Handball-WM in Kroatien:Serben unter Polizeischutz

"Das ist kein Sport, das ist Politik": Die serbische Handballmannschaft muss bei der WM in Kroatien mit Pfiffen, Schmähungen und einer Bombendrohung leben.

Christian Zaschke

Zadar - Als die serbische Mannschaft am Samstag um 17.08 Uhr das Spielfeld der Sporthalle zu Zadar betritt, beginnen Tausende Menschen zu pfeifen. Es ist nicht die Art von Pfeifen, mit der Fans einen nicht so beliebten Gegner bedenken, es ist ein Pfeifen voller Wut und Hass. Vermutlich gibt es keinen Ort in Kroatien, an dem es anders wäre bei dieser Handball-WM, nirgends würden die Serben beklatscht oder wenigstens ignoriert. Aber in Zadar, an der Küste Dalmatiens, ist es besonders schlimm, weil es erstens ein Zentrum des kroatischen Nationalismus ist und zweitens Kriegsschauplatz war im Balkankonflikt. Die Ablehnung, die den Serben entgegenschlägt, ist körperlich spürbar.

Handball-WM in Kroatien: Selten können sich die serbischen Handballer in Kroatien uneingeschränkt freuen (im Bild: Mladen Bojinovic bei den Fans nach dem Sieg gegen Norwegen).

Selten können sich die serbischen Handballer in Kroatien uneingeschränkt freuen (im Bild: Mladen Bojinovic bei den Fans nach dem Sieg gegen Norwegen).

(Foto: Foto: AFP)

Die serbische Mannschaft bildet einen Kreis, dann stellt sie sich in einer Reihe auf und winkt ins Publikum, es wirkt höflich, nicht provozierend. Als wenig später beim Einwerfen ein Ball auf die Tribüne fliegt, wirft ihn ein kroatischer Fan zurück, die Serben danken mit erhobenem Daumen, doch dieser Moment bleibt die Ausnahme. Die serbische Hymne wird begleitet von Pfiffen und Schmähungen.

Die Gegner der Serben werden bejubelt und angefeuert, an diesem Samstag sind es die Deutschen. Es ist ein seltsames Handballspiel, beide Seiten begehen Unmengen an Fehlern, es endet 35:35 (16:19). Nach dem Spiel erzählt der Serbe Momir Ilic, der in der Bundesliga beim VfL Gummersbach spielt, wie es ist, als Serbe in Kroatien zu spielen: "Wir stehen durchgehend unter Polizeischutz", sagt er, "zum Training fahren wir immer mit Eskorte, das Hotel verlassen wir sonst gar nicht mehr."

Wobei das Hotel auch nicht direkt ein Hafen der Ruhe ist. "Wir können nachts kaum schlafen, weil meistens Leute da sind und Lärm machen", sagt Ilic. Am Freitagabend ging eine Bombendrohung gegen das Hotel ein, versehen mit dem Hinweis, viele Serben würden sterben. Auch die deutsche Mannschaft wohnt in dem Hotel, sie bekam von der Aufregung nichts mit. "Ich habe so gut geschlafen wie noch nie in diesem Turnier", sagte Bundestrainer Heiner Brand. Dass es überhaupt eine Drohung gab erfuhren die Deutschen zufällig. Christian Schönes Heimtrainer aus Göppingen, Velimir Petkovic, rief seinen Spieler an, um mal zu hören, was es denn mit dieser Bombe auf sich habe.

Fahnen abgehängt

Schon zuvor hatte es einigen Wirbel in Zadar gegeben. Der Bürgermeister der Stadt hatte die Fahnen aller 24 WM-Teilnehmer abhängen lassen, weil eine davon die serbische war. Die serbische Fahne in Zadar wehen zu sehen, das war einigen Kroaten zu viel. In den kroatischen Medien stieß das Abhängen der Fahnen allerdings auf wenig Verständnis. Momir Ilic sagt: "Es ist traurig, was hier passiert, denn das ist kein Sport mehr, das ist Politik." Während der Spiele der Serben ist tatsächlich immer zu sehen und zu hören, dass es auch um Politik geht. Nicht nur wegen der Pfiffe und Schmähungen. Rund 20 serbische Fans haben sich beim Spiel gegen Deutschland in die Halle getraut. Ilic erzählt, ein Bus sei aufgehalten worden und nicht zur Halle durchgekommen. Die 20 Serben, die da sind, haben zwei Hörner mitgebracht, zwei Trompeten, eine Trommel und drei Fahnen. Eingerahmt werden sie von 18 Polizisten eines Sondereinsatzkommandos, die in schwarzen Monturen stecken, dazu gesellen sich noch sechs Ordner in neongelben Westen. Die Serben spielen Musik, zu hören sind sie kaum in der Halle, die 7000 Menschen Platz bietet.

Immer, wenn die Deutschen ein Tor werfen, wird der Name des Schützen über die Lautsprecher in die Halle gerufen. Immer, wenn die Serben ein Tor werfen, herrscht danach Schweigen. Die Tore werden zwar auf der Anzeigetafel gezählt, durchgesagt werden sie nicht. Die Spieler nehmen es hin, es scheint sie sogar zu motivieren. Ilic sagt: "Wir spielen für unsere Landsleute."

Nach der Partie winken die Serben wieder ins Publikum. Die Halle ist vergleichsweise ruhig, Polizisten halten die Ränge im Auge. Sie sehen einen jungen Mann, Mitte 20, sie rufen ihm eine Warnung zu, doch er stellt sich an eine Balustrade und bespuckt die serbischen Spieler, die in die Kabine gehen. Die Spieler tun, als sei nichts, sie gehen einfach weiter.

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