass sich an der Termin-Hatz im Handball etwas ändert.

Hendrik Pekeler von den Rhein-Neckar Löwen (Mitte) glaubt nicht, dass sich an der Termin-Hatz im Handball etwas ändert.

(Foto: AP)

Von Joachim Mölter

In der deutschen Handball-Szene sind sie es gewohnt, mit Terminen zu jonglieren, damit die diversen Pflichtspiele in den diversen nationalen und internationalen Wettbewerben nicht kollidieren. Aber so nah wie an diesem Wochenende sind bislang noch nie Spiele eines Spitzenteams aneinandergestoßen. Die Rhein-Neckar Löwen, ihres Zeichens deutscher Meister, treffen am Samstag in der Bundesliga auf den SC DHfK Leipzig, Anpfiff in dessen Arena ist um 18.10 Uhr. Weniger als 24 Stunden nach Abpfiff sollen die Löwen aus Mannheim erneut auf dem Parkett stehen, dann allerdings in Barcelona: In der Champions League erwarten die Katalanen ihre Gäste am Sonntag um 19 Uhr.

Als "Wochenende des Wahnsinns" hat die Zeitung Mannheimer Morgen die Tortur ihres Heimteams betitelt. "Aus medizinischer Sicht unverantwortlich", bezeichnet dort der Löwen-Physiotherapeut Sascha Pander die Strapazen, die den Profis innerhalb von wenigen Stunden abverlangt werden: "Das Verletzungsrisiko ist um ein Vielfaches erhöht." Für die Spieler sei das "der blanke Horror", wie der Kreisläufer Hendrik Pekeler sagt.

Logistisch ist dieser Horrortrip machbar: Die Löwen fahren am Freitag mit dem Bus nach Leipzig und am Samstag nach dem Spiel weiter nach Berlin; dort übernachten sie in der Nähe des Flughafens Schönefeld, jetten von da am Sonntagvormittag nach Barcelona und landen dort rund sechs Stunden vor Spielbeginn. "Wir haben kein einziges Training, um uns auf Barcelona einzustellen", klagt Pekeler. Selbst Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), findet die ganze Aktion "deutlich über der Grenze der Zumutbarkeit".

Und warum mutet die HBL den Löwen dann den Bundesliga-Termin am Samstag in Leipzig zu? Und warum tun sich die Spieler noch den Auftritt am Sonntag in Barcelona an? Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann hatte den Profis die Reise zum Champions-League-Rekordsieger freigestellt und angeboten, das Drittliga-Team des Klubs nach Spanien zu schicken. "Es war der ausdrückliche Wunsch der Mannschaft, in Barcelona anzutreten", erklärt Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Löwen: "Dieser Gegner, diese Halle, diese Stadt - darauf will kein Handballer verzichten."

Die Rhein-Neckar Löwen wollen allerdings auch in Leipzig einen ordentlichen Eindruck hinterlassen. Die Partie dort fällt nämlich auf ein spielfreies Wochenende der sonst alles in den Schatten stellenden Fußball-Bundesliga, weshalb die ARD Platz und Zeit für eine Live-Übertragung hat. Der Wunsch der ARD war es, den deutschen Meister ins Bild zu bekommen, und der wiederum nimmt die Werbemöglichkeit angesichts der öffentlich-rechtlichen Reichweite gern wahr. Andererseits mag der FC Barcelona seine Champions-League-Heimspiele nur an Wochenenden austragen, weil diese Partien für seine Fans am attraktivsten sind - so sind die Rhein-Neckar Löwen nun in eine Mühle von Interessen geraten, in der sie womöglich zerrieben werden.

Empörung aus der Bundesliga

Die Mannheimer sind jedenfalls die aktuell Leidtragenden eines sich zuspitzenden Konflikts zwischen der Bundesliga und der europäischen Föderation EHF, welche die Champions League organisiert, den lukrativsten kontinentalen Wettbewerb. Die HBL hat mit Beginn dieser Saison einen neuen TV-Vertrag abgeschlossen mit dem Bezahlsender Sky, als Hauptspieltage werden darin Sonntag und Donnerstag festgelegt; den Donnerstag hatte bis dato aber auch die EHF für ihre Champions League vorgesehen. Der europäische Verband klagt nun, dass er wegen den Bundesliga dauernd den Spielplan anpassen muss; in dieser Woche drohte die EHF, von nächster Saison an bloß noch einen deutschen Verein zur Champions League zuzulassen. Bislang waren zwei Bundesligisten direkt für die Königsklasse qualifiziert, ein drittes Team erhielt eine Wildcard. Angesichts dieser drastischen Drohung war die Empörung in der Bundesliga groß: "Wenn es wirklich dazu käme, wäre das für die Sportart und die vielen Fans in Deutschland sehr, sehr traurig", sagte Thorsten Storm, Manager des deutschen Rekordmeisters und dreimaligen Champions-League-Siegers THW Kiel.

Der Machtkampf um den Terminkalender zwischen HBL und EHF spielt sich vor dem Hintergrund einer geplanten Champions-League-Reform ab. Von der Saison 2020/21 an soll die ähnlich wie im Basketball in einer Europaliga ausgetragen werden: zunächst mit zwölf Klubs (und später mehr) in einer Hin- und Rückrunde plus K.o.-Runden der besten Acht. Unter dem Strich ergibt das Modell sechs Spiele mehr pro Klub als derzeit - und das bei einem Terminplan, der jetzt schon allen viel zu voll ist. "Seit Jahren wird über Be- und Entlastung gesprochen, aber es tut sich nichts", sagte Hendrik Pekeler dem Mannheimer Morgen: "Und ich bin auch nicht sonderlich optimistisch, dass sich etwas ändern wird."

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