Handball-WM in Katar:Umstritten wie nie zuvor

Horrende Kosten und ausgebeutete Arbeiter: Noch nie stand eine Handball-WM so in der Kritik wie die in Katar. Dass Deutschland überhaupt dabei ist, gehört zu den Merkwürdigkeiten des Turniers.

Von Florence Niemann

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(Foto: dpa)

Strittige WM-Vergabe: Katar steht als Austragungsort der Handball-WM in der Kritik, so sehr wie kein Ausrichter zuvor. Der gewöhnliche Katarer kann mit Handball in etwa so viel anfangen wie Jamaikaner mit Skilanglauf. Die Nationalmannschaft besteht zur Hälfte aus eingebürgerten Sportlern - viel schwerer wiegen aber die Umstände, unter denen die WM ermöglicht wurde. Zum Beispiel die Ausbeutung vieler ausländischer Bauarbeiter, die unter anderem am Bau der drei neuen Spielhallen für die Handball-WM beteiligt waren. Seit 2013 starben etwa 1000 von ihnen beim Bau von Sportstätten in Katar. Organisationen wie Human Rights Watch beklagen deshalb eine Verletzung der Menschenrechte.

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(Foto: Daniel Naupold/dpa)

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft: Normalerweise würden die deutschen Handballer an der WM gar nicht teilnehmen. Das Team verpasste die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Katar - und startet nun mit Hilfe einer Wildcard. Die deutsche Mannschaft erhält den Startplatz von Ozeanien. Gegenwärtig gebe es keinen von der IHF anerkannten Kontinentalverband, so die Begründung des Weltverbandes. Deshalb ging der für den Kontinent reservierte Platz an die beste nicht qualifizierte Nation der vorangegangenen WM. Deutschland belegte bei der WM 2013 unter Bundestrainer Martin Heuberger den fünften Platz. In der Vorrunde trifft Deutschland auf Polen, Russland, Dänemark, Argentinien und Saudi-Arabien. Die Mannschaft reist mit einem stark verjüngten Kader nach Katar.Trotzdem ist das Erreichen des Achelfinales das Minimalziel der deutschen Auswahl.

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(Foto: dpa)

Der Bundestrainer: Der Isländer Dagur Sigurdsson ist seit August 2014 neuer Bundestrainer der Handball-Nationalmannschaft. Sigurdsson ist ein erfahrener Trainer, der bereits in Japan und Österreich als Trainer gearbeitet hat und mit den Füchsen Berlin 2014 den DHB-Pokal gewann. Bis kommenden Sommer übt er eine Doppelfunktion aus und trainiert in der Bundesliga weiterhin die Füchse Berlin, was durchaus umstritten ist. Die Berliner Handballer, die sich zu den Top-Mannschaften der Bundesliga zählen, mussten seit Beginn der Doppelfunktion ihres Trainers herbe Niederlagen in der Bundesliga verschmerzen und belegen nun den zehnten Tabellenplatz.

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(Foto: N/A)

Die Favoriten: Titelverteidiger Spanien (hier beim Gewinn der Europameisterschaft 2008) zählt ebenso zu den Favoriten wie Olympiasieger Frankreich, der WM-Zweite Dänemark und der WM-Dritte Kroatien. Das sind jene Mannnschaften, die sich seit 2011 bei EM und WM elf von zwölf Medaillen holten. Für Kroatien spielt auch Bundesliga-Handballer Drago Vukovic, der bei TuS N-Lübbecke unter Vertrag steht, von kommendem Sommer an aber für die Füchse Berlin spielen wird. Unter Bundestrainer Sigurdsson wird der Kroate in Berlin aber nicht mehr trainieren, dessen Doppelfunktion als DHB-Trainer und Vereinstrainer endet im Sommer. Sigurdsson zählt übrigens ebenfalls diese vier Nationen zu den Favoriten und legt sich sogar fest: "Von diesen Vieren ... sage ich Dänemark."

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(Foto: dpa)

Der Tormacher: Jérome Fernandez prägt Frankreichs Handball-Team - er ist mit 1436 geworfenen Toren in 360 Länderspielen nicht nur Haupttorschütze der französischen Nationalmannschaft, sondern wohl auch einer der torgefährlichsten Spieler der WM in Katar. Fernandez ist bereits 37 Jahre alt, aber immer noch eine wichtige Stütze im Team der Franzosen. Zu seinen Erfolgen im Nationalteam gehören die Siege bei den Weltmeisterschaften 2001, 2009 und 2011 und den Europameisterschaften 2006, 2010 und 2014. Der Halblinke spielte bereits in Frankreich, Spanien sowie für den THW Kiel in der Bundesliga. Neben Fernandez strahlen auch Kroatiens Blaženko Lacković, der Spanier Albert Rocas und der Däne Mikkel Hansen größte Torgefahr aus - sie werden in der Spitze der Bestenliste garantiert vertreten sein.

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(Foto: Jens Wolf/dpa)

Der Jüngste im Team: Paul Drux ist erst 19 Jahre alt, spielt aber bereits eine wichtige Rolle in der Nationalmannschaft. Er ist der jüngste Spieler des deutschen Kaders; Katar ist seine erste WM. Dagur Sigurdsson ist nicht nur in der deutschen Nationalmannschaft, sondern auch in der Bundesliga sein Trainer. Bei der Füchsen Berlin spielt er im linken Rückraum. Dort braucht es wurfgewaltige Handballer, die hoch hinaus über den gegnerischen Block springen und mit ihren Toren die Spiele entscheiden. Der linke Rückraum gilt als Königsposition, in Deutschland verbunden mit Namen wie Joachim Deckarm und Erhard Wunderlich (Weltmeister 1978), Frank-Michael Wahl (1980 Olympiasieger mit der DDR) oder Pascal Hens (Weltmeister 2007). Aktuell hat der DHB im linken Rückraum ein Problem: "Wir haben auf dieser Position wirklich die Seuche", sagt Teammanager Oliver Roggisch. Ausgenommen ist nur einer: Paul Drux. Erst im September 2014, beim Testspiel gegen die Schweiz, feierte der Rückraumspieler sein Debüt im deutschen Nationaltrikot. In Katar soll er vor allem für eins zuständig sein: viele Tore.

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(Foto: imago/Camera 4)

Der Nachnominierte: Michael "Mimi" Kraus ist der erfahrenste Spieler des deutschen Kaders. Im März 2005 feierte der heute 31-jährige Handballer des Bundesligisten Frisch Auf Göppingen sein Debüt im Nationalteam. 2007 wurde er mit Deutschland Weltmeister bei der WM im eigenen Land. Kraus war nach dem WM-Titel 2007 auf dem Weg zum Handball-Helden. Doch immer wieder überschatteten private Eskapaden die sportliche Leistung - so wie zuletzt der Vorwurf des Dopingkontrollvergehens, von dem Kraus im August 2014 freigesprochen wurde. Nach drei Jahren Länderspiel-Pause könnte er in Katar zur wichtigen Stütze der deutschen Handballer avancieren. Besonders wertvoll: seine wuchtigen Stemmwürfe und überraschenden Trickeinlagen.

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(Foto: dpa)

Der ewige Zweite: Carsten Lichtlein ist der ewige zweite Mann im deutschen Tor. Der gebürtige Würzburger spielt seit 14 Jahren in der Nationalmannschaft, doch nie als Stammtorhüter. Der Torwart vom VfL Gummersbach bildete bereits mit Henning Fritz ein Torwart-Duo. In der Nationalmannschaft ist Lichtlein mit 34 Jahren der mit Abstand Älteste. Er weiß, dass er damit nicht in das Konzept des Deutschen Handballbundes (DHB) passt, das auf die Heim-WM 2019 und Olympia 2020 ausgerichtet ist. "Man kann aber nicht plötzlich alles auf jung trimmen", findet er. Mit seiner Erfahrung will er der Mannschaft bei der WM 2015 in Doha/Katar helfen, nach Möglichkeit auch noch bei Olympia 2016 in Rio. Bei Olympia war er bislang nie dabei, "das wäre noch mal ein Reiz", sagt er und gibt zu: "Das ist ganz klar mein Ziel." Notfalls setzt er sich dafür auch auf die Bank.

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(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Keine TV-Übertragung: Vor der WM gab es mächtig Trubel um die TV-Rechte für die Handball-Weltmeisterschaft. Erstmals können die Handball-Fans eine Weltmeisterschaft nur im Bezahlfernsehen verfolgen. ARD und ZDF, die Europa- und Weltmeisterschaften im Handball traditionsgemäß übertragen haben, zeigen die Spiele diesmal nicht. Als Knackpunkt erwiesen sich angeblich die Verbreitungswege. Weil die ARD/ZDF-Programme auch über Satelliten ausgestrahlt werden, die außerhalb Deutschlands zu empfangen sind, scheiterte ein Vertrag mit dem katarischen Rechte-Inhaber beIN Sports. Das Tochterunternehmen des katarischen TV-Imperiums al-Jazeera einigte sich letztlich mit dem Bezahlsender Sky. Wer die Spiele trotzdem schauen will: Die wichtigsten Partien gibts im Pay-TV auf Sky. Der Sender, der auch die Champions-League im Handball überträgt, zeigt alle Spiele der deutschen Mannschaft. 50 Partien spielt der Sender kostenfrei im Internet ab, allerdings ohne deutsche Kommentierung.

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(Foto: dpa)

Das Wetter in Katar: So heiß wie im Sommer ist es in Katar im Januar nicht. Während der Handball-WM liegen die Temperaturen tagsüber um die 20 Grad. Die Handballer müssen sich also nicht großartig an das katarische Wetter in Doha gewöhnen, zumal sie in klimatisierten Hallen spielen. "Den Temperatur-Unterschied werden wir im Grunde gar nicht merken. Wir müssen allenfalls auf die direkte Sonneneinstrahlung aufpassen, die wir im Moment nicht gewohnt sind. Als Außenstehender weiß man aber vermutlich gar nicht, dass die Spieler bei solchen Turnieren fast immer nur die Hotelzimmer und die Sporthallen sehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Katar irgendetwas von der Sonne mitbekommen, geht gegen Null", sagt der Mannschaftsarzt der deutschen Handballer, Kurt Steuer, im Interview mit der SZ. Sorgen macht ihn schon eher die Klimatisierung in den Hotelzimmern: "Die Spieler werden angehalten, die Klimaanlage auf 19, 20, maximal 21 Grad zu stellen und dann die Finger davon zu lassen. Das wird kontrolliert, um auszuschließen, dass ein Spieler gar nicht auf die Klimaanlage achtet, die Nacht bei 15 Grad verbringt und am ersten Morgen Halsschmerzen und Schluckbeschwerden hat."

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