Handball:Zum Kühemelken

Handball-Zweitligist Rimpar Wölfe erfährt gerade leidvoll, was es heißt, ein Ausbildungsbetrieb zu sein - obwohl bekannt ist, wie weit man es hier als Talent bringen kann. Der Verein stellt sich nun Grundsatzfragen zu seiner Zukunft.

Von Sebastian Leisgang

Nicht, dass Matthias Obinger es versucht hätte. Eine pfiffige Idee wäre das zwar schon: einen Spieler für ein Gläschen guten fränkischen Wein auf die alte Mainbrücke oder in einen der hippen Läden in der Würzburger Innenstadt zu führen - aber Obinger weiß: "Es kommt keiner zu uns, nur weil der Wein hier so gut schmeckt."

Obinger, 38, ist Trainer des Handball-Zweitligisten Rimpar Wölfe und muss als solcher gerade leidvoll erfahren, was es heißt, in einem Ausbildungsbetrieb tätig zu sein. In der Szene hat sich zwar längst rumgesprochen, wie weit man es in Obingers Schule als Talent bringen kann; einige Spieler würden deshalb gerne nach Rimpar kommen - aber eben nicht für einen Apfel und einen Wein. Das ist das Dilemma, in dem der Klub gerade steckt: Die Wölfe haben sich nicht zuletzt dank Obinger einen erstklassigen Ruf erarbeitet und könnten eine Anlaufstelle für eine Reihe an Talenten sein - müssten sie nicht jede Münze zweimal umdrehen.

In Rimpar wissen sie zwar, wie sich haushalten lässt. Der Verein kommt seit Jahren mit einem der überschaubarsten Etats der zweiten Liga aus und mischt dennoch bei den Großen mit. Das Problem ist nur: Am Samstagabend nach dem letzten Saisonspiel gegen Hildesheim (26:28) haben in Linksaußen Sebastian Kraus und Rückraumspieler Stefan Schmitt zwei Führungskräfte ihre Karriere beendet, und Sergej Gorpishin wird wohl zum HC Erlangen zurückkehren - doch die Verantwortlichen haben in Kreisläufer Michael Schulz von der HG Saarlouis erst einen Zugang vorgestellt.

"Wir spielen nächstes Jahr gegen den Abstieg", prophezeit Obinger

So stellt sich nun die Frage: Welche Argumente hat Rimpar überhaupt auf einem umkämpften Markt, auf dem die Konkurrenz mehr und mehr aufrüstet, während die Unterfranken trotz sportlichen Fortschritts wirtschaftlich stagnieren? Und wie viel ist das Versprechen einer guten Ausbildung wert, wenn man außerstande ist, einem Spieler ein finanziell ansprechendes Angebot zu machen? Auch Obinger hat sich mit diesen Fragen befasst. Jetzt sitzt er in einem der hippen Läden in der Würzburger Innenstadt und sagt: "Die Mannschaft hat zwei Jahre an ihrem Limit gespielt, jetzt brauchen wir frisches Blut. Man kann eine Kuh melken, aber irgendwann gibt sie keine Milch mehr." Und dann? "Dann braucht man eine zweite Kuh", sagt Obinger und meint: Es braucht größere finanzielle Ressourcen.

In den vergangenen Wochen hat sich Obinger mit zahlreichen Spielern ausgetauscht, um sie für Rimpar zu gewinnen. Sie hätten sich mit dem dualen Ansatz - tagsüber Arbeit, abends Handball - anfreunden können, erzählt Obinger. Sie wären gar bereit gewesen, finanzielle Abstriche zu machen, um in einer verschworenen Gruppe unter einem in der Branche sehr anerkannten Trainer auf einem anständigen Niveau Handball zu spielen - "aber es reicht finanziell immer noch nicht", sagt Obinger.

Obwohl sich Rimpar inzwischen längst in der zweiten Bundesliga etabliert hat, werden drei der vier Aufsteiger im nächsten Jahr potenter sein als die Wölfe. Das liegt nicht zuletzt an den Strukturmängeln im Klub. In Rimpar setzt sich morgens niemand an den Schreibtisch und greift zum Telefonhörer, um einer Brauerei oder einem Modeunternehmen näherzubringen, wieso sie unbedingt ihr Logo auf dem Mannschaftstrikot hinterlassen sollten. Geschäftsführer Roland Sauer versucht zwar, Partner und Sponsoren aufzutreiben - allerdings nebenbei. In den vergangenen Wochen hat Matthias Obinger immer wieder versucht, Schmitt und Kraus zum Rücktritt vom Rücktritt zu bewegen, da sei aber nichts mehr auszurichten, sagt er. Schon jetzt ahnt der Coach: "Wir spielen nächstes Jahr gegen den Abstieg - und das ist kein Understatement." Es ist, tatsächlich, eine seriöse Prognose.

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